Mir stellt sich der IS[IS]-Krieg so dar – eine kleine Situationsanalyse:
Die Türkei, Katar und Saudi Arabien wollten den Nicht-Sunniten Assad stürzen. Darum unterstützten sie die Rebellen – und dann natürlich die religiös besonders Aktiven. Die Türkei hatte noch das Interesse, Syrien aus machtpolitischen Gründen auszuschalten, denn die Zeit war günstig, den anderen Konkurrenten, Ägypten, durch die Muslimbrüder ins eigene Schlepptau zu nehmen. Das heißt: Erdogan wäre der große Leader des östlichen Mittelmeers geworden, der alle anderen starken Staaten bezwungen hätte. Die sunnitischen Staaten Saudi Arabien und Katar hatten ein Interesse daran, Assad wegzubekommen, weil er dem schiitischen Iran einen zu großen Einfluss gegeben hatte – erinnert sei an die Hisbollah im Libanon.
Nachdem die Islamisten und die Nichtislamistischen Rebellen Assad nicht stürzen konnten, suchte man das über den Vorwand „Giftgas“ zu machen – und dann natürlich, indem man die USA für die eigenen Interessen einspannte. Obama hätte auch getan, was die Saudis wollten, wäre er nicht – durch wen auch immer (die Weltöffentlichkeit, den Vatikan, seine eigenen Soldaten) daran gehindert worden.
Nun haben sich die islamistischen Rebellen anders als Saudi Arabien (und Katar?) es wollten, verselbstständigt und ein Kalifat ins Leben gerufen, einen islamischen Staat. Nun bekommt Saudi Arabien kalte Füße, denn bei einem der nächsten Mekka-Pilger-Zeiten könnten diese Islamisten auch in Saudi Arabien einsickern und den Regierenden dort das Leben zur Hölle machen. Darum pfiffen die Saudis und die USA kam und liefert nun den Kurden Waffen.
Dass nun die Kurden Waffen bekommen, das dürfte dem mächtigen Leader der Türken, Erdogan gar nicht gefallen, denn das bedeutet, dass die Kurden diese Waffen auch gegen die Türken richten könnten, um ihren eigenen Staat zu errichten. Aus diesem Grund versucht die türkische Regierung auch die Islamisten möglichst reinzuwaschen. Ihre Unterstützung der Islamisten ist auch insofern wichtig, dass sie nun die kämpferischen Kurden im Nordirak binden. Die friedlichen Kurden versucht Erdogan zu umarmen mit dem Ziel, einen Keil zwischen die Kämpfer-Kurden und die Türkei-Kurden zu treiben, damit diese ja nicht auf die Idee kommen, einen eigenen Staat zu fordern.
Wenn sich jetzt die USA, Frankreich und England dazu entschließen, den Kurden Waffen zu liefern, dann dient das den Saudis, nicht den Türken, es findet also eine Auseinandersetzung innerhalb der NATO statt. Das dürfte Erdogan auch insofern nicht gefallen: Sein Ziel ist es, die Turkvölker bis hin nach China wieder zu vereinen. Die Kurden mit ihrem eigenen Gebiet würde diese Einheit stören. Die Armenier auch – denen die Türkei das Land weggenommen hat – aber die sind zurzeit zu schwach, um irgendwie mitmischen zu können.
Dass die USA usw. nun die Kurden auf Geheiß der Saudis unterstützen, unter dem Vorwand: die armen Jesiden, ist daran ersichtlich, dass es den Christen in Syrien und im Nordirak nicht anders ergangen ist als den Jesiden, aber das war diesen Herrschaften vollkommen egal.
Der Irak wird als Irak wahrscheinlich so nicht weiter existieren. Nicht, weil die Kurden nun gegen den Irak kämpfen, um Gebiete zu erobern (wie im Fernsehen fälschlich zu hören). Daran haben sie kein Interesse. Sie haben nur Interesse daran, ihrem eigenen Gebiet Autonomie zu erkämpfen. Das kann natürlich den anderen Irakern nicht gefallen, aber die Sunniten im Nordirak sind ja schon zum Teil mit den Islamisten verbündet, sie werden ihren eigenen Staat beibehalten, denn ich glaube kaum, dass die sunnitischen Stammesherrscher sich wieder von den Islamisten abwenden werden, weil sie nicht dumm sind und verständlicherweise nicht gerne grausamst umgebracht werden. Die Schiiten im Süden werden wahrscheinlich vom Iran übernommen werden, wobei der Iran im Augenblick nach Außen hin sehr ruhig bleiben kann, denn dieser Teil wird ihm irgendwann wie eine reife Frucht in die Hand fallen.
Wir werden es nach langen Kämpfen möglicherweise mit zwei neuen Staaten zu tun bekommen: den kurdischen, bestehend aus dem Kurdengebiet im Irak, in Syrien und in der Türkei, was die iranischen Kurden machen, darüber weiß ich noch nichts. Dann werden wir den ISIS-Staat haben, und hinzu kommt eine Erweiterung des Iran um den Südirak, was freilich Saudi Arabien nicht gefallen dürfte. Da bin ich gespannt, wie das gelöst wird. Der Iran versucht sich ja inzwischen ein wenig beim Westen Liebkind zu machen, was dazu führen wird, dass das Embargo aufgehoben wird. Und dann wird das Land auch militärisch wieder ein attraktiver Gegner für Saudi Arabien sein. Diese Verbindung zwischen Iran und dem Westen wird Saudi Arabien zu verhindern wissen. (Nicht vergessen sei Syrien: Es wird ein Rumpfstaat bleiben, in dem Christen und andere Minderheiten noch Zuflucht finden können. Es sei denn, der Westen unterstützt weiterhin die Islamisten in Syrien (die er im Irak bekämpfen lässt) und schwächt damit Assad, überliefert somit die Minderheiten den Islamisten.
Aber das ist ja nicht das Ende. Die Islamisten werden weiterhin versuchen, Jordanien in die Hand zu bekommen. Vereint mit den Palästinensern werden sie dann Israel weiter traktieren. Erdogan hat ja auch hier schon seine Machtspielchen begonnen, denn ihm kann nicht daran gelegen sein, dass der Iran über Assad/Syrien, Hisbollah/Libanon und Hamas zu gr0ßen Einfluss bekommt. Dass die Muslimbrüder in Ägypten zurzeit massiv unter Druck geraten, ist für die Islamisten schlecht, denn das Ziel wäre dann gewesen, über Ägypten und Libyen einen islamischen Staat zu reanimieren. Dass hierbei Algerien auch irgendwann gefallen wäre, ist klar. Nun zieht sich das mit Ägypte noch noch länger hin. Dazu kommen die Brüder im Geiste, die Al Schabab in Somalia/Südäthiopien und die Boko Haram in Nordnigeria und in anderen Staaten, bis hin zur Zentralfrikanischen Republik, andere in Mali. Diese einzelnen Gruppen kämpfen für einen islamischen Staate – der dann wie ein Mosaik von Algerien bis zum Irak (West-Ost-Achse) bzw. von der Türkei bis hin zu Nord-Kenia (Nord-Süd-Achse) zusammenwachsen würde.
Dieser IS[IS]-Staat ist für die Islamisten äußerst wichtig, weil er die Träume von Islamisten auf aller Welt bündelt. Und so finden sie überall ideologische Anhänger, die diese Sache in ihren jeweiligen Ländern treiben (Großbritannien, Pakistan, Indonesien, Indien, Frankreich, Deutschland, USA usw.) und auch entsprechend Kämpfer in diesen Ländern rekrutieren. Einmal, um den islamischen Staat zu festigen, dann aber auch, um sie zurückzuschicken, um dort den Kampf auf ihre je eigenen Weise aufzunehmen. Vor allem auch dadurch, dass man in den jeweiligen Ländern Einheimische findet, die politisch für die IS[IS] eintreten.
Noch einige Aspekte seien erwähnt:
Zurzeit ist auch die NATO gespalten: Türkei unterstützt Islamisten, westliche Staaten unterstützen Kurden. Wird ihr das gut tun?
Die Anliegen der Türkei und der Islamisten sind natürlich nicht identisch. Aber die Türkei versucht die Islamisten für ihre Sache, die oben dargestellt wurde, einzuspannen, während die Islamisten versuchen, die Türkei für ihre Sache einzuspannen.
Der schiitische Iran wird höllisch aufpassen, dass er nicht von den Sunniten ganz eingekreist wird: Nordirakische Islamisten – und dann die Taliban in Afghanistan.
Die europäischen Staaten werden auf kurz oder Lang sehr vorsichtig agieren, um die jeweiligen muslimischen Gruppen im eigenen Land (Frankreich-Algerier, Benelux-Marokkaner, Deutschland-Türken, Schweden-Somalier, Briten-Pakistani usw.) nicht zu erregen. Das könnte gefährlich werden. Aktiv gehen sie gegen den Extrem-Islam an durch Versuche, den Islam zu disziplinieren (aufgeklärter Islam, christianisierter Islam, Islam-Religionsunterricht usw.). Dass sie auch rigoroser sein müssen gegen Islamisten, wird sogar hier ausgesprochen: http://www.cicero.de/berliner-republik/terrorsympathisanten-europa-der-djihad-bedroht-die-demokratie/58061 Aber das werden SPD und weitere Genossen zu verhindern wissen.
Schlimm ist, dass der Westen und die Russen nicht zusammenarbeiten. Das machte die Islamisten groß. Vor allem, weil der Westen in der Syrien-Frage nicht auf Russland gehört hat, sondern das Interesse der Saudis und Türken vertreten hat.
All diese Gedanken sind freilich nur dann richtig, wenn die Islamisten einander aus ideologischen Gründen nicht gegenseitig bekämpfen werden. Bis dahin werden sie noch eine tiefe Blutspur hinterlassen.
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