Nuhr + Islam + Rolle der Medien / Koran-Hermeneutik 9

Dieter Nuhr schreibt: „Bin von Islamisten als „Hassprediger“ angezeigt worden, weil ich den Koran richtig zitiert habe. Bitte um regelmäßige Besuche im Gefängnis! Neue Osnabrücker Zeitung holt ausschließlich Meinung bei den Islamisten ein und zeigt sich verständnisvoll. Die Frage ist: Braucht ein Land, das solche Zeitungen hat, überhaupt noch Islamisten?“ https://www.facebook.com/nuhr.de

*

Natürlich geht die Anzeige gegen Nuhr für Muslime nach hinten los – für alle Muslime – obwohl solche Extremisten ihn angezeigt haben. Und was mit den Muslimen passiert in einer Gesellschaft, das ist denen egal. Oder doch nicht? Nein. Denn wenn Muslime ins Abseits geschoben werden, so erhoffen sich die Extremisten davon Nachwuchs. http://www.welt.de/debatte/kommentare/article133639936/Klage-gegen-Dieter-Nuhr-schadet-den-Muslimen-selbst.html Von daher dürfen solche Extremisten-Eskapaden, die die Spielregeln unserer Gesellschaft nicht anerkennen, nicht unser Verhalten gegenüber Muslimen beeinflussen.

*

Keine Interviews mit Verbrechern – das wurde 1988 heftig diskutiert – und auch heute bieten Medien Islamisten eine Plattform, in der sie ihre Meinungen kundtun können: http://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/interview-mit-einem-islamisten-89864/

Es geht in diesem Beitrag um dieses Interview – und ich finde es äußerst spannend, weil es zwei Weltanschauungen aufeinanderprallen lässt: http://www.spiegel.de/politik/ausland/is-islamischer-staat-streitgespraech-mit-einem-islamisten-a-998720.html , Das Interview wird mit einem geführt, der in der Türkei die Gesinnung der angehenden ISIS-Kämpfer prüft, der Interviewer ist einer, der… – selbst lesen!

In diesem Interview wirft der ISIS-Mann dem Westen vor, die Kulturen unterworfen zu haben – endlich leisten Muslime dagegen Widerstand. Frage: „Sie verbreiten Angst und Schrecken und töten Unschuldige, übrigens vor allem Muslime. Das nennen Sie erfolgreichen Widerstand?“ Die Antwort: „Wir befolgen Allahs Wort. Wir glauben, es ist die einzige Aufgabe der Menschheit, Allah und seinen Propheten Mohammed, Friede sei mit ihm, zu verehren. Wir setzen um, was im Koran steht...“ Und es folgt ein Kommentar… Die Fragen gehen weiter, ebenso die Antworten: „Ein Muslim ist, wer Allahs Gesetze ohne Wenn und Aber befolgt„. … Es folgt ein Kommentar und dann die Frage, in der gesagt wird: „die meisten (sc. Muslime) teilen Ihre Ideologie nicht.“ Antwort: „Demokratie ist etwas für Ungläubige… Es gibt sehr viel mehr Unterstützung für uns, als Sie wahrhaben wollen…“. Der ISIS-Mann leugnet nicht, dass Frauen durch die ISIS zu Sexsklavinnen gemacht werden, dass sie kreuzigen und köpfen. Er zitiert Sure 4,91 – doch der Fragende meint, der Interviewpartner weiche aus. Und dann sagt der Interviewer, dass im Koran aber auch stünde, dass es keinen Zwang in der Religion gebe. Es folgt ein Kommentar, dass es Kennzeichen für Fundamentalisten sei, selektiv Quellen herauszusuchen, „die ihre eigene Position stützen“ – und merkt nicht, dass er selbst das so handhabt. Zudem argumentiert der Interviewende, dass nur Erfolglose zu Kämpfern werden – ganz nach westlichem Gusto – was aber der Islamist verneint, es seien viele Etablierte dabei. Schlusswort: Islam ist die Religion des Friedens, wenn alle Menschen sich Allah unterwerfen…„.

Das Interview sollte man insgesamt gelesen haben, weil man daran wunderschön sieht, wie die sorgfältig zurechtgelegte westliche Sichtweise von dem ISIS-Mann zerpflückt wird – und selbst die Kommentare können das nicht aufheben. Von daher ist das Interview, wie im pro-medienmagazin kommentiert wird, nicht ohne. Es vermag junge Muslime dazu führen, sich in diesen Worten des ISIS-Mannes wiederzufinden. Die schwache allgemeine Argumentation gegen ihn, geht nicht in die Tiefe, ist genauso phrasenhaft wie die des ISIS-Mannes. Und:

Was der ISIS-Mann als Grundlage anspricht, das ist die allgemeine Meinung der Muslime (habe ich kursiv wiedergegeben). Ich kenne keinen frommen Muslim, der das nicht so unterstützen würde. Nur: Hier muss die neue Hermeneutik ansetzen. Was bedeutet es, Allahs Wort – den Koran – nach dem Vorbild des Propheten – in den Ahadith – und festgezurrt in „der“ Scharia zu folgen? Das, was der ISIS-Mann sagt oder etwas anderes? Wie können freiere Muslime, die auch diese Worte für sich in Anspruch nehmen, so argumentieren, dass diese traditionelle Interpretation sich nicht als die Einsichtigere, Einfachere in den Köpfen festsetzt? Es muss eine einfache Lösung sein. Alles, was ich bislang (in Koran-Hermeneutik 1-8) als Beispiele angeführt hatte, ist zu kompliziert und zu wenig motivierend.

So ist es zum Beispiel wichtig, die Aussage, Allah ist barmherzig – dem ISIS-Mann aus der Hand zu nehmen. Allah ist barmherzig heißt für ihn: Allah ist nur denen barmherzig, die das tun, was die ISIS tut. Die Barmherzigkeit Allahs aus dem Menschlichen heraus zu verstehen, könnte das Ziel sein – wobei auch deutlich wird, dass Islamisten nichts so sehr fürchten wie die Allah-Interpretation aus christlicher Perspektive. Allah (als „Gott“) ist Liebe (1. Johannesbrief) – wie Christen sagen, das finden wir nicht im Koran, von daher kann diese christliche Interpretation auch nicht ernsthaft von Muslimen erwartet werden. Wer das erwartet, sieht den Islam im Grunde noch immer wie unsere frühesten Vorfahren als christliche Sekte an – aber er ist eine eigenständige Religion, der die Akzente ganz anders setzt. Und so bleibt eine Verchristlichung (wie auch eine Säkularisierung) des Islam keine Lösung – aber worin liegt sie?

Sure 57,27 heißt es: „Wir ließen Jesus, den Sohn der Maria, folgen und gaben ihm das Evangelium und legten in die Herzen derer, die ihm folgten, Güte und Barmherzigkeit.“ Dann wendet Mohammed sich gegen die Mönche – in altem drohenden Fahrwasser. Das heißt, Allah spricht, so Mohammed, von der Besonderheit Jesu und derer, die ihm zu Recht folgen, von ihrer Güte und Barmherzigkeit. Es ist ein Gespür vorhanden für das, was Güte und Barmherzigkeit im Sinne Allahs / Gottes ist („Wir legten in die Herzen“) (vgl. Paulus Römerbrief Kapitel 5: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in die Herzen…). Dieses Gespür als Grundton aller Worte des Koran anklingen lassen, der dann langsam aber sicher alle anderen dissonanten Töne übertönt…? Dann käme man auch der Aussage näher, dass der Gott der Juden und Christen auch der Gott der Muslime ist.

Impressum auf www.wolfgangfenske.de

 

 

KategorienAllgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert