Gott in Gedichten (19. Jh.) (13)

Zitate, wenn nicht anders angegeben, kommen aus: zeno.org. Ausführliche Darlegung seit dem 1. Jahrhundert: http://gedichte.wolfgangfenske.de

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In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nehmen die großen Dichter und die religiösen Gedichte stark ab – und verändern sich. Man kann Friedrich Nietzsche (1844-1900) nennen, der mit Blick auf Gott eine ganz eigene Position einnimmt, aber spannende religiöse Gedichte geschrieben hat. Das bekannteste dürfte sein: „Dem unbekannten Gotte“ –(https://gedichte.xbib.de/Nietzsche_gedicht_Dem+unbekannten+Gotte.htm) in dem er ein Wort aus der Apostelgeschichte (17,16ff.) aufnimmt: „Ich will dich kennen, Unbekannter, / du tief in meine Seele Greifender, / mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender, / du Unfaßbarer, mir Verwandter! / Ich will dich kennen, selbst dir dienen.“ In „Ecce Homo“ greift Nietzsche einen Satz auf, den Pilatus zu Jesus sagt. Passend zu Nietzsche s. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/kritik-der-religionskritik/

Ebenso ist Heinrich Heine (1797-1856) zu nennen, der wohl auch eher ein distanziertes Verhältnis zu Gott hatte, aber vielleicht am Ende seines Lebens den Weg fand (Nachwort zum Romanzero) – allerdings wird das in Gedichten nicht deutlich.

Was aber deutlich wird: Wir haben viele Dichter, die weniger bekannt sind, dafür aber sind manche ihrer Lieder bekannt geworden. Das war auch in den Jahrhunderten zuvor der Fall – allerdings stehen sie im Schatten der großen Dichter, auch wenn ihre Lieder zum Teil äußerst berühmt sind, als Beispiel sei das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ genannt, von Joseph Mohr (1792-1848) geschrieben – aber er steht im Schatten der in dieser Darlegung genannten „großen“ Schriftsteller. Oder genannt sei noch der Priester Christoph von Schmid (1768-1854) – wer kennt den Namen? Und: Wer kennt nicht sein Lied: „Ihr Kinderlein kommet“? Wer kennt den Pfarrer Wilhelm Hey (1789-1854)? Wer kennt nicht die Lieder: „Alle Jahre wieder“, oder: „Wie fröhlich bin ich aufgewacht“, oder: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“ (EG 511)? Wer kennt: Cornelius Friedrich Adolf Krummacher (1824-1884)? Bekannt ist sein Lied: „Stern, auf den ich schaue“ (EG 407).

Im Folgenden werde ich abweichend vom bisherigen Duktus einzelne Autoren zu Wort kommen lassen, die zeigen, wie ambivalent das Thema Glauben bzw. Gott im 18./19. Jahrhundert thematisiert wird. Vielfach überwiegt – nicht nur in Glaubensfragen – ein spöttischer Ton. Darf die Vermutung geäußert werden, dass der spöttische Blick auf vieles, für vieles blind machte?

Franz Grillparzer (1791-1872)

Grillparzer war bedeutsamer Schriftsteller Österreichs. Sein Gottesbild wird in dem Gedicht „Der wahre Glaube“ deutlich: „Er heiße Jupiter, heiß Allah; / Bet Ormuzd, bet Osiris an / Und sei ein Christ, sei ein Braman, / Verehr den Wischnu, den Jehovah! / / Doch nur erfülle deine Pflichten! – / Tu jeder Gutes, was er kann, / Und hat er recht und brav getan: / So wird Gott jenseits gnädig richten.“ Er gibt im Grunde damit die Sicht wieder, die heute gang und gäbe ist: Egal, welche Religion – Hauptsache, Religiöse verhalten sich gemäß den Vorgaben der Zeit. Ethik dominiert, bestimmt, was als sozial richtig und als Wahrheit angesehen wird. Allerdings fehlt in seinem Vater unser, soweit ich sehe, jeglicher Spott. Kritik übt er an gottlose Gottsucher.

Gustav Schwab (1792-1850)

War Pfarrer und sein berühmtestes Werk ist die Herausgabe der „Sagen des klassischen Altertums“. Er hat gerne gepredigt, aber seine Gedichte lassen kaum seine Frömmigkeit erkennen. In seinem Gedicht „Christus und die Vernunft“ wird deutlich, wie er beide zusammenführt. Das Motto: Vernünftig, christlich. Es sei spekulativ gesagt: Entsprechend waren wahrscheinlich auch seine Predigten. Seine Texte können recht launisch sein – was er mit seinem Zeitgenossen Heinrich Heine gemeinsam hat, wenn auch unterschiedliche Grade erkennbar sind. Dazu nur ein Beispiel: „Dank, Vater! dir für Leid und Lust / Und was du mir gegeben. / Laß mich, wie dieses liebe Heut, / Mein Morgen auch erleben. / Erfüll‘ mir keinen thör’gen Wunsch, / Das Gute laß nicht säumen. / Und was du mir nicht geben kannst, / Ei, davon laß mich träumen!“ Ernsthafter formuliert er angesichts der Pieta („Maria mit dem toten Jesus auf dem Schoos“) als Worte der Maria: „Und mitten doch in allem Weh und Leide, / In deinen Schmerzensanblick tief verloren, / Quillt mir ein sanftes Licht in meinem Herzen. Es faßt mich eine mütterliche Freude, / Mir wird, als hätt‘ ich dich in süßen Schmerzen / Jetzt eben erst für’s Heil der Welt geboren.“ Maria hat Jesus als Menschen geboren und als er gestorben war, wurde ihr bewusst, dass er ihn wegen des Heils der Welt geboren hat.

Zu dem oben genannten „Dank, Vater“-Gedicht sei Friedrich de la Motte-Fouqé (1777-1843) genannt, der ein ähnliches traditioneller formuliert: „Viel kann mißlingen, was wir säten / Auf irdschem Rund, / Was stets gelingt, das ist ein Beten / Aus Herzensgrund. / Denn möcht auch Gott nicht so es lenken, / Wie dirs gefiel: / Er wird dafür dir andres schenken / Und Schönres viel.

Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

Er hat als Hochschullehrer der Germanistik und der niederländischen Philologie starke Impulse gegeben. Bekannt ist er als Autor des Deutschlandliedes. Wegen seiner liberalen Haltung ist er in Ungnade gefallen und er floh in Deutschland von Ort zu Ort. Am Ende wurde er rehabilitiert, ohne allerdings wieder als Hochschullehrer eingesetzt zu werden.

Abend wird es wieder:  über Wald und Feld“. In dem Text lautet die letzte Strophe: „So in deinem Streben / bist, mein Herz, auch du: / Gott nur kann dir geben / wahre Abendruh“ – sonderbarerweise finden wir es nicht mehr im neue Evangelischen Gesangbuch. Weniger bekannt ist das Lied: „Warum hat Gott der Herr geschmücket“. Dessen Inhalt: Er fragt, warum hat Gott die Sternenwelt und die Blumen so herrlich geschmückt? Das wissen wir Menschen nicht. Warum haben die Fürsten sich mit Sternen geschmückt, das weiß selbst Gott nicht. Man merkt hieran, dass Gott auf ganz neue Weise in die Texte eingebracht wird. Ähnlich satirisch-kritisch z.B.: „Sprecht nicht von Christenthum!“ Aber auch wie bei Arndt wird Gott national-politisch eingebunden (z.B. „Ja, immer Friede mit dem Guten“). Das zuerst genannte Lied „Abend wird es wieder“ hat er im Kontext von Gedichten formuliert, in dem er sich mit Volksliedern beschäftigt hat. Es war ihm persönlich sehr wichtig, weil es ihn selbst auch danach im Leben tröstete. Diese Sicht finde ich interessant, denn sie zeigt, dass nicht spöttelnder Intellekt und Intelligenz den Menschen hilfreich sein müssen, sondern gerade das Kindliche.

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