Musik: zitieren ohne Zitat zu erkennen + Kunst-Lähmung

Schon witzig, das Urteil: Man darf zitieren ohne dass der Durchschnittsbürger das Zitat erkennt: https://www.tagesschau.de/inland/sampling-bgh-101.html

Im Grunde geht es wohl darum, dass man noch ein Musikstück schreiben darf, denn jedes hat Noten. Jeder könnte kommen und sagen, die Abfolge: do re mi sei von ihm geklaut worden. Aber wenn es heißt: do do re mi do – dann ist das geklaut. Darf nicht sein.

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Kurios finde ich das Urteil. Ich beschäftige mich mit alten Gedichten: http://gedichte.wolfgangfenske.de/ In diesen werden andere zitiert, modifiziert… – Gedanken werden der jeweiligen Zeit angepasst usw. usw. usw. Es gehört ja auch zur Kunst, dass man andere wahrnimmt, sich mit ihnen auseinandersetzt, sie zu übertrumpfen sucht. Nicht im bösartigen Sinn, sondern in dem sportlichen Sinn: Ich kann es besser…

Klar, heute geht es um Geld. Um viel Geld. Aber es wird die Kunst dabei vergessen.

Wer es heute wagt, eine Melodie zu komponieren, ist immer gefährdet, weil er nie weiß, ob irgendjemand schon einmal ähnliche Schnipsel komponiert hat. Vielleicht hat sich ein solcher Schnipsel einmal in der Kindheit ins Ohr gesetzt, man weiß es aber nicht mehr – und zack: unerlaubt kopiert. Aber der Schnipsel ist dann Teil eines neuen Kunstwerkes geworden. Das Argument gilt heute nicht mehr. Irgendwann gilt das auch für Bilder. Zwei Farben zusammengeführt – zack, kopiert, Anklage, Strafe… Irgendwann? Hatte nicht einmal ein englisches Mädchen etwas gemalt, der Vater hat es mit einem bestimmten Titel veröffentlicht, dann kam eine große Filmgesellschaft…?

Copyright soll den Künstler schützen. Bewirkt aber in solchen Ausmaßen das Gegenteil – eine Lähmung der Kunst.

In was für eine Zeit entlassen wir unsere Kinder. Ein Kunst-Korsett. Sie werden sich nicht mehr bewegen können – der Kommerz hat zugeschlagen.

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