Sehr gute Rede Steinmeiers + Anmerkungen + Vera Lengfelds Rede zum Tag der Deutschen Einheit

Bundespräsident Steinmeier hat eine sehr gute Rede gehalten. In ihr spricht er an, dass in unserem Land viele Mauern zwischen Menschen und Weltanschauungen gebaut werden. (In diesem Zusammenhang besser als meine Formulierung: Riss in der Gesellschaft oder Graben.) Aber:

Natürlich, das erfordert Kontroverse. Differenzen gehören zu uns. Wir sind ein vielfältiges Land. Aber worauf es ankommt: Aus unseren Differenzen dürfen keine Feindschaften werden – und aus Unterschied keine Unversöhnlichkeit.

Damit Feindseligkeit sich nicht einnistet, dass sie nicht politische Realität wird, das ist Aufgabe von Politik in dieser Zeit – und kein Ort ist dafür so wichtig wie das Parlament.

Und er fordert die Parlamentarier auf, Argumente zu suchen und nicht Empörungen zu fördern, auch wenn diese Plätze in Talkshows sichern, aber es ginge darum, Verantwortung zu tragen. (Medien hätten auch angesprochen werden können und Einzelne intensiver, die das tun… – das zeigt: Es ist eine Rede, die Politiker im Blick hat. Nicht so sehr die zuvor angesprochenen Jugendlichen.)

Dann kommt er auf die Flüchtlingsfrage zu sprechen – und das in einer Form, die sehr gut ist:

Die Not von Menschen darf uns niemals gleichgültig sein. Im Gegenteil, wir müssen noch mehr tun und unser Grundgesetz garantiert den Schutz vor politischer Verfolgung, aus guten, in Deutschland auch historischen Gründen, an die wir uns erinnern müssen. Doch wir werden den politisch Verfolgten nur dann auch in Zukunft gerecht werden können, wenn wir die Unterscheidung darüber zurückgewinnen, wer politisch verfolgt und wer auf der Flucht vor wirtschaftlicher Not ist… Die Debatte über Flucht und Migration hat Deutschland aufgewühlt. Sie ist aber auch Folge und Abbild einer aufgewühlten Welt.

Dieser Teil wurde von der Tagesschau unterschlagen – und der Aspekt hervorgehoben, den ich hier im Zitat nicht erwähnt habe: Einwanderungsgesetz, um legale Zuwanderung zu ermöglichen. (Aber was wird mit denen sein, die dennoch illegal kommen?)

Und dann geht er wie gesehen auf dieses Thema ein: Menschen verstehen die Welt nicht mehr, unser Land nicht mehr, Mitbürger nicht mehr… Das zielt darauf ab, dass man sich um Menschen kümmern muss, die die Welt nicht mehr verstehen und ein richtiges Verständnis von Heimat unterstützen:

Mit Blick auf die Umbrüche, die vielen internationalen Krisen und Konflikte habe ich von vielen Bürgern in den letzten Jahren den Satz gehört: „Ich versteh die Welt nicht mehr“ – und ehrlich gesagt: Ich konnte diesen Satz gut nachvollziehen…

Ich bin überzeugt, wer sich nach Heimat sehnt, der ist nicht von gestern. Im Gegenteil: je schneller die Welt sich um uns dreht, desto größer wird die Sehnsucht nach Heimat. Dorthin, wo ich mich auskenne, wo ich Orientierung habe, wo ich mich auf mein eigenes Urteil verlassen kann. Das ist im Strom der Veränderungen für viele schwerer geworden.

Er definiert das Wort Heimat aus seiner Sicht – Heimat weise in die Zukunft… Wobei ich an dieser Stelle anmerken muss: Heimat hängt auch intensiv mit Vergangenheit zusammen. Denn darum kann bei Seyran Ates das Herz hüpfen, wenn sie nach Istanbul kommt – und dann, wenn sie wieder nach Berlin zurückkommt. Heimat ist nicht nur Zukunft – und die Geschichten, die er erwähnt, die man auf der Straße findet – all das sind Geschichten, die die Vergangenheit geprägt hat. Und die Vergangenheit auf die Kriege des 20. Jahrhunderts zu reduzieren, ist unangemessen. Aber auch er weiß, dass deutsche Geschichte mehr ist, denn – und damit kann er ja nicht nur die Katastrophenzeiten meinen -:

Und zum Deutsch-Werden gehört, unsere Geschichte anzuerkennen und anzunehmen. Das sage ich auch denen, die aus Osteuropa, Afrika oder den muslimisch geprägten Regionen des Mittleren Ostens zu uns gekommen sind. Wer in Deutschland Heimat sucht, kann nicht sagen: „Das ist Eure Geschichte, nicht meine“.

Zum Schluss geht er auf die Menschen ein, die sich für andere einsetzen – diese sind es

die unser Land zusammenhalten – allen Besserwissern zum Trotz. Das sind die, die Einheit stiften – jeden Tag neu.

Wer sind die Besserwisser?

(Interessant fand ich, dass die Tagesschau Gauland interviewte, weil Steinmeier von rauerem Ton im Parlament gesprochen hatte. Wenn man sich die Worte anhört, die Politiker der anderen Parteien gegen die AfD angeschlagen haben, dann trifft das auch auf diese zu.)

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In diesem Sinn möchte ich auf: http://predigten.wolfgangfenske.de/jesaja-29.html hinweisen

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Man beachte auch den Beitrag von Vera Lengsfeld zum Tag der Deutschen Einheit: http://vera-lengsfeld.de/2017/10/03/einigkeit-und-recht-und-freiheit-nicht-in-deutschland/#more-1780

Diejenigen, die die Einheit bekämpft haben, die Linken, die sind immer noch dabei, das Land zu zerreißen:

Im 27. Jahr nach der Vereinigung befindet sich das Land in einer prekären Situation. Das Politik- und Medienkartell spaltet die Bevölkerung und versucht, Zwietracht zu säen. Sie werden immer rabiater in ihren Mitteln, je mehr sie ihre Macht gefährdet sehen.

Ich sehe es nicht so pessimistisch, und denke auch nicht, dass wir eine neue Revolution benötigen. Was an der Rede wichtig ist: Sie zeigt, wie man manches in unserem Land einordnen muss, wenn man die nahe Vergangenheit berücksichtigt. Es findet eine äußerst massive Auseinandersetzung statt – Steinmeier nennt sie die Mauern, die in der Gesellschaft jetzt errichtet werden. Ich denke, man muss aufpassen, dass wir nicht mithelfen, Mauern zu bauen, sondern sie (wie Vera Lengsfeld) enttarnen helfen und dazu beitragen, sie einzureißen – statt neue aufzubauen.

https://www.wolfgangfenske.de/impressum-datenschutz.html

KategorienAllgemein

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