Heilige Kriege

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Ich stöbere zurzeit in dem Heft „Heilige Kriege“ aus: ZEITGeschichte herum http://www.zeit.de/wissen/zeit-geschichte/index . Man kann viel lernen, sieht manche Zusammenhänge – allerdings kann man auch so manches aus einer anderen Perspektive betrachten, und dann stimmt hier und da eine Aussage nicht mehr so ganz. So, wenn gesagt wird, dass der Islam in Afrika vielfach begrüßt worden sei. Das kann man sagen. Aber aus der Perspektive des Sklavenhandels liest sich das anders: Menschen wandten sich dem Islam zu, um der Sklaverei zu entgehen, denn Muslime durften nicht versklavt werden.

Was ich auch nicht so ganz nachvollziehen kann, ist die Sicht, dass im Grunde der christliche Westen – Kolonialismus usw. – Grund für die Kriege ist. Es gab in China, in Afrika, im alten Rom und in Persien usw. immer schon Kriege – und auch gegen Besatzungsmächte. Da mussten nicht erst die Briten kommen und die Welt unterwerfen, damit sich Menschen gegen eine Besatzungsmacht auflehnten. Das war gängig, so lange wir Geschichte beobachten können. Man lese nur das Alte Testament als Geschichtswerk. Oder die Aussage, dass die Götter durch Judentum und Christentum erst Nichtse wurden, das mag im Vergleich zur Politik Roms stimmen, aber eben nicht im Vergleich zur Politik Babylons und co.: Besiegte Götter sind machtlos, also zu vergessen.

Vielen unbekannt sein dürften die Hinweise zu den Aufständen in Indien (1857), den Mahdi Aufstand im Sudan (1881 und 1899), der Boxeraufstand (1899-1901). Denn diese hatten große Auswirkungen, die sich bis heute bemerkbar machen. Zu nennen ist einer der – sagen wir – Chefideologen: Dschamal ad-Din al-Afghani oder Muhammad Ahmad. Ich selbst wusste noch nichts vom italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini (1805-1872), der einen „romantischen Nationalismus“ verkündete und dessen Werke großen Einfluss auf die nationalistischen Hindus in Indien hatte – und bis heute hat.

An manches wird man erinnert. Warum ist 1979 für die Weltgeschichte so relevant geworden? 1989 ist uns bekannt, die Mauer ist gefallen. Aber warum 1979? Ajatollah Chomeini hat die Herrschaft im Iran angetreten, sage ich einmal so. Und dadurch wurden die gesamten Konflikte in dem dortigen Bereich angeheizt: Irak-Iran, Saudi Arabien-Iran, alle gegen Syriens Assad, der Aufstieg des IS, Hizbollah gegen Israel…

Interessant fand ich auch die Darlegung von Khorchide. In der heißt es: „Die heutigen Lesarten des Korans und die konkurrierenden Positionen zur Frage, was unter Dschihad zu verstehen ist, sind so vielfältig wie die alten Pfade der Auslegung. Umso wichtiger ist es, dass wir Muslime uns kritischer und mutiger als bisher mit unserer eigenen Geschichte und Tradition auseinandersetzen und immer wieder überprüfen, welche Position noch vertretbar sind und welche nicht. Wofür machen wir Muslime uns stark? Für welche Interpretation des Islams setzen wir uns ein? Wie entwickeln wir plausible Argumente für eine humanistische Lesart des Korans, die von möglichst vielen Muslimen getragen wird? Diese Fragen sind entscheidend und bedeuten nicht weniger als einen Aufruf zu einer innerislamischen Reform. Das Problem sind dabei nicht allein die Extremisten. Das Problem ist die Tendenz, sich abzukapseln, statt sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen.“ (35) Dem ist nichts hinzuzufügen. (*)

Gut finde ich auch an dem Heft, dass die säkularen Religionen angesprochen werden: Französische Revolution, Kommunismus, Liberalismus,… (hinzuzufügen sind zum Beispiel noch Nationalsozialismus, Kapitalismus). Es bedarf also – entgegen dem, was so mancher Atheist der staunenden Menschheit klarmachen will – keiner klassischen Religion, um einen Heiligen Krieg zu führen.

(*) Khorchide ist bewundernswert, weil er daran festhält, während andere, bislang im Euro-Islam Engagierte, aufgeben, so Bassam Tibi: Der Kopftuch Islam besiegt den Euro Islam: http://www.cicero.de/salon/islamwissenschaftler-bassam-tibi-ich-kapituliere/60960

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