Christliche Hymnen, Lieder, Gedichte (7)

Wir kommen nach Nord- und Mitteleuropa. Das Konzil von Tours 813 war wegweisend. Zwar wurde schon vorher in der eigenen Sprache gedichtet, aber das Konzil trennte zwischen Latein als Zeremonialsprache und der romanischen Sprache als Volkssprache bzw. hob die Bedeutung der jeweiligen lokalen Sprachen. Im Folgenden sei auf die alte englische christliche Tradition hingewiesen.

Cædmon ist der erste Dichter der altenglischen Literatur, von dem der Name bekannt ist. Er lebte wohl im 7. Jahrhundert. Neun Zeilen liegen noch vor. In diesen wird Gott als Schöpfer besungen. Aldhelm von Sherborne lebte von 639-709 (?) dichtete allerdings noch auf Latein. Englisches wurde nicht überliefert – obgleich seine altenglischen Lieder noch Jahrhunderte bekannt gewesen sein sollen. Canterbury wurde von ihm zum Zentrum der Bildung ausgebaut. Er soll auch 700 die erste Orgel in England eingeführt haben. Beda Venerabilis lebte von 672-735. Seine Geschichtsschreibung wies neue Wege, er kommentierte biblische Texte, Biographien von Märtyrern und Heiligen und vieles mehr. Zudem hat er den Angelsachsen überhaupt die Schriftsprache schmackhaft gemacht. Von Gedichten ist kaum mehr etwas erhalten. Zitiert sei sein Gebet am Ende seiner Geschichte: »Ich bitte dich, guter Jesus, der du mich wohlwollend die süßen Worte deiner Weisheit schöpfen ließest, laß mich in deiner Güte eines Tages zu dir, Quelle aller Weisheit, gelangen und für immer vor deinem Angesicht verweilen« https://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/audiences/2009/documents/hf_ben-xvi_aud_20090218.html Sein Totenlied wurde berühmt: Angesichts des Todes ist der klug, der so lange er atmet überlegt, ob er mit seinem Leben Menschen Glück oder Schmerz bereitete. Damit kann er den Weg/das Gericht der Seele nach dem Sterben beeinflussen.

Dream of the Rood (Rood = Kreuz) und Ruthwell Cross

Spannend an dem Gedicht aus dem 8. Jh. (?), das als Vision aufgebaut ist, ist, dass das Kreuzigungsgeschehen aus der Perspektive des Holzes/Kreuzes dargestellt wird. Das Kreuz/Holz und Christus verschwimmen ineinander. Das Kreuz wird geehrt – und es belehrt die Menschen. Ansatzweise haben wir das schon bei Venantius Fortunatus gesehen.

Dem Ruthwell Cross wurden in Runenschrift Zeilen des genannten Textes hinzugefügt: „Krist was on the cross Yet / the brave came there from afar / to their Lord.“ Das reich bebilderte Kreuz wurde lateinisch beschrieben, unter anderem mit: IHS XRS (= Jesus Christus) Richter der Gerechtigkeit. https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuz_von_Ruthwell / https://en.wikipedia.org/wiki/Ruthwell_Cross vgl. auch das Bewcastle Cross: https://en.wikipedia.org/wiki/Bewcastle_Cross

Es gibt einige Gedichtsammlungen aus dem 10. Jahrhundert, in denen auch christliche Gedichte vorhanden sind.

  • So das Exeter Book. Wer sich intensiver damit befassen will, sei auf die Adventstexte hingewiesen: https://en.wikipedia.org/wiki/Christ_I und es geht neben weiteren Texten auch um Christi Wiederkommen und um das letzte Gericht: https://en.wikipedia.org/wiki/Christ_III
  • Das Vercelli Book beinhaltet unter anderem die oben genannten Zeilen des Dream of the Rood und „Seele und Leib“-Texte: Das Leben des Leibes auf Erden hat Auswirkungen auf das Leben der Seele nach dem Tod https://en.wikipedia.org/wiki/Soul_and_Body
  • Das Junius Manuskript (mit vielen Illustrationen). In diesem ist vor allem das Gedicht „Christus und Satan“ zu nennen. Satan und seine Genossen beschweren sich bei Christus – es folgen Auferstehung, Höllenfahrt und letztes Gericht – Jesus holt während seiner Höllenfahrt Menschen aus der Hölle, besiegt Satan auf seinem eigenen Gebiet – Versuchung Jesu durch Satan. https://en.wikipedia.org/wiki/Christ_and_Satan
  • Im Norwell Codex finden wir unter anderem neben biographische Fragmente zu Christopherus und ein Gedicht, das die alttestamentliche Schrift Judith übersetzt, das Heldengedicht Beowulf (8. Jh.). Es verbindet nordische Tradition mit christlichen ethischen Ansätzen.

Weder in den Sammlungen noch auch sonst legte man sich Grenzen auf. Welche Art an Literatur – es wurde zusammen gestellt.

Cynewulf

Der Autor lebte möglicherweise im 9. Jahrhundert. Von ihm sind vier Texte überliefert. Zwei seiner Texte sind im Exeter Book zu finden (Juliana, Christ II) und zwei im Vercelli Book (Elene, Fates of the Apostles). Drei dieser Werke behandeln das Leiden Glaubender. Cynewulf hat seinen Namen mit Runen in seine Texte eingefügt, womöglich geht es nicht um Copyright, sondern darum, dass die Leser für ihn beten https://en.wikipedia.org/wiki/Cynewulf .

In Christ II (Himmelfahrt), das er in Anlehnung an einer Predigt von Gregor dem Großen gedichtet hat, heißt es: Menschen sollen die Wahrheit suchen; sie kommt von Christus – Engel, die Jesus empor geleiten, fordern dazu auf, bereit zu sein, wenn Jesus wiederkommen wird. – Mit Jubel steigen sie dann in den Himmel auf – die Menschen sind traurig, weil Jesus weg ist – aber Menschen sollen für alles dankbar sein, was Gott ihnen schenkt, auch für die Chance, erlöst zu werden. – Christus schenkt Menschen Weisheit und Begabung zum Singen. – Als nun Jesus nicht mehr bei den Menschen war, begannen die Herrscher die Nachfolger Jesu zu verfolgen. Aber Jesus wird wiederkommen und der „Frühling“ durchdringt die Erde (Hohelied Salomos 2,8). Dann werden sechs High-Lights genannt: (1) Jesus wurde durch die Jungfrau Maria geboren; (2) er wurde in einem Stall geboren; (3) Christus am Kreuz; (4) Grablegung; (5) Höllenfahrt und Auferstehung; (6) Himmelfahrt. – Menschen müssen sich im Sinne Gottes verhalten, denn Christus wird wiederkommen zu richten in Gerechtigkeit. https://en.wikipedia.org/wiki/Christ_II

Texte (Advent, Ascension, Doomsday): http://www.yorku.ca/inpar/Christ_Kennedy.pdf :

Beginn: „Now eagerly in inward thought and wisely seek, thou man of great renown, with understanding heart, that you mayest know aright how it came to pass when the Almighty God was born in purity, when that He shelter sought at Mary´s hand,… Es endet mit der Darstellung, dass des Menschen Leben eine gefährliche Seefahrt ist: „Then help came unto us that the Spirit-Son of God guided us in the harbour of salvation, and granted us grace… Wherefore let us set our hope upon that haven which heaven´s Lord, in holiness on high, hath opened unto us by His Ascension.“

Alcuin

Alcuin war wie viele andere ein Wanderer zwischen Welten. ca. 730 in England geboren, folgte er 782 dem Ruf Karls des Großen und war auf dem Festland sehr wirksam und einflussreich. Im Jahr 804 starb er in Tours als Abt. Er schrieb zahlreiche Werke (Theologie, Astronomie, Mathematik, Rhetorik und andere) und war, wie seine Briefe zeigen, sehr gut vernetzt.

In seinem Hymnus Te homo laudet singt der Mensch als Ebenbild Gottes mit friedlichem und liebendem Herzen und Geist. Es schließt mit der Bitte, Gott möge „die Münder mit Lob füllen, damit wir immer dich lieben“. Gott loben und Gott lieben hängen eng zusammen.

Alcuin und viele andere in diesen Jahrhunderten zeigten, dass Europa keine heute bekannten Grenzen hatte. Man zog von hier nach da, dann wieder weg. Europa: Grenzen los.

Winchester Tropar

Genannt sei das Winchester-Tropar (980/1050). In diesem werden Singstimmen genannt – es ist für die Erforschung mittelalterlicher Musik sehr wichtig. Die Schwanenklage schließt:

Strömet herbei, ihr / Vogelscharen! / Stimmet mit ein: / „Dem höchsten König / Ewiger Ruhm!“

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