Koran-Islam+Bibel-Christentum

Ich wurde gebeten, meine Sicht der Dinge darzulegen. Das tue ich hiermit. Es übersteigt die Blogbeiträge an Umfang. Dennoch ist es manchmal sehr knapp formuliert worden. Hoffentlich nicht so knapp, dass es Missverständnisse hervorruft. Kritik ist erwünscht.

Der Koran ist das heilige Buch des Islam. Wir haben als Christen das heilige Buch: die Bibel. Auch wenn es sich um heilige Bücher der jeweiligen Religion handelt, so ist der Umgang mit ihnen jedoch vollkommen unterschiedlich. Das merkt man dann, wenn Christen und Muslime miteinander reden.

– Jesus und Koran: Der Koran ist für Muslime das Wort Allahs – das ist nicht vergleichbar mit dem Verständnis der Bibel als Wort Gottes, sondern vergleichbar mit Jesus Christus. Jesus Christus ist das Wort Gottes für Christen, das heißt, in ihm wird Gott greifbar, gehört, in ihm kommt er nah. Dass Allah ihnen nahe kommt, sehen Muslime im Koran gegeben. Darum ist die Zerstörung einer Bibel niemals zu vergleichen mit der Zerstörung des Koran. Die Zerstörung des Koran ist eher so etwas wie die Hinrichtung Jesu, also purer Angriff auf Allah.

– Wesentlich zum Verständnis des Denkens und der Handlungsweisen von Muslimen ist jedoch nicht allein der Koran, sondern dazu sind die Ahadith (Hadith) zu berücksichtigen. Während der Koran nicht zu allen Lebenslagen Vorgaben macht, so sind die Ahadith weiter. Sie sagen zum Beispiel wie man sich verhalten soll, wenn man sich in der Wüste vor dem vorgeschriebenen Gebet mangels Wassers nicht waschen kann: Man darf dann, wie an Mohammed zu sehen, auch Sand nehmen. Und auf diese Weise ist das alltägliche Leben, das Zusammenleben von Menschen penibel geregelt. Diese Fixierung auf das Gesetz ist bei den Christen mit Jesus bzw. Paulus nicht mehr gegeben, auch wenn es immer wieder christliche Strömungen gab, die hier frommer sein wollten als Jesus und Paulus zusammen.

– Historische Schrift: Wenn Christen die Bibel lesen und interpretieren, dann lesen und interpretieren sie sie als Wort Gottes, das durch Menschen in die jeweilige Situation hinein gesprochen wurde. Diese Menschen wurden vom Geist Gottes bestimmt – und die Bibel ist aus diesem Geist heraus auch für die Gegenwart zu verstehen. Sie kann darum für den einzelnen Menschen zum Wort Gottes werden. Der Koran wird so verstanden, dass er das Wort Allahs ist, das eins zu eins im Himmel vorliegt – und er darf nicht historisch interpretiert werden, sondern ist ein Werk, dessen Inhalt in der jeweiligen Gegenwart umzusetzen ist. Selbstverständlich merkt man im muslimischen Bereich auch, dass es die Zeit Medinas und die Zeit Mekkas gibt und dass sich die Worte ein wenig unterscheiden, was aber letztendlich nichts zur Sache tut, weil man sie auseinander heraus verstehen möchte. Ebenso gibt es Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten über unterschiedliche Versionen, aber das ist für das Verständnis nicht relevant. Das ist vergleichbar mit der Lehre einiger christlicher Gruppen, dass die Bibel Wort für Wort von Gottes Geist diktiert worden ist. Mit dieser Anschauung muss man auch Unstimmigkeiten in der Bibel irgendwie ausgleichen. Die Vorgehensweise mag ähnlich sein, die Ergebnisse unterscheiden sich von den muslimischen, da auch für diese christlichen Gruppen das Neue Testament (Liebe) der Auslegungsmaßstab ist.

– Verantwortung: Gott, der in der Bibel zu Wort kommt, schenkt dem Menschen Freiheit und mit der Freiheit Verantwortung. Jesus fordert das Individuum auf, sein Verhältnis zu Gott zu regeln und es nicht von dem Volk, der Gemeinschaft regeln zu lassen. Jeder ist für seinen Glauben und seine Beziehung zu Gott verantwortlich. Allah fordert die Unterwerfung – und zwar die sichtbare Unterwerfung. Ob sich einer mit dem Herzen und der Gesinnung Allah zuwendet, das ist im Islam nicht ganz so wichtig, da es nicht auf das Individuum ankommt, sondern auf die Gruppe. In Systemen, in der der Islam dominant ist, gibt es diese Freiheit und die damit verbundene Verantwortung nicht, sondern es gibt die Unterwerfung unter Allahs Willen und das ist gleichbedeutend mit dem Willen der Mehrheitsgesellschaft. Und jedes Individuum, das diese sichtbare Unterwerfung nicht mitmacht, muss je nach Grad des Widerstandes entsprechend erzogen werden. Natürlich tragen Muslime auch Verantwortung – aber es geht hier in diesem Kontext um Fragen des Glaubens und des Umgangs mit anderen Menschen aus dem Glauben heraus. Und wenn ein Muslim meint, er müsse in seiner Freiheit Jesus Christus als Messias annehmen, in seiner Verantwortung als Christ leben – dann hat er überall da, wo der Islam dominant ist, äußerst schlechte Lebensbedingungen. Denn das ist ein Affront gegen Allah und die Gemeinschaft. Und wenn Christen meinen, sie müssten in ihrer Freiheit und Verantwortung Muslimen von Jesus Christus erzählen, dann leben sie in islamischen Mehrheitsgesellschaften gefährlich, weil ihr Handeln gegen Allah gerichtet ist – obwohl es das Wort gibt, dass jeder seine Religion behalten soll, dass es keinen Zwang im Glauben gebe usw. Aber diejenigen, die einen nichtmuslimischen Glauben behalten, spielen gesellschaftlich eine untergeordnete Rolle, die gleiche Würde aller ist nicht gegeben. Das mag in unseren Ohren negativ klingen und eine Abwertung des Islam sein. Wir müssen aber dabei bedenken: Es geht nicht darum, was wem wie klingt, es geht darum, was Allah will. Das ist der Maßstab für fromme Muslime. Der Maßstab ist nicht der fromme Wunsch des gegenwärtigen Europäers.

– Unabhängig vom Selbstverständnis des Koran durch Mohammed als Wort Allahs, erkennen Nichtmuslime deutlich, dass der Koran streckenweise aus Reden besteht, die ein Feldherr an seine Mannen richtet. Darum gibt es auch so viele Worte (angeblich 206) für die Bekämpfung von Ungläubigen – das, was Jesus zentral ist und auch Mohammed bekannt gewesen sein dürfte, die Liebe zum Feind (Feindesliebegebot, das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter) finden wir im Koran nicht. Es geht um Kampf, Verteidigung, es geht darum, Menschen  für den Kampf zu mobilisieren. Darüber hinaus geht es im Koran vielfach darum, Mohammed in ein rechtes Licht zu rücken angesichts der Angriffe von Juden, Christen bzw. „Ungläubigen“. Immer wieder wird der Satz zitiert, dass es keinen Zwang im Glauben gebe, aber der reale Islam in seinen verbitterten Kämpfen der unterschiedlichen Konfessionen miteinander zeigt, dass dieser Satz doch nicht ganz so dominant die Gesinnung bestimmt (Sunniten gegen Schiiten, beide gegen Ahmadiyya und Bahai…) wie manche es in unseren Breiten glaubhaft machen möchte. Das ist faktisch schon zu vergleichen mit unseren mittelalterlichen konfessionellen Auseinandersetzungen. Freilich ist die Basis eine andere und darum die Schwierigkeit, eine gemeinsame friedliche Linie des Miteinanders trotz Glaubensunterschieden zu finden, nicht so leicht. Es bleibt zu hoffen, dass sie gefunden wird.

– Nun gibt es muslimische Gruppierungen, die solche Kampf-Reden als metaphorisch ansehen – vor allem in Europa – und die meisten Muslime weltweit bzw. auch in Europa das jedoch nicht tun. Eine metaphorische Auslegung, die uns zurzeit vorgelegt wird, ist von der jeweiligen Person bzw. Strömung abhängig, ist somit nicht allgemein diskutabel, da die Begründungsbasis dafür fehlt. An dieser Stelle muss der so genannte Euro-Islam – und ich vermute auch die Ahmadiyya – noch eine wissenschaftlich diskutierbare Basis legen, damit die Diskussion aus der Willkürlichkeit herausgeholt wird. Das ist auch das Problem, vor dem der Islam-Professor aus Münster Khorchide steht: Seine Koran-Interpretation ist eine von ihm abhängige Interpretation, die keinen Anhaltspunkt hat an der Exegese der Muslime als große Gruppe. Von daher müssen die islamischen Verbände diese Interpretation, die den Islam sehr christianisiert, ablehnen.

– Wenn Mohammed den Schriftgläubigen in einer gewissen Weise einen Raum lässt, so bedeutet das nicht, dass er sie akzeptiert. Er versucht zum Teil mit dem Koran Jesus in einem anderen Licht darzustellen. Der koranische Jesus hat mit dem Jesus, wie ihn Christen bekennen, nicht viel zu tun. Schon dem soeben geborenen Jesuskind wird das Wort in den Mund gelegt, dass er Allah bekennt, Muslim ist. Damit versucht Mohammed Jesus Christus den Christen aus der Hand zu nehmen und ein neues Jesusbild zu kreieren. Da kann man nun sagen: Mag er es tun – es gab viele vor und nach ihm, die ein neues Jesusbild geschaffen haben. Aber dieses Argument zählt für Muslime nicht, da ja nicht Mohammed den Koran geschrieben hat, sondern Allah sagt das – und wenn Allah – also Gott – anders über Jesus spricht als die Bibel, dann ist die Bibel eine Verfälschung und diejenigen, die weiterhin an Jesus Christus glauben, sind Menschen, die sich Allah widersetzen. Als solche sind sie ein ständiger Stachel im Fleisch der sehr frommen Muslime, weil sie die Gemeinschaft stören und eine Versuchung sind, vom wahren Islam abzufallen.

– Das große Problem, vor dem Muslime in Europa stehen, besteht darin, dass sie erkennen, dass die Salafisten und Islamisten im Grunde Recht haben – wenn man den Koran und Ahadith wörtlich versteht. Das sieht man auch daran, dass so dominante Staaten wie Saudi Arabien mit seinen einflussreichen religiösen Denkern eben diese Gruppen weltweit fördern. Nun möchte man als Muslim vielfach jedoch einen anderen Islam als der, den diese Radikalgruppen vertreten. Man distanziert sich von ihnen, indem man versucht, den Koran anders auszulegen als eben wörtlich, sondern kontextuell. Und legt man ihn so aus, dann sind die radikalen Worte eingebettet in Wenns und Abers – oder man interpretiert sie als metaphorisch – oder ganz um. Doch bleibt ein Gefühl, dass die Islamisten doch Recht haben, da die Uminterpretationen manchmal sehr kompliziert sind und die meisten Menschen komplexe Sachverhalte meiden. Zum anderen steht die Umma, die Gemeinschaft der Muslime, immer noch über die Gemeinschaft mit anderen Menschen, sodass sich die Nichtmuslime manchmal wundern, warum sich auch dieser „freiere“ Muslim mit bestimmten radikalislamischen Handlungsweisen solidarisiert. Die Ahmadiyya gehen in dieser Hinsicht einen anderen Weg, doch sie stellen ja nur einen Bruchteil der Muslime dar (ca. 12 Millionen von 1,57 Milliarden) – werden von diesen nicht einmal als Muslime anerkannt. Sie gehen insofern einen anderen Weg als sie die Grundlage für die Koran-Interpretation umgestellt haben. Die Lehre von Mirza Ghulam Ahmad beeinflusst ihre Koran-Interpretation.

– Freilich gibt es auch Muslime, denen das alles egal ist, die ihr Leben so leben wie es ihnen gefällt. Das vielfach aber nur so lange, so lange die Kontrolle der Gemeinschaft nicht vorhanden ist. Von daher lässt sich beobachten, dass dort, wo Moscheen gebaut werden, die muslimische Gemeinschaft strenger wird und auch die „freieren“ Muslime sich eingebunden wissen in den traditionellen Glauben.

Fazit:

Islam und Christentum haben ganz unterschiedliche Weltbilder (wobei ich das Orthodoxe Christentum ausnehmen möchte, da ich darüber nicht genug Bescheid weiß). Diese Weltbilder haben großen Einfluss darauf, welchen Stellenwert das Individuum hat: frei, verantwortlich – alle haben dieselbe Würde usw. (Christentum) – oder jeder Mensch ist Teil der Gruppe und hat sich dieser Gruppe gemäß zu verhalten (Islam). Usw. Das bedeutet: Unsere Diskussionen zum Thema: Gewalt im Koran: ja, nein…; oder die Unterordnung der Frau: ja, nein… – sind im Grunde nur Oberflächendiskussionen. Es geht um ein anderes Weltbild. Und hier muss nun auch der Dialog ansetzen. Wie kommen wir miteinander mit diesen unterschiedlichen Weltbildern klar. Damit sind die Menschenrechte verbunden: Zählt das Individuum? Hat jeder Mensch gleiche Würde? Hat jeder Mensch religiöse Freiheit? Hat er die Freiheit, auch die Religion, den Islam, das Christentum, Gott, Allah usw. usw. zu kritisieren ohne gesellschaftliche Nachteile zu erlangen? Wie ist das Verhältnis von Frau und Mann? Und da Muslime (Sunniten, Schiiten, Ahmadiyya…) und Christen (Katholiken, Charismatische, Protestanten, Orthodoxe) nicht allein auf der Welt sind, ist dieser Dialog auch unter Einbeziehung von Atheisten unterschiedlichster Couleur zu führen. Wir können alle voneinander lernen. Buddhisten, Hindus und Animisten der jeweils unterschiedlichsten Strömungen mögen mir verzeihen, dass ich sie erst jetzt nenne.

Es gibt Menschen, die meinen, da es sich um so große Unterschiede im Weltbild handelt, sollen sich Muslime in christlichen Ländern anpassen oder das Land verlassen und Christen in muslimischen Ländern und Atheisten jeweils den Ländern, in denen sie leben – oder das Land verlassen. Das ist jedoch nicht der richtige Weg, da unsere Welt nicht mehr so einfach in religiöse Gruppen aufgeteilt werden kann. Das ist irreale Träumerei. Andere meinen, man solle die Religionen vergessen und als einendes Band die Kultur oder die Wirtschaft, die Wissenschaft einführen. Auch das ist irreale Träumerei, weil Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft mit den Religionen engstens verwurzelt sind. Cola trinken alle gern und bei McDonalds essen alle gern – ich kenne die Gesundheits- und Biobewussten Einwände, die übergehe ich jetzt einmal – und einen Mercedes würde sich auch jeder schenken lassen, aber das heißt noch nicht, dass damit eine kulturelle Einheit hergestellt werden kann.

Und dann: die Ethik. Natürlich gibt es neben massiven Unterschieden auch Gemeinsamkeiten in der Ethik. Christen sagen: Das muss so sein, weil Gottes Schöpfergeist auch die Menschen erhält – die ihn nicht kennen bzw. nicht kennen wollen. Wo gibt es gemeinsame Schnittmengen?

Ob das Ziel des Dialogs eine Einigung sein muss – davon bin ich nicht überzeugt. Dass das Ziel des Dialogs nicht die gegenseitige Missionierung sein kann, das muss allen Beteiligten deutlich sein. Was das Ziel sein kann: Wir lernen voneinander – zum Wohl der Menschheit. Und ich glaube schon, dass zumindest die meisten Menschen auf der Welt eine Ahnung davon haben, was der Menschheit als Ganzes gut tut.

Impressum
auf www.wolfgangfenske.de

KategorienAllgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert