Jaspers+Verantwortung

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Karl Jaspers schrieb 1945 als Geleitwort zu seiner Zeitschrift Die Wandlung:

“Da wir wieder frei miteinander reden können, ist die erste Aufgabe, wirklich miteinander zu reden. Das ist keineswegs leicht. Niemand von uns ist Führer, keiner ist Prophet, der gültig sagte, was ist und was zu tun sei. Alle “Führer” sind unheilvolle Phantome gewesen. Sie haben die Freiheit geraubt, erst innerlich, dann äußerlich. Aber sie waren möglich, weil so viele Menschen nicht mehr frei, nicht mehr selbstverantwortlich sein wollten. Heute haben wir die Folge dieses Verzichts. Wir müssen wieder wagen, verantwortlich zu sein, jeder für sich. Wagen wir es nicht, so ist nicht nur das Rech, sondern auch der Mensch verloren.”

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Was heißt eigentlich “etwas verantworten”. Ich handle verantwortlich – das würden die meisten eben so beantworten: Ich handle so, wie ich es vor mir selbst verantworten kann. Also, was ich für richtig halte, das ist richtig. Ich möchte es vielleicht eher von dem in diesem Wort inhärenten Begriff “antworten” angehen. ich antworte mir nicht selbst – sondern ich antworte auf die Fragen eines anderen. Und dieser andere fragt mich: Ist das richtig, was du tust? Und dieser andere, der mich fragt, ist einmal der Mitmensch. Er fragt mich: Ist das, was du tust recht? Wird es mir, deinem Mitmenschen, gerecht? Hast du mich im Blick bei dem, was du tust?

Wenn Christen von Verantwortung sprechen, dann steht nicht allein der Mitmensch im Blick, sondern Gott fragt uns – von seinem Maßstab aus, seinem Maßstab der Gerechtigkeit und Liebe aus: Ist es recht, was du tust? Und wir müssen diesem Fragenden antworten. Nicht nur uns selbst, unserem Gewissen, sondern den Mitmenschen und vor allem: Gott. Und je nach Antwort, die wir geben, wird unser Tun von anderen bzw. von Gott akzeptiert. Es geht da nicht darum, dass wir selbst unsere Antworten akzeptieren, es geht um den Mitmenschen, es geht um Gott.

Christliche Verantwortung bedeutet: Wir haben unser Tun vor Gott zu verantworten, vor Gott, den Jesus Christus Vater nennt. Nicht vor irgendeinem von Menschen verkündigten Gott. Wenn Hindus vor ihren Göttern Verantwortung übernehmen sollen oder Muslime vor Allah, dann sieht die Antwort sicher anders aus. Denn in unserem christlichen Glauben muss die Antwort, die wir Gott geben, auch den Mitmenschen gefallen. Gott will ja, dass das Zusammenleben mit dem Mitmenschen gelingt, darum gibt er die 10 Gebote, sendet er die Propheten, hat er das handelnde Wort selbst, Jesus Christus, gesandt. Verantwortliches Handeln der Christen orientiert sich an dem Handeln Jesu Christi, seinem den Menschen zugewandten, liebenden Handeln. Ein Gott gefälliges Handeln kann nie ein Handeln sein, dass Mitmenschen verletzt, vernichtet, verachtet. Und das haben wir in unseren Antworten an Gott, wenn wir uns verantworten, zu berücksichtigen – anders gesagt: darum geht es grundlegend.

Und “selbstverantwortlich sein” heißt in diesem Sinne: Sich diesem Maßstab von außen zu beugen. Zu sagen: Ja, ich akzeptiere dieses Kriterium das Gott gesetzt hat. Ich akzeptiere es und will das Leben auch in dieser Hinsicht verantworten.

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