Going Home

Sissel:

 

Going home – wo ist mein zu Hause? Wo Mütter sind, Väter, viele Menschen und die Freunde. Der Morgenstern leitet den Weg, das Zuhause ist nah, man geht hinein wie durch eine offene Tür…

Der verlorene Sohn kehrt heim zum wartenden Vater (Lukas 15) – alle, die Gottes Willen tun, sind Mütter, Schwestern, Brüder (Markus 3) – Jesus ist der Morgenstern  (Offenbarung des Johannes 22,16) – das Licht, das in der Dunkelheit scheint und der Sonne vorausgeht, den Tag ankündigt.

Ob das Lied darauf anspielt? Das weiß ich nicht. Doch wo sollte sonst die Heimat sein, zu der die Sängerin/der Dichter hingeht? Sie ist nicht fern, ist nahe bei, man geht hinein, wie durch eine offene Tür: das Reich Gottes ist unter/in euch (Lukas 17); Jesus sagt: Ich bin die Tür (Johannes 10), Jesus ist vorausgegangen, die Wohnung bei Gott zu bereiten (Johannes 14). Diejenigen, die ihm folgen, die seine Vergebung für sich in Anspruch nehmen, die gehen heim.

Der Himmel als Ort, an dem man nach dem Sterben lebt – also bei Gott –, ist meines Wissens nicht sehr weit verbreitet in den Religionen. Die Götter (außer den Todesgöttern) haben nicht viel mit den Menschen – vor allem nicht, wenn sie tot sind – zu tun. Die Verstorbenen leben in der Unterwelt – mit wenigen Ausnahmen: die Lieblinge des Zeus und die Helden leben auf der Insel der Seligen, sie leben in Walhalla – Ansätze davon: im muslimischen Paradies. Der christliche Glaube spricht davon, dass die Verstorbenen nach dem Sterben bei Gott leben, also in seinem Reich (Matthäus 25), unter seiner Königsherrschaft – die im Himmel (= bei Gott) schon vorhanden ist, aber erst noch vollständig errichtet werden wird. Verstorbene leben mit den guten Mächten bei Gott zusammen mit dem vielen Volk: die Glaubenden, die überwunden haben (Offenbarung des Johannes). 

Auch wenn das Lied diese ganzen Hintergründe nicht bewusst anführen sollte: Es steht in dieser christlichen Tradition und Menschen, die in dieser Tradition leben, können es von hier aus verstehen. Wer es einfach als Phantasie eines Dichters verstehen möchte, der tröstende Worte ohne Anhaltspunkte an der göttlichen Realität spricht, mag sich auch melodiös umsäuseln lassen.

Jesus Christus ist das gegenwärtige wie künftige Leben der Glaubenden – also ist ihr kommendes und gegenwärtiges Leben eng mit ihm verknüpft – und wir werden ihn sehen, von Angesicht zu Angesicht, verklärt in die Herrlichkeit – wie wir ihn jetzt schon ansatzweise mit den Augen des Glaubens sehen können. Dieser Aspekt fehlt in dem Lied, das eine paradiesische Vorstellungen betont, die wir auch in der Offenbarung des Johannes finden (Kapitel 22), dort freilich vielfältiger als im Lied – aber noch sehr dezent.

Es gibt christlicherseits unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie es “daheim” sein wird. Die Konstante ist: Jesus Christus ist auferstanden – und wir werden mit ihm auferstehen und das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes erleben.

Nur am Rande: Islamische Vorstellungen bzw. diejenigen, die wir im Zusammenhang mit Mohammed finden, sind ca. 600 Jahre später viel bilderreicher. http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downloads/texte/islam_paradiesvorstellungen.html – wie auch die mittelalterlichen Paradies- und Höllenvorstellungen in unseren Breiten oder in asiatischen Religionen. Aber wir richten uns nicht nach mittelalterlichen Phantasien, sondern nach dem aus, was wir im Neuen Testament finden und die in dem auferstandenen Jesus Christus ihren Fixpunkt haben.

Warum? Weil das “ewige Leben” nicht erst kommen wird, keine Vertröstung ist, sondern im irdischen Leben schon beginnt. Wie der verlorene Sohn zeigt: Er kehrt jetzt schon heim. Nicht erst in der Stunde des Todes. Hinduistisch gesprochen lebt er schon in der höchsten Kaste kurz vor dem Nirwana – mit Nirwana-Erfahrungen – übrigens als Unberührbarer! 😉 . Buddha hat die Erleuchtung viele Tage meditierend unter dem Bodhi-Baum gefunden bzw. besser: die Erwachung erlebt – und nach seinem Sterben wird er ins Nirwana eingegangen sein, hoffe ich für ihn. Der verlorene Sohn hat alles gefunden, indem er zum Vater gerannt ist – sicher in dessen Armen, jetzt schon. Going home.

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