Christen + Menschenrechte 2

16. Jahrhundert

Im 17. Jahrhundert sind die „Levellers“ von England zu nennen – allen voran der den Puritanern nahe stehende John Lilburne (Freeborn John), der 1649 die „freeborn rights“ vorlegte. Er wurde vielfach inhaftiert. In etwa zeitgleich haben Oliver Cromwell (1599-1658) und John Locke (1632-1704) ebenfalls auf der Basis puritanischer Erfahrungen und Freiheitsbestrebungen Grundlagen gelegt. Zumindest auf den Letztgenannten greift man heute vielfach zurück. Aber auch sie haben Vorläufer.

Spannend ist in diesem Kontext Martin Luthers Rede zu Worms (1521), die das Gewissen des einzelnen Menschen in den Vordergrund stellt, wie auch die Schrift: Von der Freiheit eines Christenmenschen, in der er den Christen nicht als Teil des Kollektivs einordnet, sondern eben der einzelne Christenmensch hat die Freiheit, im Sinne Gottes zu entscheiden. Die Reformatoren (vor allem auch Calvin (1509-1564) – in der Folge die reformierte Kirche: Freiheit des Gewissens – vor staatlichem Recht und eine Art Gewaltenteilung [Kontrolle] in der Gemeinde) insgesamt haben den Menschen in seiner Eigenverantwortung gesehen und nicht als Anhängsel der Kirchenpolitik (vgl. Laienpriestertum). Darum forderten und förderten sie auch die Bildung. Freilich waren die Reformatoren gleichzeitig Menschen des ausgehenden Mittelalters – und keine Kinder der neuzeitlichen Aufklärung. Sie haben den Menschen noch hierarchisch eingeordnet, ihn aber insofern hierarchisch gelöst, als jeder Einzelne vor Gott steht und verantwortlich für sein Leben ist. Damit ist eine Sprengkraft gegeben, die die hierarchische Struktur zu sprengen vermag und dann auch später durch einzelne Gruppen als Sprengkraft eingesetzt wurde.

Im Augsburger Religionsfriede (1555) hatte man sich zwischen Katholiken, Protestanten verschiedenster Couleur politisch noch darauf geeinigt, dass der Untertan die Konfession des jeweiligen Herrschers übernehmen müsse. Das heißt, der einzelne Mensch ist, was Glaubensfragen betrifft, unfrei. Damit hat man aber auch, was ein Fortschritt an Befreiung von Papst und Kaiser bedeutete, gleichzeitig das Vorhandensein zweier Konfessionen (nicht mehr nur des Katholizismus) festgeschrieben. Wenn die Konfession des Herrschers wechselte, musste der Bürger die Konfession ebenfalls wechseln, auch wenn er das nicht einsah. Dieser Druck, dennoch am Glauben, an seiner Überzeugung festzuhalten, führte dazu, stärker die Grundwerte des Einzelnen einzufordern. In der Auseinandersetzung zwischen dem katholischen Spanien und dem reformiert-protestantischen Niederlanden kam es zu der Dordrechter Ständeversammlung (1572/1576), die forderte, dass jeder seinen eigenen Glauben behalten dürfe (Religionsfreiheit, damit auch Meinungsfreiheit, und Versammlungsfreiheit) – wie oben schon geschrieben: Gewissen geht vor staatlichen Gehorsams-Ansprüchen.

Im 16. Jahrhundert gab es neben diesen weitere revolutionäre Ansätze: Nicht der König ist dominant, sondern das Volk, das den König absetzen kann. Warum? Weil die Könige von Gott dazu eingesetzt wurden, dem Volk zu dienen. Entsprechend kann auch der Papst abgesetzt werden, da Jesus Christus Oberhaupt der Kirche sei. Diese vordenkenden demokratischen Revolutionäre waren die Protestanten / Calvinisten Francois Hotman (1524-1590) und Theodor von Beza (1519-1605). Als dritter im Bunde sei Philippe Duplessis-Mornay (1549-1623) aufgenommen. Zudem hat der Kirchenjurist Richard Hooker (1554-1600; 1592) im Auftrag der anglikanischen Kirche etwas deutlich argumentativ herausgearbeitet: Es geht um die Unterscheidung zwischen Mehrheitsmeinungen (die der Mensch mit seiner von Gott gegebenen Vernunft entscheiden kann) und Grundrechten, mit der Berufung des Menschen auf sein Gewissen als Recht.

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