Islam-Kritik+Erneuerungsbewegungen im Islam+KoranHermeneutik

Gut, dass man nun weiß, dass kein Mut mehr dazu gehört, den Islam zu kritisieren. Mazyek lässt die Katze aus dem Sack. Und möchte er damit nun durch ein Machtwort beenden, dass so mancher Islamkritiker heute noch Schwierigkeiten hat, weil er den Islam kritisiert? Glaubt er, dass es durch sein Machtwort keine Morddrohungen mehr gibt? Klasse. http://www.welt.de/debatte/kommentare/article133133894/Schluss-mit-den-ewigen-Totschlagargumenten.html

Wir sollen uns nun als Nichtmuslime zu bzw. vor die Muslime stellen. Ja, da habe ich kein Problem mit, wenn sie körperlich angegriffen werden, wenn Unrecht über sie gesprochen wird, ich wäre einer der ersten, der sie mit verteidigen würde. Und das ist keine Phrasendrescherei sondern christliches Gebot, dem ich von Herzen folgen würde.

Doch vor welche Muslime soll man sich stellen, wenn sie sich gegenseitig angreifen? Die Polizei in vielen Städten kann ein Lied davon singen, dass sie sich zwischen die muslimischen Gruppen stellen muss.

Muslime wollen keinen Hass zwischen Muslimen? Mazyek möchte ihn nicht und viele tausend Muslime auch nicht. Aber es sind nicht nur Kurden, die von ermordeten Frauen reden und überrannten kurdischen Zentren in facebook reden – es sind die Nachrichten, die sagen, was in Syrien und im Nordirak durch Muslime geschieht. Und es sind Muslime, auch wenn sich viele Muslime von ihnen distanzieren. Ihr Selbstverständnis ist die eines Muslims. Und wenn sie sich noch so brutal verhalten – sie können sich auf Texte aus der Tradition des Islam berufen. Und darum kann man sich zwar von ihnen distanzieren, das hilft jedoch mit Blick auf die Zukunft nicht weiter, denn es muss eine neue Hermeneutik gefunden werden.

Ja, er hat Recht: Muslime in Deutschland sollen sich nicht aufstacheln lassen von muslimischen Extremisten, sie müssen gemeinsam gegen diese angehen – auch gemeinsam mit Nichtmuslimen – doch wer hat bislang geschlafen und wollte mit diesen Themen nichts zu tun haben nach dem Motto: Was gehen uns die Muslime in anderen Ländern an? Der bewusst die Augen geschlossen hat vor Warnungen in unserem Land – als andere schon mit schriller Stimme gewarnt haben? Und was geschieht heute noch mit Warnern, damit sie mundtot gemacht werden? Ja, Selbstkritik der islamischen Verbände wird angesprochen. Endlich!

Und was fordert Mazyek gegen die Islamisten? Eine Anerkennungslkultur, eine Gleichstellung und Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften. Sie wollen aus dem Schmuddelecken-Dasein heraus! Und das ist wieder das, was Selbstkritik bedeutet: Wir fordern von anderen! Und solange Selbstkritik nicht das ist, was wir normalerweise in Deutschland unter Selbstkritik verstehen, solange sind diese Worte inhaltlos. Sie verärgern geradezu.

AKP, Muslimbruderschaften usw. Moscheen sind mit „uns“ nicht zu haben? Man traut seinen Augen nicht. Und was ist mit den Verträgen der Regierungen mit der DITIB, mit den Ahmadiyya?

Und als Totschlagargument gegen die Islamkritiker erwähnt er eben eines ihrer Totschlagargumente. Es geht doch nicht um dieses Extrem. Es geht darum, dass die Muslime in unserem Land endlich eine neue Hermeneutik in den Blick nehmen, denn ohne diese werden sie den Geruch der Gewalt nicht los. Die Frage stellt sich: Wie geht man als sunnitische, schiitische, usw. Gemeinschaft weltweit mit dem Thema Gewalt im Koran um? Sie sollen zu Khorchide in die Schule gehen, um ein wenig von dem zu verstehen, was ich meine oder zu den Ahmadiyyas. Damit, dass man sich als etwas Besseres ansieht als die Nichtgläubigen und darum auch Zusammenarbeit verweigert – wie gehen sie damit um? Dass man die Menschenrechte im westlichen Sinn nicht achten muss und das Kollektiv das Individuum in Zucht halten muss? Das sind Themen, die die muslimische Gemeinde anpacken muss – und da kann ihnen keiner bei helfen. Außer sie fragen nach: Wie habt Ihr es als Christen gemacht, dunkle Traditionen dahin zu stellen, wo sie sind: In die Schmuddelecke!

Dieser Beitrag von Mazyek ist verständlich, aber er ist ein Ärgernis. Weil er so tut, als habe einer verstanden, der im Grunde gar nichts verstanden hat oder nicht verstehen will.

Es gibt auch Muslime, die eine Gleichsetzung islamischer Verbände mit Kirchen ablehnen – und statt dessen einen klugen Vorschlag machen: http://www.kath.net/news/47872 Statt den türkischen Verbänden ein Übermaß an Macht zu geben, sollten alle muslimischen Gruppen ein Gremium bilden: „So könnte eine religiöse Renaissance eines europäischen Islam in einem westlichen Kontext beginnen“, so  Abdel-Hakim Ourghi.

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Auch im Islam gibt es eine Erneuerungsbewegung, die sich in unterschiedliche Gruppen spaltet, so erfahren wir von Muhammad Sameer Murtaza: http://www.zeit.de/gesellschaft/2014-10/islam-thesen-salafiyya Diese Gruppen: Wahhabiten, Muslimbrüder, Hizb At-Tahrir werden mit dem Protestantismus gleichgesetzt!

Was mit Blick auf die Versuche, den Islam von negativen Traditionen zu befreien, allein auf Al-Afghani zutreffen würde, der allerdings in die Bedeutungslosigkeit versenkt wurde!

Interessant fand ich die Unterteilung des Islam in drei Kulturen durch Malik Bennabi: In die „vom Mittelalter geprägte traditionelle Kultur, die Salafiyya-Kultur und eine an Europa orientierte laizistische nationalistische Kultur.“ Und: „Keine dieser Kulturen könne daher einen Zukunftsentwurf für die muslimische Welt darlegen und so sei diese in eine ganz neue Form von Stagnation verfallen.“

Der indische Philosoph Muhammad Iqbal riet den Muslimen, sich „statt auf den Koran auf das Studium der Geschichte (zu) konzentrieren. Der eigenen wie auch der anderen Religionsgemeinschaften.“ Das Ziel: Inhumane Islamauslegungen niederzuringen. Abgeschlossen wird der Artikel damit, dass der Islam dann vielleicht in eine Moderne anbricht – die allerdings nicht die Moderne des Westen sein muss „oder ist der Westen das Maß aller Dinge?“

Natürlich ist der Westen nicht das Maß aller Dinge, aber ist das echt denkbar, dass die Religionsgeschichte für den Islam wichtiger wird als der Koran? Allahs Wirksamkeit in der Geschichte zeigt mehr von Allah als der Koran? Doch welche Geschichte haben wir im Islam – doch eine vom Allah des Koran geprägte Geschichte. Und der Einbezug der anderen Religionen als Maßstab für humanes Verhalten wird im Islam nicht möglich sein. So sehr das auch zu wünschen wäre. Aber diesen Ansatz der Hermeneutik halte ich im Islam nicht für zukunftsrelevant.

Malik Bennabi – hat er einen eigenen hermeneutischen Ansatz vorgelegt, um den Islam aus dieser Stagnation herauszuführen? Händeringend muss der Islam all diese vorangegangenen Versuche wieder reaktivieren – vielleicht bietet ja einer dieser Vordenker einen hermeneutischen Knackpunkt, der den zurzeit verzweifelten Muslimen einen Ausweg weist?

Der Weg, den Khorchide weist, ist nicht schlecht, er ist aber zu sehr vom europäischen Christentum der Gegenwart geprägt – und das trifft auch auf andere Muslime zu, die sich als Laien zu dem Thema äußern. Von daher wäre er in der Moderne sehr stark kommunizierbar – aber eben nur in Europa – und da auch nur unter ein paar Muslimen.

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Die Ahmadiyya haben eine neue Hermeneutik gefunden. Aber diese Hermeneutik ist nicht aus dem Koran geboren, sondern ist eine Mischung aus den Lebenserfahrungen Ahmads. Von daher hat diese Hermeneutik keine Chance, von allen Muslimen anerkannt zu werden.

Was ich mir denke ist, dass der hermeneutische Ansatz nicht aus der Aufklärung Europas kommen kann, auch nicht aus deren Grundlage, dem Christentum und auch nicht aus der europäischen Philosophie, sondern dass aus dem Koran heraus eine neue Hermeneutik entwickelt werden muss. Der Koran als Allahs Wort – so die Sicht der Muslime – duldet keinen anderen Maßstab neben sich, von daher muss ein Weg gefunden werden, der allen Muslimen plausibel erscheint, weil er im Koran vorgegeben ist. Und dabei hilft es leider nicht, die schönen Worte herauszupicken und diese über die negativen Worte zu stellen oder die negativen still und heimlich unter den Tisch fallen zu lassen. Die negativen, Menschen verachtenden Worte müssen in die humanen, guten Worte eingebettet werden können. Unsere im Christentum entwickelte historisch-kritische Exegese funktioniert nicht 1 zu 1 auf den Koran übertragen, weil eben die Bibel nicht in dem Sinne als Gottes Wort verstanden wird wie der Koran als Allahs Wort. Und so hilft es auch nicht, mit der historisch-kritischen-Exegese zu sagen, dass Teile des Koran eben damals galten – und heute nicht mehr gelten.

Es muss ein eigener Ansatz gefunden werden – und da ich kein Islam-Kenner bin und Koran und Hadith mir eben nur aus meiner Lektüre bekannt sind, muss dieser Ansatz natürlich aus dem Islam selbst her kommen.

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