Kirche und Politik + Abdel Samad zum Politischen Islam + Koran: Hermeneutik

Wenn Kirchenvertreter nichts mehr vom Evangelium zu sagen haben, weil sie es selbst nicht mehr verstehen, dann flüchten sie sich erfahrungsgemäß in Gesellschaftspolitik.

Aber: Auch Glaubende, die Evangeliumsgemäß leben, können nicht politisch asketisch leben. Man muss sich politisch einmischen. Eine Kirchengeschichte ohne politische Einmischung ist nicht denkbar. Das tun auch die Christen in China nicht. Gerade weil sie dem Kommunismus eine eigenständige Welt entgegensetzen, haben sie es ja so schwer. Spirituell leben in der Nachfolge Jesu hat immer Konsequenzen für das Auftreten in der Gesellschaft. Darum werden viele ja auch verfolgt, bedrängt, als Feinde in Schubladen gesteckt, in die sie gar nicht hineingehören – das weltweit. Von daher ist Abdel-Samad, wie seine Sicht in diesem Beitrag dargestellt wird, nicht zuzustimmen.

Aber – auch das gilt, was eingangs gesagt wurde: Wenn Kirchenvertreter nichts mehr vom Evangelium zu sagen haben, weil sie es selbst nicht mehr verstehen, dann flüchten sie sich erfahrungsgemäß in Gesellschaftspolitik. Das ist auch nicht richtig. Das zerstört Kirche mehr als die Anfeindungen von außen. https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/veranstaltungen/2017/11/07/abdel-samad-kirchen-machten-ditib-hoffaehig/

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Abdel-Samad warnt vor politischen Islam – besonders mit Blick auf die Ditib: https://www.welt.de/politik/deutschland/article170388123/Abdel-Samad-warnt-vor-politischem-Islam-in-Deutschland.html

In dem Beitrag heißt es:

Das Ziel dieses politischen Islam sei „niemals die Integration der Muslime“. Dieser verstecke sich hinter den Kirchen und nutze Grauzonen im Grundgesetz aus – manchmal mithilfe der Kirchen -, um seine Infra- und Machtstrukturen auszubauen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erwiderte, dass das Problem erkannt sei und dass bereits kritische Gespräche geführt würden.

Man stürzte sich als Kirchen auf Muslime, die Gesprächsbereitschaft signalisierten. Sonst hatte man ja keine Ansprechpartner. Ob sie nun extrem waren, ob sie von den jeweiligen islamischen Staaten gelenkt wurden, das war egal – Hauptsache, man hatte Ansprechpartner, die einem sagen, was der Islam im realen Leben wirklich ist. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert, weil liberale Muslime immer deutlicher in den Vordergrund treten. Und so ist es eben auch wünschenswert, dass die Kirchen liberale Muslime unterstützen, und, wie Bedford-Strohm laut Beitrag sagt, mit den anderen „kritische Gespräche“ führt.

Es hat sich in den letzten 10-20 Jahren viel geändert. Entsprechend haben sich auch die Ansichten der Kirchen und auch Einzelner geändert (wie auch meine Perspektive). Das liegt in der Natur der Sache – und es wird sich auch weiterhin ändern.

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Ich habe schon sehr häufig zum Thema Koran-Hermeneutik (im Suchfeld Hermeneutik eingeben) geschrieben. Das will ich nicht wiederholen. Mir kam neulich aufgrund der Lektüre des Buches von Adrien Mamadou Sawadogo (Gott hat mich ergriffen) folgender Gedanke:

Aus jüdisch-christlicher Perspektive ist es so, dass Gott auf den Menschen reagiert. Gott hat den Menschen mit freiem Willen geschaffen. Der Mensch reagiert darauf mit Tun des Willens Gottes – aber auch damit, sich von Gott abzuwenden. Darauf reagiert Gott – zum Beispiel mit der Erwählung Abrahams, den 10 Geboten an Moses, damit der Mensch zur Gemeinschaft zurückfindet – eben aus freien Stücken -, er reagiert mit dem Bundesschluss mit seinem Volk Israel, der Beauftragung von Propheten, die im Namen Gottes auf die Sünde des Volkes reagieren sollen, der Sendung seines Sohnes Jesus Christus und allem, was damit an Lehre und Taten verbunden ist.

Laut muslimischem Glauben reagiert Allah auf das Tun der Menschen. Weil laut Mohammed Juden und Christen die Bibel (und das Leben Jesu) verfälscht haben, diktiert Allah dem Mohammed den Koran. Allah reagiert auf Mohammed, wenn dieser in Bedrängnis gerät, wenn er von Allah was wissen will usw. Das heißt: Auch hier finden wir, dass Allah auf den Menschen reagiert, versucht, ihn in seinem freien Willen zum Guten zu leiten. Die Frage stellt sich dann weiter: Wie würde Allah auf das reagieren, was heute in der islamischen Welt geschieht? Hat er nur damals durch Mohammed reagiert – oder reagiert er auch durch die Geschichte hindurch, eben wie Christen von Gott bekennen, immer wieder neu (durch seinen heiligen Geist)? Kann man aus dieser Perspektive nicht eine neue Koran/Sunna Exegese/Hermeneutik entwickeln, die von der Mehrheit der Muslime weltweit akzeptiert wird? Ahmadiyya gehen ja schon in etwa diesen Weg. Aber wäre er nicht auch für Sunniten und Schiiten – freilich aus ihrer Perspektive – nachdenkenswert?

Ich hatte gestern Adrien Mamadou Sawadogo erwähnt, der Muslim war und Christ wurde – der sagte, dass Allah – also Gott – ihn zu Jesus geführt habe. Aus dessen Perspektive haben wir das auch: Gott/Allah handelt aktuell. Man muss nur sein Handeln zu verstehen suchen. Sawadogo meint, dass nicht jeder den Weg geführt werde, den Allah/Gott ihn persönlich geführt habe. An dieser Stelle könnten dann die Vordenker des sunnitischen und schiitischen Islam ansetzen: Wie möchte Allah, dass Muslime gegenwärtig in dieser geschichtlichen Situation agieren?

Ich weiß, es ist vermessen, großen Religionen kleine Gedanken gegenüberzustellen. Aber dazu morgen mehr.

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