Hölle

Kleine Anmerkungen zum Thema Hölle. Eben: Kleine Anmerkungen. Das heißt, ich werde hier keine Dissertation vorlegen, kein Buch, sondern nur ein paar Aspekte.

Was wir nicht machen dürfen: Wir dürfen nicht die mittelalterlichen Höllenvorstellungen in das NT einlesen. Ich weiß, es fällt manchen schwer. Aber das muss man versuchen, um den Menschen damals gerecht zu werden.

Es gibt nur wenig Vorkommen des Wortes bzw. von Texten, die damit verbunden werden. Das bedeutet: Wichtiger ist ein anderes Thema: Die kommende Gottesherrschaft, die den Menschen all das bringt, wonach er Sehnsucht hat. Das ist wesentlich – und man muss beachten, in welchem Kontext das Wort vorkommt bzw. Äquivalente. Wie wird im NT (die Apokalypse des Johannes habe ich ausgenommen) das Wort Hölle konnotiert? In der Logienquelle kommt es an zwei Stellen vor: (Lk 10,15/Mt 11,23 [Hades – gr. Vorstellung: Ort, an dem die Seelen der Toten leben]; Lk 12,5/Mt 10,28 [Gehenna – feuriger Straf-Ort]): einmal als Kontrast: die denken, sie seien ganz oben –  fallen in die Hölle – also: Hochmut als Zeichen für tiefsten Fall; und: Man soll keine Angst vor Menschen haben, die einen töten können (einem die Hölle bereiten wollen) – sondern Gott fürchten, der die Hölle bereiten kann. Hintergrund: Christen wurde der Vorwurf gemacht, gegen das Gesetz zu sein, somit werden sie getötet – und kommen in die Hölle. Dagegen Jesus: Nein, wer für den Glauben – wehrlos! – stirbt, kommt nicht in die Hölle, sondern er gehört zu Gott. (Die frühen Christen waren Pazifisten – anders als die islamistischen „Märtyrer“ der Gegenwart sind christliche Märtyrer [= Zeugen] gewaltlos gewesen und sind als solche getötet worden: Frauen, Männer. Es ist aus christlicher Sicht zynisch, Gewalttäter als Märtyrer zu bezeichnen.)

Im Sondergut des Matthäus finden wir drei Vorkommen von Hölle (Mt 16,18 [Hades]; 23,15.33 [Gehenna]): Die Hölle (irdische Mächte des Hades) kann die Kirche nicht besiegen, und: die jüdische Elite macht Missionierte zu Kindern der Hölle – sie kommen selbst in die Gehenna. Dieser Text ist vielfach nachjesuanisch verändert worden. Es geht also um Auseinandersetzung mit der Elite.

Im Sondergut des Lukas kommt die Hölle zweimal vor (Lk 8,31 und 16,23). Dämonen gehen in die Hölle (Abyssos/Abgrund) und dann das Gleichnis vom Reichen und Lazarus. In diesem wird die Vorstellung vom Hades aufgenommen: Lazarus in Abrahams Schoss – und der Reiche in der Unterwelt-Hitze. Metaphorisch, weil es sich um einen Kontrast handelt. Der Erniedrigte wird Geborgenheit erfahren, derjenige, der ihn nicht beachtet hat, wird ungeborgen sein (heute würde man in gewissem Sinne vom ausgleichenden Karma reden).

Neben diesen Vorstellungen haben wir andere, wenn zum Beispiel vom Heulen und Zähneknirschen geredet wird. Das sind Stellen, an denen Menschen zornig sind (vgl. Mt 8,12 – nicht in der lukanischen Parallele), weil sie im Finstern ihr „Leben“ verbringen müssen, fern der Feiernden. Sie verhielten sich nicht sozial angemessen – bekommen also das, was sie wollten: soziale Einsamkeit (Mt 22,13; 25,30). Und eben das ist auch sonst häufig intendiert: Menschen, die sich nicht sozial angemessen verhalten haben – in der Nachfolge Jesu -, werden entsprechend auch in dieser sozialen Finsternis leben müssen.

Dann ist auch vom Feuer die Rede – vielfach in Kontexten, in denen eben auch Feuer verwendet wurde, also metaphorisch: Unkraut wird verbrannt (Mt 13,42; Johannes 15,6; vgl. auch Lk 3,9: Johannes der Täufer).

Interessant sind für uns die Stellen, die in den Antithesen vorkommen. In der 1. Antithese ist von Gehenna die Rede, also dem Ort der Strafe, weil man seinen Bruder erniedrigt hat, in der 2. Antithese ist auch davon die Rede, dass man die Strafe der Gehenna erwarten kann, weil man Frauen erniedrigt hat. Dieser Text kommt im Markusevangelium an anderer Stelle vor: Dort wird erst gesagt, dass es für denjenigen, der Glaubende verwirrt, besser wäre mit einem Mühlstein am Hals ins Meer versenkt zu werden. (Es geht wohl um innergemeindliche Auseinandersetzungen.) Und dann folgen die Aussagen von der Feuer-Gehenna – aber beides passt nicht zusammen. Das heißt, wir kennen die Kontexte nicht mehr.

Die unterstrichenen Stellen können aus meiner Perspektive auf Jesus zurückzuführen sein. Das Heulen und Zähneknirschen ist sehr stark matthäisch und mit nachösterlichen gemeindlichen Aspekten verbunden. Und das trifft auch auf den heftigen Text aus Mt 24,51 zu, der in der älteren markinischen Parallele nicht zu finden ist: Da wird einer in Stücke gehauen – und dann kurioserweise als Ganzer bei den Heuchlern sein, wo Heulen und Zähneknirschen sind. Und dieser eine ist eben wieder jemand, der seine Mitmenschen misshandelt. Diese Kuriosität aber zeigt wieder, dass es nicht auf die tatsächliche Formulierung ankommt, sondern auf die Drohung, damit Menschen sich bessern. Ebenso finden wir in dem Sonderguttext des Mt 25,31ff., ein Text, dessen Grundlage auf Jesus zurückzuführen ist, aber bearbeitet wurde, wie schon der Eingangstext zeigt. In diesem an sich wunderbaren Text, in dem Gott sich mit den Notleidenden in einzigartiger Weise solidarisiert, findet sich gegen diejenigen, die sich asozial verhalten die Aussage: Geht von mir, ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist. Auch hier ist wieder deutlich: Wer sich asozial verhält, der wird eben asozial behandelt. Man kann natürlich fragen: Hat Gott also mit den Menschen, die nun in die Gottesferne geschickt werden, kein Mitleid? Man darf Gleichnisse nicht überinterpretieren – denn darum geht es nicht. Es geht darum, sich anderen Menschen gegenüber sozial zu verhalten – und das wird mit Nachdruck, mit Warnung deutlich gemacht.

Matthäus ist also einer der die Hölle in sein Evangelium einbezieht, mit Blick auf Menschen (der Gemeinde), die sich asozial verhalten.

Ich hoffe, dass ich keine wesentlichen Texte übersehen habe. Ach so, Verdammnis: Gottferne – dem Segen Gottes entziehen (Fluch) – das heißt aus christlicher Sicht: Untergang, Verderben. Also: kein ewiges Leben bei Gott. Hinzuweisen ist noch, dass mit Blick auf Hölle und Himmel das Gericht vorangeht. Aber das wäre ein eigenes Thema. Letztlich aber, mit Blick auf das Karma gesagt: Der Mensch in seiner Freiheit trägt Verantwortung für sein Leben. Und er bekommt letztlich das, was er sich selbst zugezogen hat. Anders als das Karma, das eine unpersönliche Ordnungsmacht ist, ist im christlichen Glauben Gott als Person diese Ordnungsmacht, von daher ist Barmherzigkeit, Gnade, Liebe ein wesentlicher Aspekt des christlichen Glaubens. Manche sagen, das sei dann Willkür. Aber: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und Gott von dir fordert. Gottes Wort halten, Liebe üben, demütig sein vor deinem Gott (Micha 6,8). Gottes Wort wird auch vertieft werden.

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Wie kann man nun mit dem Thema „Hölle“ umgehen? Ich sehe sie als solche an, die zeigen, dass Menschen Verantwortung tragen – für ihr soziales Verhalten.  Wer meint, er müsse sich nicht sozial verhalten, der wird den Ernst der Lage einmal spüren müssen. Diese Texte sind eine Warnung, wie besonders das Gleichnis vom armen Lazarus zeigt. Jeder weiß, wie er sich sozial zu verhalten hat – also soll er es auch tun, sonst wird er die Konsequenzen für sein Verhalten tragen müssen.

Stellen wir uns nun die Frage: Wie geht man heute mit Menschen um, die sich asozial verhalten – aber eben als Menschen, die nicht zur Elite gehören, sondern diesen Asozialen ausgeliefert sind? Wie geht der Kommunismus mit Asozialen um – den asozialen Kapitalisten? Wie geht der Hinduismus/Buddhismus damit um? Auch mit der Drohung: Verhalte dich Kastenkonform (anders zu verstehen als Nächstenliebe) – damit du im nächsten Leben nicht in der Hölle, die auch Menschen dir bereiten, leben musst? Wie erziehen wir heute Kinder – nicht auch mit Strafen und Strafandrohung?

Ich finde es immer klasse, wie wir in unserem wunderbaren Mitteleuropa andere Zeiten und Kulturen beurteilen. Wir machen natürlich alles besser. Aber wie würden wir damit umgehen, wenn wir der Willkür der Warlords im Ostkongo ausgeliefert wären? Wie würden wir vorgehen, um die Welt besser zu machen? Wir würden uns wahrscheinlich fast alle anpassen und lieber zu den Tätern überlaufen. Jesus bzw. die frühe Gemeinde, die gewalttätigen Menschen ausgeliefert waren und vor allem auch innergemeindlichen Auseinandersetzungen, versuchen auf diese Weise Menschen zu erziehen, sozial zu werden, gemeinschaftsfähig. Zu drohen, damit sie sozial werden. Wobei Jesus sehr sparsam damit umgegangen ist.

Jede Gruppe muss schauen, wie sie mit Menschen umgeht, die nicht bereit sind, Grundbedingungen zu akzeptieren. Matthäus formuliert Gemeinderegeln – aber diese werden eingeschränkt durch das Wissen, dass Gott selbst letztlich der Richtende ist und Menschen nicht die Übersicht haben. Paulus schreibt: Beurteilt selbst ob ihr im Glauben steht. Und diese Aufforderung finden wir in den oben genannten Texten, die Gemeinde auffordert, über das eigene Verhalten unter der Androhung der Hölle nachzudenken. Man hatte ja keine bzw. nur sehr eingeschränkte Sanktionsmöglichkeiten. Übrigens auch von dem viel gelobten Buddha wird gesagt: Das große Meer duldet kein Zusammensein mit einem toten Körper. Was die Entfernung von Mönchen begründet, die sich nicht in die Gemeinschaft einfügen können. Manche wissen heute alles besser – und machen auch alles besser. Das ist ja schön so. Nur: Was manche heute machen ist kein Maßstab für alle Zeiten, alle Orte, alle Situationen.

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Das Thema drohen wird uns auch in den nächsten Tagen begleiten. Wobei ich nicht morgen das Thema weiterführen werde, sondern erst am 2.1.2018.

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KategorienAllgemein

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