Äußere und innere Emigration

Interessant ist es zu beobachten, dass es nach 1945 eine Auseinandersetzung gab, die zunächst die einen für sich entschieden haben.

Und zwar flohen manche während der Zeit des Nationalsozialismus, nicht, weil sie Juden waren, sondern Repressionen fürchteten, wie Heinrich Mann, und andere gingen, warum auch immer, wie Thomas Mann.

Manche blieben.

Nach 1945 wurde denjenigen, die geblieben sind, vorgeworfen, dass sie keine Märtyrer geworden sind, dass sie die Politik der Nationalsozialisten nicht geändert haben. Daraus folgt: Sie waren Mitläufer. Diese Sicht äußerer Emigranten wurde dann vor allem von den inländischen Nachgeborenen aufgegriffen, die alles besser gemacht hätten, wenn sie nur schon gelebt hätten. Alte, die geblieben waren, wurden stigmatisiert – und versanken in der Vergangenheit.

Manche sehen es heute realistischer. Deutlich ist, dass viele von denen, die geblieben sind, nationaler dachten. Sie erhofften sich von Hitler eine nationale Stärkung. Diese bedeutet aus christlicher Sicht eine ethische Verbesserung, also eine Christianisierung der Gesellschaft, aus linker Sicht eine emanzipatorische Veränderung der Gesellschaft.

Es kam, wie wir wissen, alles anders. Aber das sagt nichts über die Qualität dessen aus, was die inneren Emigranten zu leisten imstande waren. Probleme hatten die äußeren Emigranten wie die inneren Emigranten. Die einen mussten zusehen, wie sie im Ausland überleben können, die anderen mussten zusehen, wie sie im Inland überleben können.

Und das ist also dann wieder typisch menschlich: Wir sind die Besseren, sagten die äußeren Emigranten, als alles vorbei war. Die Menschen, die geblieben waren, sagten von den Gebliebenen: Die sind welche von uns, die wissen Bescheid und haben mit gelitten.

Und die Nachgeborenen? Sie sagen: Mit gelitten? Selbst dran Schuld. Hättet ihr nicht mit gemacht, hättet ihr auch nicht mit gelitten. Und: Wenn wir damals gelebt hätten, wäre das alles nicht passiert, wir hätten alles Übel durchschaut – die besten sind wir.

Interessanter Weise traf der Vorwurf nicht alle Gebliebenen. Manche konnten irgendwie ganz schnell irgendwie so aussehen, als seien sie äußere Emigranten gewesen. Aber das ist dann ein neues Thema.

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