Terror und ARD + Justiz-Irrtum + Recht und Gerechtigkeit + Unverständlich

Ich muss im Voraus sagen: ich habe den Fernsehfilm, in dem es um die Gerichtsverhandlung über den Abschuss eines Flugzeugs ging, nicht gesehen.

Dieses Dilemma, in dem Menschen/Staat stecken, darf man wenige Menschen töten, um sehr viele zu retten, muss restriktiv beantwortet werden. Aber das kann doch nicht bedeuten, dass man verbietet darüber nachzudenken, wie ich mich verhalten würde, wenn ich in diesem Augenblick Verantwortung tragen würde: http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/ferdinand-von-schirach-terror-ard-fernsehen-justiz-film-menschenwuerde-kritik/ Was dieser Autor den Gesinnungsethikern vorwirft, dass sie die Tochter Verfolgern ausliefern würden, die ihre Tochter töten würden – lässt sich auch prima umkehren, nur eben ein anderer Fall: Da will einer die Tochter töten und man hindert den Mörder nicht daran, weil man in der Notwehr eine Verurteilung wegen Überreaktion befürchtet.

Der Staat muss restriktive Gesetze gegen das, was im Film geschildert wird, gegen Folter, gegen Notwehr, gegen Polizeigewalt usw. erlassen – aber er muss auch dem Verantwortungsbewusstsein des jeweiligen, der in Entscheidungszwang steckt, Raum lassen. Was ja auch weitgehend klappt, manchmal jedoch mit Blick auf Notwehr leider nicht zu klappen scheint.

Es ist ein Irrtum mancher Justizexperten, nun diejenigen, die sich unter den 86% befinden, die für die Freiheit des Angeklagten plädiert haben, beschimpfen zu müssen oder angesichts ihrer „Gesetzlosigkeit“ die Hände über den Kopf zusammenschlagen zu müssen. Denn das zeigt doch nur, wie sehr sich manche Teile der Justiz von den Bürgern des Landes entfernt haben.

Sie sollte die Gelegenheit beim Schopf fassen und den Bürgern erklären, was sie am Recht haben. Elitäres Zurückziehen der Experten ist auch für die Justiz nicht ratsam.

Vor ein paar Jahren musste man als Bürger mühsam lernen, dass Recht und Gerechtigkeit nicht unbedingt zusammengehören (dazu siehe unten). Und nun muss man mit Hilfe eines Satzes, der in Facebook kursiert, erfahren, dass Unrecht und Schuld zwei unterschiedliche Dinge sind – und zwar schon seit Jahrhunderten. Was auch immer das heißt – wir lesen ja nur den Satz, der von vielen einfach kolportiert wird.

Heißt das, man kann unschuldig sein, aber vom Recht verurteilt werden, man kann schuldig sein, aber vom Recht befreit werden? So muss man unterscheiden, um die Motive des Angeklagten – sein schuldigwerden/nichtschuldig werden berücksichtigen zu können. Grob und plakativ gesagt: Wenn sich einer betrinkt und dann kriminelle Taten begeht, ist er nicht schuldig, weil er eben im Zustand der Trunkenheit ethisch nicht korrekt handelt – aber begeht er nun ein Unrecht oder nicht? Er begeht ein Unrecht – aber ist eben nicht schuldig. Weil er Unrecht begeht aber nicht schuldig ist, gibt es mildernde Umstände. Oder habe ich da etwas falsch verstanden. Wenn er Unrecht begeht ohne betrunken zu sein, wäre er schuldig und wird härter bestraft. Aber – so fragt sich der Laie: Hat er nicht Schuld, wenn er sich in den Zustand der Trunkenheit begibt, sich also bewusst außer Selbstkontrolle bringt?

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Hier kommen wir nun zu einem Versuch, der intensiver auf die Fragen eingeht. Und so kommen wir auch zum Ursprung des oben genannten Satzes. Wir erfahren:

Die Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit/Rechtmäßigkeit einerseits und Schuld/Unschuld andererseits ist eine der grundlegenden Errungenschaften unserer Rechtskultur. Für das deutsche Strafrecht bildet sie eine unabdingbare Grundlage für die Entscheidung jedes Einzelfalls. Ein Strafprozess, in dem der Vorsitzende sich die Information über die persönlichen Motive und Sichtweisen des Beschuldigten verbittet (sc. wie in dem Film), wäre eine Farce.

So Thomas Fischer, Bundesrichter in Karlsruhe: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht/seite-4 Das heißt, wenn ich das mit meinem Laienverstand interpretiere, man trennt zwischen Unrecht und Schuld, um dem Individuum (dem beschuldigten Täter) gerecht zu werden.

Das heißt nun für den Fernsehfall, wie Thomas Fischer ausführt:

Was für Herrn Piloten Koch „gerecht“ ist, finden wir ebenfalls im Recht: Es könnte ein „Entschuldigungsgrund“ vorliegen, der sich in einer entsprechenden Anwendung des Paragrafen 35 Strafgesetzbuch findet: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige (!) Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. (…)“ Schuldlosigkeit des einzelnen trotz Rechtswidrigkeit seiner Tat, auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung seiner individuellen (!), persönlichen (!) Lage und der Zumutbarkeit (!) rechtmäßigen Verhaltens.

Und das wird von Thomas Fischer der Sendung angekreidet, dass sie dem Recht abspricht, in dieser Grauzone agieren zu können – und nicht, dass die Zuschauer so entschieden haben, wie sie entschieden haben, denn Zuschauer und Recht könnten schon zusammenkommen. Das heißt also nicht, dass die Entscheidung der Zuschauer falsch gewesen sein muss, sondern dass die Argumentation im Film juristisch falsch war. Es geht nicht um das Recht des Staates zu töten (das hat er nicht) oder das geringere Übel zu wählen (was auch immer das sei), sondern es geht um die Motivation des Angeklagten. Und das eben auch dann, wenn er Teil der Staatsgewalt ist.

Wobei ich als Laie jedoch sagen muss, dass der von Thomas Fischer zitierte Paragraf das so nicht hergibt, denn es geht in diesem nur um Gefahr Angehöriger… – nicht um Gefahr von Menschen, die ich nicht kenne. Und so bringt er selbst ja auch ein Beispiel aus dem privaten Bereich, dass der Herr Koch nicht freigesprochen worden wäre, wenn sein reicher Onkel im Flugzeug gesessen hätte und er nun erben könne. Aber da ich Laie bin, weiß ich nicht, wie dieser Satz in der juristischen Literatur interpretiert wird.

Wenn man den Beitrag von Thomas Fischer ganz liest – und das möchte ich empfehlen – erfahren wir, dass „die Entscheidung zwischen Recht und Moral, Recht und Gerechtigkeit“, Spektakel ist. Ich kann dem also entnehmen, dass sie doch nicht auseinanderklaffen? Sein Wort in der Richter und der Gesetzgeber Ohr.

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Ein Raubüberfall auf den HSV-Investor Burmeister verlief tödlich. der Hauptverdächtige Deutsch-Libanese wird im Libanon vermutet. Er war wegen eines anderen Raubüberfalls verurteilt worden, der Haftbefehl wurde aufgehoben bis zur Rechtskraft des Urteils. Und das wurde dem HSV Investor zum Verhängnis: http://www.focus.de/panorama/welt/vier-tatverdaechtige-im-visier-toedlicher-ueberfall-auf-hsv-investor-haupttaeter-im-libanon-vermutet_id_6095854.html

Und wer trägt dafür die Verantwortung? Niemand, weil sich der Angeklagte geständig und therapiewillig gezeigt hatte.

Unsere Gerichte sollten alle einmal einen Kurs in diesen Ländern mitmachen: Welche Tricks gibt es, um möglichst schnell frei zu kommen? Den lieben Jungen spielen, der keinem das Haar krümmen kann, weinend lamentieren, dass den Richtern und allen Beteiligten die Tränen fließen, womöglich noch die gesamte Großfamilie zur Unterstützung der Lamentationen  nun ja, auch ein wenig mit Drohen, schnell noch geheiratet und ein kleines Kind und die weinende Frau zur Verhandlung bringen… – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Auch meiner nicht. Von daher täte ein Kurs ganz gut, um möglichst nicht auf die Tricks hereinzufallen.

Impressum http://www.wolfgangfenske.de/

 

 

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