Juden und Christen

imgfx-2015-10-28-38-706536200

Als das Christentum in ganz Europa immer mehr Fuß gefasst hatte, gab es kaum noch Judenchristen. Heiden aus den verschiedensten Völkern und Stämmen wurden vom Glauben an Jesus Christus (warum auch immer) überzeugt und schlossen sich der Kirche an. In größeren Städten gab es weiterhin jüdische Gemeinden, die nicht davon überzeugt waren, dass Jesus der versprochene Messias ist.

In Mitteleuropa haben Christen viel Schuld auf sich geladen, weil sie Juden erniedrigten.

Sicher haben auch Christen anderer Länder Schuld auf sich geladen, aber das, was dann in der Neuzeit Menschen in Nazideutschland Juden angetan haben, darf nicht auf das Christentum insgesamt übertragen werden.

Durch unsere Geschichte sind wir in Deutschland sehr sensibel geworden – aber auch der Vatikan – und wir sehen, dass die Schuld nicht nur mit dem Nazideutschland zu verbinden ist, sondern dass die Aggressionen gegen Juden, die im Neuen Testament Ausdruck finden, als Ansporn für fehlgeleitete Menschen dienen konnten und können. Damals, als das Neue Testament geschrieben wurde, lebten Judenchristen in der Minderheit und wurden von nichtchristlichen Juden verfolgt, darum haben sie manchmal abwertend und aggressiv über die Verfolger – und verallgemeinernd über das jüdische Volk – gesprochen, obgleich sie selbst Juden waren.

Doch haben wir inzwischen gelernt:

  1. Wir haben inzwischen gelernt, dass Juden zu dem Volk Gottes gehören, wie Paulus im Römerbrief 9-11 ausspricht. Und das Volk Gottes bleibt auch das Volk Gottes. Da kann kein Mensch dran rütteln. Das heißt: Er kann hochmütig daran rütteln, aber das wird nichts ändern, weil der Mensch Gott nicht bekämpfen kann. Wer Gottes Volk angreift, greift Gott selbst an.

  2. Wir haben gelernt, dass die biblischen Texte in dieser Frage aus der Zeit heraus zu verstehen sind, aber nicht in die Gegenwart übertragen werden dürfen.

  3. Wir haben gelernt, dass wir Christen diese Schuld unserer Glaubensvorfahren nicht verheimlichen oder verschweigen dürfen, sondern uns immer wieder mit ihr auseinandersetzen müssen, in der Hoffnung, dass wir nie wieder gegen Gottes Volk schuldig werden.

  4. Wir haben gelernt, dass Juden unserer Mutterreligion angehören – und wie Paulus mit einem anderen Beispiel sagt, Christen ein Zweig sind, der an dem jüdischen Stamm angebracht wurde. Und von daher haben wir auch die jüdische Religion besonders zu achten.

  5. Wir haben gelernt, dass in der Nachfolge Jesu Christi das Nächstenliebegebot grenzenlos gilt. Keiner darf davon ausgeschlossen werden. Damit hängt zusammen, dass irgendwelche Machtgebaren als Christen nicht mit der Nachfolge Jesu kompatibel sind.

  6. Wir haben gelernt, dass die Christen aus Deutschland in dieser Hinsicht große Sensibiltät entwickeln müssen. Und das ist eine große Chance für das Miteinander.

Wir in Deutschland haben viel zum Verhältnis von Juden und Christen gelernt.

Leider kann man das nicht von allen Christen sagen. So vor allem von Christen, die in islamischen Gebieten aufwachsen. Sie haben den Antijudaismus der religiösen Umwelt aufgesogen und vertreten ihn auch. Bedingt ist das freilich auch durch die politische Situation, in der die muslimischen Völker versuchen, Israel wieder aus ihrem Land hinauszuwerfen, es ihnen aber nicht gelingt. Und das macht diejenigen zornig, die denken, Allah muss sich doch als stärker erweisen als der Gott der Juden. (Das denken zum Glück nicht alle Muslime, dass Allah so ein archaischer Gott ist, der nur da herrscht, wo es Muslime gibt. Dieses archaische Allah-Bild entspricht nicht dem jüdischen und christlichen Glauben. Ein entarchaisierter Allah eher.)

Auch das russisch-orthodoxe Christentum muss noch vielfach umdenken – aber das Verhältnis auch zu anderen christlichen Konfessionen ist – ehrlich gesagt – bei ihm nicht korrekt. Hier hat man den Glauben noch sehr an das Nationale gebunden, nach dem Motto: Russland ist orthodox, Orthodoxe sind Russen.

Wir müssen uns jedoch als Christen fragen: Worin liegt unser Maßstab? Und der Maßstab ist weder die Nation, noch der Islam. Unser Maßstab ist Gott in Jesus Christus. Und von hier aus gesehen, sind antisemitischen und antijudaistischen Aussagen die Grundlage entzogen. Es gibt aggressive judenkritische Texte im Neuen Testament. Das ist klar, weil Judenchristen eben unter Juden gelitten haben. Aber sie entsprechen nicht dem Duktus des durch Jesus Christus begründeten Glaubens.

Impressum http://www.wolfgangfenske.de/

KategorienAllgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert