Gott und Leiden

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Das Problem dieses Problems besteht darin, dass wir wie bei allen Problemen auf unsere Sprache angewiesen sind. Wir können nur in sprachlichen Kategorien denken – und wir haben unsere Sprache schon weiter getrieben, als zum Beispiel unsere Vorfahren.

Unsere Vorfahren dachten an den Menschen: Der mächtige Mensch ist mächtig – Gott ist mächtiger. Gott ist nicht nur mächtig, sondern er ist auch allmächtig, das heißt, er kann alles tun, was er will.

Das war besonders groß von Gott gedacht. Doch inzwischen fragen wir: Was ist das eigentlich “Allmacht”? Ist Gott so mächtig, dass er einen Stein tragen kann, der schwerer ist, als er ihn tragen kann? Wir haben also das Wort sofort in unsere Kategorien des Verstehens übertragen und lachen oder staunen über die sprachlichen Rätsel und verwechseln sie mit dem rätselhaften Gott. Wenn wir nämlich etwas nicht verstehen oder sprachlich nicht fassen können, muss es an Gott liegen – kann es nicht auch an den Grenzen der Sprache liegen?

Und so versuchen wir Menschen, uns erst einmal an das Wort Allmacht heranzutasten. Ist es ein Wort, das man nicht verstehen kann, ein in sich selbst ruhendes Wort? Beinhaltet es aber nicht, dass es auch andere Macht gibt und mit dieser vergleichbar ist? Ist Allmacht nicht eine Eigenschaft, die sich in allmächtigen Taten zeigen muss? Also von Situationen abhängig ist – und wie diese von einer Zeit, in der sie wirksam ist oder einem Raum oder eben einer Person nach allgemeiner menschlicher Vorstellung, mit Willen… Kann einer, der allmächtig ist, seine Allmacht zurückstellen – und sagen: Jetzt will ich nicht mehr allmächtig sein? Oder kann er sie nur zeitweise zurückstellen – aber ist er dann nicht immer noch allmächtig?

Wie dem auch sei – Gott ist allmächtig heißt eben: Dass Gott allmächtig ist. Gott und allmächtig sind also eine Einheit. Es gibt nichts Vergleichbares.

Und all das lässt sich auch zu den anderen “All-“- Aussagen sagen.

Aber dann haben wir eben ein anderes sprachliches Problem: “Gott”. Nun können wir dieselben Überlegungen anstellen. Was ist Gott? Ein Wort. Was ist ein Wort? Eine Bezeichnung… Muss es das geben, was man benennt? Das fliegende Spagetti-Monster, an das manche Atheisten glauben, gibt es ja auch nicht. Vor allem hat sich das Wort Gott auch erst entwickelt – und damit die Vorstellung von Gott. Wer mehr zur Entwicklung des Wortes erfahren will: http://de.wikipedia.org/wiki/Gott#Indogermanischer_Ursprung 

Das heißt: Die Vorstelllung von Gott entwickelte sich im Laufe der Menschheitsgeschichte. Gott ist der geworden, an den man heute denkt, wenn man das Wort hört.

Steht aber hinter dem Wort “Gott” eine Wirklichkeit? Man kann natürlich sagen: Ja, denn sonst hätten die Menschen dieses Wesen niemals gerufen (“germanische” Herleitung des Wortes Gott), diesem Wesen niemals geopfert (“griechische” Herleitung). Man kann sagen: Es stehen hinter diesem Wort Wirklichkeiten, Erfahrungen, die man nicht fassen kann.

Das Judentum und das Christentum gehören zu den Offenbarungsreligionen. Sie sagen, dass Gott sich im Laufe der Zeit als der offenbart hat, als der er erkannt werden will. Für Christen hat er sich in Jesus Christus offenbart. Das Wort “Gott” wird also bei uns gefüllt mit der Bedeutung, die Juden und Christen dem Wort gegeben haben.

Diese Füllung ist nicht Folge philosophischer Spekulationen sondern Folge von Erlebnis-Deutungen, Erfahrungen. Das versklavte und missbrauchte Israel wurde aus der Macht Ägyptens befreit – das heißt für Israel: Gott ist mächtiger als der Herrscher Pharao – und Gott erwies sich in der Geschichte Israels als einer, der mächtiger ist als andere Völker und deren Herrscher – aber auch mächtig ist, seinem eigenen Volk seinen Willen kundzutun. Christen haben Gottes macht darin gesehen, dass er bereit war, seine Macht in Jesus Christus mit Liebe zu konnotieren: Gott liebt den Menschen – auch wenn sich die Mord- und Erniedrigungslust der Menschen an ihm austobt. Gleichzeitig will er den Menschen auf Wege führen, die den Menschen zu einem besseren Menschen machen.

Doch warum macht er in seiner Allmacht nicht den Menschen zu einem besseren Menschen, verändert dessen Herz und Verstand mit Macht? Juden und Christen glauben, dass Gott dem Menschen Freiheit schenkt – und diese Freiheit bedeutet eben, sich auch gegen Gottes Willen verhalten zu können, das heißt auch: anderen Leid zuzufügen. Mit der Freiheit gehört das Verantwortung-Tragen zusammen. Mit der Geschöpflichkeit des Menschen, seinem Eingebundensein in die gesamte Schöpfung hängt Leiden zusammen. Wir sind Menschen und bleiben Teil der Schöpfung – auch wenn wir uns selbst gerne als allmächtig und allwissend usw. sehen würden.

Nun kann man natürlich ganz viel dagegen einwenden: das ist ein grausamer Gott, der dem Leiden zusehen kann usw. usw. Das kann man alles. Christen können aber erst einmal etwas anderes sehen: Gott will, dass der Mensch Teil hat an dem Tun Gottes zum Wohl der Menschen. Gott fordert in Jesus Christus den Menschen auf: Klage nicht über das Leid, sondern tu etwas dagegen. Und wenn wir das beherzigen, dann haben wir wirklich nicht viel Zeit, über die Theodizeefrage nachzudenken. Sie ist nämlich zu einer Denkaufgabe geworden. Man versucht sein Denken an dieser Aufgabe zu schulen: Alles Mögliche gegen Gott zu erdenken – oder alles Mögliche auszudenken, um Gott zu verteidigen. So eine Art: Denksport von Atheisten und Glaubenden.

Doch im Leiden können wir Menschen unabhängig davon, ob wir jeweils für uns diese Denksportaufgabe gelöst haben, etwas Großes erfahren: Gottes Nähe. Wir können auch anderes erfahren: Wir können Menschen in ihrem großen Leiden Geborgenheit schenken, Trost, Kraft, Hoffnung. Da schweigt dann – zumindest zeitweise – diese Denksportaufgabe und wir Menschen lassen uns dann ganz in Gott hineinsinken.

Dann spüren wir Gott in seiner Allmacht, die Liebe ist, in uns einströmen. Denken ebbt ab, Sprache schweigt, Gottes Liebe ist alles.

Das muss kein Dauerzustand sein. Aber diese Erfahrung überstrahlt die Fragen und die Einsamkeit. Sie ist der Grundton aller Fragen und Klagen.

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