Sterbehilfe+ars vivendi, ars moriendi

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In der Zeitschrift http://philomag.de/ Philosophie Magazin 3,2014 ist ein Artikel von Svenja Flaßpöhler zum Thema Sterbehilfe zu finden. Dort werden die Positionen dargestellt, die gegen eine Suizid-Beihilfe bei Sterbenskranken argumentieren und die Befürworter einer solchen. Man mag die Darstellung der einzelnen Positionen diskutieren – ich selbst möchte jedoch nur auf ihr Beispiel eingehen: Der US-Staat Oregon hat seit 1997 ein Sterbehilfegesetz. Notwendig ist laut diesem Gesetz folgendes:

Der Kranke muss volljährig sein, es wird eine Lebensprognose von sechs Monaten gestellt, zwei Ärzte müssen ein Attest ausstellen, das bescheinigt, dass der Patient urteilsfähig ist, dass er seinen Sterbewunsch innerhalb von 15 Tagen zweimal mündlich und einmal schriftlich geäußert hat. 2013 hätten 71 Menschen die Beihilfe in Anspruch genommen – allerdings hätten 122 sich das Rezept ausstellen lassen, aber 51 hätten es nicht eingelöst.

Das wäre bedenkenswert – wenn ein wesentlicher Aspekt berücksichtigt wird: wurden die 71 Menschen, die diese Suizid-Beihilfe in Anspruch genommen haben,  in einem Hospiz betreut – oder waren sie allein gelassen? Wir haben in Deutschland zu wenig Hospiz-Plätze, weil sie zu teuer sind. Diese sind jedoch unbedingt die Voraussetzung, wenn ein solches Gesetz erlassen werden sollte. Warum? Menschen den Tod zuzuführen ist immer billiger als Menschen so zu betreuen, dass sie aufgrund von Betreuung ihr Sterben nicht mehr fürchten, aber doch noch am Leben hängen. Gibt es solche Hospize in Oregon, gibt es Sterbebegleitung? Wenn nicht, halte ich ein solches Gesetz aus christlicher Sicht für unangemessen. (Link entfernt.) Wobei es freilich nicht nur um Hospize geht, sondern auch um betreutes Sterben zu Hause, wobei hier eher indirekter Druck erzeugt werden kann: Man möchte der Familie nicht mehr lästig fallen, auf der Tasche liegen, usw. usw.

Wir müssen immer aufpassen, dass eine Gesellschaft nicht darauf drängt, kranke Menschen möglichst schnell loszuwerden – nach dem Motto: Wenn es freiwillig geschieht, dann um so besser. Das muss vermieden werden.

Ich selbst halte – was in dem Artikel abgelehnt wird – das „Dammbruchargument“ für nicht abwegig, das heißt: Wenn man einmal begonnen hat, den Suizid zuzulassen, dass dann immer mehr Möglichkeiten gefunden werden, ihn auch durchzuführen: aus finanziellen Gründen, weil man sich selbst als überflüssig für die Gesellschaft ansieht… Wir sehen es ja an der Abtreibung: Wenn kleine Chancen ermöglicht werden, der Damm leicht zu brechen beginnt. Und gerade in unseren utilitaristisch geprägten Zeiten ist da Vorsicht geboten – denn sozialverträglichem frühen Sterben nachzuhelfen ist doch zu sehr verlockend. Vor allem auch, was in dem oben genannten Abschnitt gar nicht vorkommt: Was ist mit Menschen, die sich nicht mehr äußern können? Was ist mit denen, die kein ungetrübtes Bewusstsein mehr haben, weil sie durch Medikamente oder Schmerzmittel beeinträchtigt sind?

Zur ars vivendi – zur Lebenskunst – gehört die ars moriendi – die Kunst zu sterben. Das ist alte christliche – und buddhistische – Tradition. Und ich denke, dass Christen aufgrund ihrer langen Geschichte an dieser Stelle eine Menge beitragen können. Zu beidem.

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