Sterbehilfe für Verbrecher

In einer Diskussion zum Thema Sterbehilfe für Verbrecher ( http://www.focus.de/panorama/welt/frank-van-den-bleeken-findet-nachahmer-toedlicher-trend-in-belgien-16-kriminelle-beantragen-ihr-lebensende_id_4140856.html ) kam folgendes zum Vorschein:

Ein Teil der Diskutierenden war der Meinung, einem Verbrecher solle Sterbehilfe nicht gewährt werden, weil man ihm nicht erlauben dürfe, einfach so durch Suizid der Strafe zu entgehen. Er habe anderen Leid zugefügt – und soll darum auch leiden. Er habe Menschen Leiden zugefügt – und diese müssen es ihr Leben lang ertragen – und der Verbrecher wolle sich nun dem Leiden entziehen, das wäre ungerecht. Und was die Menschenwürde betrifft: Wenn er denn überhaupt welche verdient habe, dann ist sie ihm ja schon dadurch genommen, dass er nicht in Freiheit leben kann. Zudem gehe es ihm im Gefängnis so gut, besser als manchen Menschen außerhalb des Gefängnisses.

Ein Teil der Diskutierenden war der Meinung, ihm solle Suizid gewährt werden, weil auf diese Weise der Gesellschaft Kosten erspart würden. Zudem entspräche es ja der Würde des Menschen, über sich selbst zu bestimmen, das heißt auch über sein Lebensende.

Andere Meinungen wurden nicht geäußert.

An diesen Stellungnahmen sieht man, wie sehr sich noch immer die Vorstellungen der Bevölkerung von denen christlicher Werte unterscheidet. In christlicher Vorstellung hat auch der Kriminelle Menschenwürde – es gehört zur Wesenswürde – und man muss dafür sorgen, dass sie ihm auch gewahrt bleibt.

Was will man mit der Strafe, mit der ein Krimineller bestraft wird? (Das kann hier natürlich nicht in allen Details dargestellt werden – aber das weiß auch jeder Jurist und man möge mir verzeihen, wenn die Begrifflichkeit volkstümlich und somit nicht ganz juristisch korrekt ist.)

Man will, dass er nicht weiterhin die Gesellschaft schädigt. Damit das verhindert wird, muss er mit den Mitteln, die im Augenblick vorhanden sind, psychologisch betreut werden. Er muss sein Fehlverhalten einsehen, muss sich Mühe geben, sich zu bessern. Ziel ist eine Resozialisierung, damit er ein Leben in Würde führen kann und die Gesellschaft vor ihm geschützt ist. Rache erreicht dieses Ziel nicht.

Es gibt natürlich auch Psychopathen, bei denen nichts hilft, und die bringt die Gesellschaft in die Psychiatrie, aber nicht als Strafe, sondern als Schutz der Gesellschaft und zum Schutz für den Psychopathen vor sich selbst. Denn man geht davon aus, dass in Wirklichkeit keiner einem anderen Schaden will – er aber nicht Herr seiner selbst werden kann, warum auch immer.

Strafe hat eine Prise von Rache, aber während Rache eine rein emotionale Angelegenheit ist, die betroffene Individuen überkommt bzw. die Individuen überkommt, die mit den Opfern massiv mitleiden, ist Strafe eine neutrale Angelegenheit, die gesetzlich geregelt ist. Rache ist für eine Gesellschaft gefährlich und muss möglichst in Grenzen gehalten werden, denn Rache hat den Hang zu übertreiben und Unschuldige mit ins Verderben zu ziehen, vor allem auch ist der Rächer nicht davor gefeit, kriminell zu werden. Und dadurch stellt er sich auf eine Stufe mit dem, an dem er Rache ausübt.

Strafe hat freilich auch abschreckende Wirkung, wobei ich meine, einmal gelesen zu haben, dass dieser Sachverhalt nicht mehr zu verallgemeinern ist. Freilich wird ein Krimineller, der aus psychischen Gründen kriminell wird, oder einer, der denkt, er werde ja sowieso nicht erwischt, oder einer, der zu beschränkt ist, Konsequenzen seines Tuns geistig zu erfassen, oder einer, der in seinem Leben nichts anderes kennen gelernt hat, nicht durch Strafe (bzw. Rache) abgeschreckt werden, aber ich vermute, dass es doch auf so manchen Menschen seine Wirkung hat, wenn er in der Lage ist, reflektiert zu leben.

Wem soll man nun Sterbehilfe zukommen lassen? Dem psychisch Leidenden? Wenn man ihm, der psychisch leidet, Suizid zugesteht, muss man dann allen, die psychisch leiden und Suizid begehen wollen, diese Möglichkeit einräumen? Warum soll der Kriminelle da – aus Sicht der Kranken – bevorzugt werden? Ab welchem Grad des psychischen Leidens soll man ihnen diese Sterbehilfe gewähren?

Oder: Wenn man psychisch leidenden Kriminellen die Sterbehilfe ermöglicht, kann es dann nicht sein, dass die Gesellschaft hergeht und bei jedem sagt: Lasst ihn leiden, damit er irgendwann ankommt und Suizid begehen will? Wir werden durch ihn geschützt und kommen billiger bei weg.

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Es gilt nach dem Satz zu leben: Nicht die Leidenden beseitigen, sondern das Leid. Und das gilt auch für die Kriminellen. Warum? Weil sie Wesenswürde haben.

Wenn wir diesen Ansatz „Wesenswürde“ verlassen, dann kommen wir argumentativ in Teufels Küche. Wir kommen zu einer archaischen Gesellschaft, die Kriminelle (ab welcher Straftat?) möglichst schnell den Tod zuführt, weil es so besser und billiger ist.

Dagegen setzt sich die Moderne, die in der Tradition christlicher Werte steht, dafür ein, dass ihm geholfen wird, wieder als Mensch vor Gott sein Leben zu führen. Die Grenzen sind mir natürlich klar.

Aber man darf es sich als Gesellschaft nicht zu einfach machen, denn an ihrem Umgang mit Kriminellen zeigt sich auch der Grad der Verrohung einer Gesellschaft an.

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Noch ein Glaubensaspekt: Der Gedanke, dem Kriminellen eine neue Chance zu geben, hängt auch von dem traditionellen Glauben ab, ihn hier dem Glauben und der dem Glauben entsprechenden Ethik zuzuführen, um ihn im Jenseits vor der Hölle zu bewahren. Vergebung und Neuanfang ist die Devise. Sollte man diesen Aspekt „Jenseits“ nicht wieder neu beleben?  Die asiatischen Religionen kennen den Aspekt „Hölle“ in dem Sinn, dass die Seele wieder in einer niederen Lebensform reinkarniert. Also eine Art Fegefeuer auf der Erde durchmacht.

Aber darum sollte es nicht gehen, sondern darum: Eine Chance zu geben, dass ein Gott gemäßes Leben (siehe Saulus-Paulus) zum Wohl der Gesellschaft geführt werden kann. Aber dazu muss man sich als Glaubende um Kriminelle Mühe geben. Das ist schwerer als ihnen zu sagen: Stirb!

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