Sydenhams Rat + Leiden + Rachen des Todes

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Sydenham (bedeutender Arzt, 17. Jh.) fasste seine “grundsätzliche Einstellung als Mediziner … in dem folgenden Rat an seine Studenten zusammen:  Wer immer sich der Medizin widmet, sollte die folgenden Erwägungen ernsthaft in Betracht ziehen:

Erstens wird er sich eines  Tages vor einem obersten Richter für das Leben eines Kranken,  das ihm zur Fürsorge anvertraut wurde, verantworten müssen. 

Als Nächstes sollte er, ganz gleich über welche Begabung oder  über welches Wissen er durch Gottes Gnade verfügt, alles zu  Gottes Ehre und zum Wohl des Menschen tun.

Drittens sollte er  bedenken, dass es keine schäbige oder ungebildete Kreatur ist,  die er behandelt. Es gilt, den Wert des Menschen anzuerkennen,  denn für ihn sandte Gott seinen Sohn und adelte den Menschen  dadurch, dass er seine Gestalt annahm. 

Schließlich sollte ein Arzt bedenken, dass er selbst keine Ausnahme vom allgemeinen Los bildet, sondern denselben Gesetzen von Sterblichkeit und Krankheiten unterworfen ist wie  seine Artgenossen. Und er wird mit noch größerem Eifer und  Fleiß um die Kranken bemüht sein, wenn er bedenkt, dass er  selbst ihr Leidensgenosse ist.” (Mangalwadi, Das Buch der Mitte, 423; Sydenham war der erste moderne Mediziner, laut Mangalwadi, lebte von 1624-1689.)

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In einer Diskussion wurde deutlich, dass diese grundlegenden Aussagen heute durch so manchen in Frage gestellt werden. Nicht durch Christen, die ihren Glauben leben, aber durch Atheisten und Gleichgesinnten (Singer, Dawkins, und weiteren – bis hin zu Stimmen, die heute im Zusammenhang von Abtreibung, Behinderungen, Sterbenden, Koma-Patienten laut werden…) Eine Gesellschaft, die ihre christlichen Wurzeln kappen möchte, wird sich brutalisieren – und jeder, der so vollmundig daherredet, mag bedenken, was Sydenham sagt: Man hat den Leidenden nichts voraus. Es kann jeden treffen. Und eben weil es mich treffen kann und ich – als moderner Zeitgenosse – nicht leiden will, sondern denke: Hauptsache schnell unter der Erde, wünsche ich es auch anderen.

Leiden ist gewiss nicht schön, nicht gut. Aber Leiden gehört zu uns Menschen dazu. Wer setzt die Grenze für unzumutbares Leiden? Hier beginnt unerträgliches Leiden – hier ist es noch auszuhalten… Es gibt unterschiedliche Leidensschwellen. Manche haben gelernt mit Leiden umzugehen und sie sind leidensfähiger als andere, die es nicht gelernt haben und auf mögliches Leiden gebannt schauen, wie das Kaninchen auf die Schlange. Und statt sich gegen die Schlange zu wehren, hüpfen sie ihr gleich in den Todes-Rachen.

Zu beobachten ist auch, dass man Menschen einfach Leiden zuschreibt, weil man sich denkt, die müssten leiden, weil sie nicht so leben können, wie ich leben will (Behinderte). Anderen einzureden, sich möglichst schnell der Schlange des Todes in den Rachen zu werfen, gehört zu diesen Zeitgenossen dazu. Und damit befindet man sich in guter Gesellschaft sämtlicher inhumaner, unmenschlicher Strömungen. Nicht nur Nationalsozialismus, sondern eben auch Hinduismus oder allen anderen Formen, die wir durch Mangalwadi (Buch der Mitte) kennen gelernt haben.

Manche haben gelernt, dem Leiden entgegenzutreten, das Leiden zu bekämpfen – nicht den leidenden Menschen.

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