Dankbarkeit

Ein Mann sagte, dass ihn die Schule nicht weitergebracht habe. Er hätte sich alles Wesentliche selbst beigebracht.

Das ist eine spannende Aussage, weil sie die eklatante Selbstüberschätzung wiedergibt, die (nicht nur) heute manche befällt.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das heißt: Interaktion lässt lernen. Dass wir auf der Welt sind, verdanken wir anderen Menschen, dass wir schon als Ungeborene den Sprachklang wahrnehmen, dann sprechen lernen usw. – das verdanken wir alles anderen. Liebe verändert unseren Hormonhaushalt, unser Hirn. Lob baut auf, Tadel beugt – wir sind, und das ist ja bekannt, Wesen, eingebunden in die Interaktion. Wir sind Wesen, die das gar nicht reflektieren können, wie sehr wir eingebunden sind. Wer meint, dass er alles sich selbst verdankt, dem mangelt es an Sozialkompetenz. Die Wissenschaft ist an dieser Stelle Augenöffner.

Ich finde das Gleichnis Jesu vom reichen Kornbauern so krass: Am Ende der Ernte ist er sehr mit sich zufrieden. Aber: Er hat sicher kaum selber die Ernte eingefahren, er hatte seine Sklaven. Er hat kaum selber die Scheunen gebaut, er hatte seine Handwerker. Er hat keinen Einfluss auf das Wetter und auf die Marktpreise. Diese eklatante Selbstüberschätzung ist also nichts Neues. Auch die Selbstüberschätzung mit Blick auf Gott, wie sie im Gleichnis ausgesprochen wird, ist nichts Neues.

Sich verdanken, sich anderen verdanken. Man merkt es kaum, wie sehr man anderen dankbar sein kann. Und Gott.

Was hat Gott damit zu tun? Alles. Nur bemerken wir es nicht. Oder doch? Darum geht die Klage gegen Gott oder die Ablehnung Gottes, wenn es nicht so gut läuft, weil wir im Hinterkopf eine Ahnung davon haben: Ich verdanke mich ihm, eigentlich will ich ihm danken. Doch ich schiebe mich zwischen Gott und mir selbst und lasse nur die Kritik an Gott, die Klage durch. Anders als bei Feuerbach: Ich bin gut – ich tue mir Gutes. Gott ist schlecht – er tut mir Schlechtes.

Man kann nur jemandem dankbar sein, der willentlich etwas getan hat, das man als gut empfindet. Das Schicksal ist willenlose Willkür, man kann also nicht sagen, man sei dem Schicksal dankbar. Das sagt der Mensch nur dann, wenn er Gott nicht kennt, wenn das Schicksal als eine Art Statthalter Gottes fungiert. Dankbarkeit ist eine Art Gottesbeweis. Der Mensch ist dankbar, will dankbar sein. Warum?

Das Thema ist jetzt nicht Undankbarkeit. Dann müsste noch ganz andere Aspekte aufgezeigt werden.

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