Mark Aurel und Christenmorde

Unter dem bis heute beliebten Philosophenkaiser Mark Aurel („Selbstbetrachtungen“) kam es zu den massivsten Christenverfolgungen seit Nero – also ca. 100 Jahre nach Nero. Nicht unbedingt von „staatlicher“ Seite – aber der Staat hat die Christen auch nicht geschützt (systematische Christenverfolgung erst ca. 100 Jahre später). Christenverfolgungen fanden einmal im Osten des Reiches in Zeiten der Pest/Pocken, Missernten und der Kriege statt, dann im Westen, weil die römische blutgierige Bevölkerung billige Opfer in den Arenen benötigte. Vielleicht auch wegen – zumindest in Lyon – Fremdenhass, denn viele Christen waren wohl griechischen Ursprungs https://imperium-romanum.info/wiki/index.php/Marc_Aurel#Christenverfolgungen

Aber weil es ein stoischer Philosophenkaiser war, der sehr bedächtige und weise Worte veröffentlicht hat, verteidigt man ihn heute auch gerne. Christen sind im Grunde selbst Schuld, weil sie dem Glauben nicht verleugnen wollten. Zudem waren es die Menschen im Land, nicht der Kaiser, die Christen ans Leben gingen. Er hat sowieso nur zugelassen, was seine Vorgänger auch zugelassen haben. Unter ihm gab es wohl nicht mehr Märtyrer als unter anderen Kaisern, es werden keine kaiserlichen Anordnungen gegen Christen überliefert, vielleicht hat er die Verfolgungen nach 177 einstellen lassen. Usw. usw. usw. Auch der alte Christ Tertullian konnte ihm Gutes abgewinnen („Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christen.“).

Die Stoiker waren sowieso ein besonderes Völkchen – was auch die modernen Stoiker zum Leben erwecken suchen (asketischer, selbstbeherrschter, nicht emotionaler Karriere-Mann). Christen haben viel von ihnen übernommen. Aber nicht alles. So nicht, dass man dem Schicksal ausgeliefert ist. Die stoische Sicht: Es ist zu anstrengend und sinnlos, sich gegen das Schicksal aufzulehnen, man muss sich frei machen von dem, was man nicht verändern kann, man darf sich von den Schicksalsschlägen emotional nicht unterkriegen lassen. Von daher kann es auch hier zu einem gewissen: „lasst es laufen“ durch Mark Aurel gekommen sein. Wobei freilich auch die Herrscher damals schon gewusst haben dürften: Lieber die Bevölkerung massakriert eine Minderheit als dass es zu Rebellionen kommt. Tja, und wenn es die Christen trifft, dann trifft es sie halt. Der den christlichen Glauben verteidigende Melitto von Sardes hat ihm eine Verteidigungsschrift zukommen lassen. In dieser berichtet er, dass böswillige Menschen, die Christen bedrängen, es mit Berufung auf den Kaiser tun. Ob Mark Aurel sie gelesen hat? Es gab nach dem Absenden der Schrift eher Verschärfungen gegen Christen.

Nichts gegen die Selbstbetrachtungen Mark Aurels. Ich mag sie wie auch Senecas Werke. Der weitere große Stoiker, Epiktet, hat auch recht – wie soll man sagen – stoische Gedanken.

Mich weist das allerdings darauf hin, dass auch kluge und besonnene Menschen, die der „Philosophie der Gelassenheit“ huldigten, nicht unbedingt menschliche Menschen sind. Was Mark Aurel selbst auch bemerkte, nur anders formuliert.

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In manchen Hagiographien konzentrieren sich die Erfahrungen vieler in einer Person. So wahrscheinlich in Paraskeva von Rom, Wanderpredigerin. Überzeichnet werden sie in ihrer besonderen „heiligen“ Kraft. Aber gleichzeitig ist spannend, wie sehr diese dann doch auch die Stimmungen bestimmter Zeiten, ihre historischen Hintergründe wiedergeben: https://de.wikipedia.org/wiki/Paraskeva_von_Rom

Unter Mark Aurels Herrschaft wurde mit sechs anderen Christen auch Justin verhaftet und ermordet, Philosoph und später zum Kirchenvater ernannt: https://de.wikipedia.org/wiki/Justin_der_M%C3%A4rtyrer Justin hatte schon an Mark Aurels „Vater“, Antoninus Pius, eine Verteidigungsschrift geschrieben und Mark Aurel auch als Adressaten („Verissimus“) genannt.

Blandina von Lyon – eine der 48 Märtyrer – blieb wie andere auch (https://www.heiligenlexikon.de/BiographienP/Photinus_Pothinos.html) – angesichts des bestialischen Wütens standhaft: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienB/Blandina_von_Lyon.html

Weitere: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienS/Speosippus_Gefaehrten.html

Erst unter Mark Aurels Sohn Commodus wurde das Leben der Christen ruhiger. Allerdings war er auch ein sehr sonderbarer Typ, der wohl in privaten Gladiatorenkämpfen nicht zurückschreckte, andere zu töten.

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