Erasmus und christliche Ethik

„So ehren wir Christen die Lehre Christi, und wir benehmen uns so, als ob es nichts Wahnwitzigeres, nichts Verächtlicheres gäbe und nichts, dessen man sich mehr schämen müsse, als wahrhaft und aus ganzem Herzen ein Christ zu sein…“. (Handbüchlein des christlichen Streiters [H. Schiel] 124)

„Christus ist in den Augen der Welt so verächtlich geworden, dass es für schön und herrlich gilt, nichts mit ihm zu tun zu haben, und dass jeder um so verachteter ist, in je engerer Verbindung er mit ihm steht“ (140) – es geht um Namens-Christen, die nicht üblen Christen, wie sie selbst welche sind, Vorwürfe machen, sondern den Christen, die sie darauf hinweisen, dass ihr Verhalten übel ist.

Kurz: Erasmus hält Christen den Spiegel vor. Das sowohl den Raufbold-Christen als auch den Fürsten: Sie stehen nicht über dem Recht. Christus ist ihr Herr und sie sollen nur das wollen, was Recht ist. Er spricht alles Mögliche an – selbst Majestätsbeleidigung: Verbrecherische Fürsten beleidigen die Majestät. Der Fürst ist der Diener des Volkes – sagt er mit Matthäus 20,25f. (Das ist also keine Idee des aufgeklärten Friedrich II. der Große. Das hat über 250 Jahre vorher schon Erasmus gesagt – vor ihm vermutlich schon andere, die Jesus ernst genommen haben.) Vor Augen führt er auch, dass Menschen das Wort Jesu so verdrehen, dass es ihnen passt, statt sich von dem Wort zur Umkehr bewegen zu lassen.

Was soll also ein Mensch tun? Viele Details werden genannt. Am Schluss aber heißt es: „Geselle dich zu den Menschen, in denen du das wahre Bild Christi erkennst. Wo es dir aber an Menschen fehlt, durch deren Verkehr du besser wirst, da entzieh dich nach Möglichkeit dem Umgang mit den Menschen und ziehe die heiligen Propheten, Christus und die heiligen Apostel zum Gespräch heran.“ (188)

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Massive Kritik an alle möglichen Menschen finden wir auch in seinem „Lob der Torheit“. Aber am Ende kritisiert er nicht nur, sondern zeigt, warum er wen kritisiert: Es geht ihm um richtige christliche Moral. Er setzt den Frommen der Menge entgegen. An seinem Maßstab, Jesus Christus, werden sie alle gemessen: Priester, Päpste, Philosophen, Menschen des normalen Volkes usw. usw. usw. Wer Erasmus allein als Kirchenkritiker sieht, hat das Büchlein nicht bis zu Ende gelesen.

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