Expedition Afrika 1924-1925

Spannend ist das Buch von Ariane Audouin-Dubreuil: Expedition Afrika. Die legendäre „Expédition Citroën Centre Afrique“ von Algerien nach Madagaskar, 1924/1925, aus dem Französischen von Ilse Rothfuß, Frederking&Thaler, München 2004. Das Buch wurde von der Tochter eines Teilnehmers aus Bildern und Tagebucheinträgen und anderem zusammengestellt. Es zeigt viel von Afrika vor 100 Jahren. Den Schwierigkeiten die die Natur mit sich bringt, Freuden und Hoffnungslosigkeiten. Über Stämme, die einander beherrschen, unterwerfen, verachten, versklaven, stolz sind, helfen, zu überleben versuchen. Von Harems und geblendeten Musikern, damit sie den Herrscher nicht ansehen. Ängste, die Bewohner angesichts der Autos ergreifen. Kinder in Fallgruben als Köder für Panther? Jagden, Naturunterschiede, unterschiedliche Stammessitten, stummes Elend… Afrika vor 100 Jahren – aus der Sicht von Europäern der damaligen Zeit. Im Teil II gibt es Berichte zur Wirtschaft, Gesundheit, Notizen zur Naturwissenschaft (interessant für mich zu erfahren, dass man sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts um Umweltprobleme in Afrika Gedanken machte. Das älteste Reservat: 1895 Hluhluwe-Imfolozi-Park?); ausführlich werden ethnologische Beobachtungen wiedergegeben. Was bemerkenswert ist, weil in unserer Zeit vielfach allgemein von „Afrikanern“ die Rede ist, womit die Vielfalt der Menschen, der Bräuche, Riten usw. missachtet wird. Ich finde eine Bemerkung spannend, dass Menschen aus der Gegend des Tschadsees meinen, dass alles Schlimme (von Unwettern über Krieg und Krankheiten) von bösen Gedanken der Menschen verursacht werden usw. Das hat was Modernes der Klimatisten: Der Mensch ist an allem Schuld, die Natur wird nicht mehr als eigenständige Größe wahrgenommen – freilich heute nicht wegen seiner bösen Gedanken, sondern wegen des bösen Handelns. Aber Schuld ist der Mensch. Auch spielen in diesem Kontext Geister / Ahnen noch eine Rolle – mir ist nicht bekannt, dass das auch bei uns gegenwärtig wichtig ist – Naturgeister? Ich frage mich: Warum tun Menschen sich so viel Schmerzen an? Haut vernarben, Lippen- Ohren- Nasen-Einsätze, Kopfverformungen, Hälse dehnen, Beschneidungen – bei uns auch wieder manches modern.

Es geht auch viel um Kultur, so zum Beispiel der Tuareg, hingewiesen wird auch auf die Tuareg-Dichterin Dacine La Alaal. Wenn wir sie in Wikipedia suchen, finden wir nichts. Anders auf Chatgpt, hier wird gesagt, dass sie den Berbern zugehörig war und ihre Dichtung in der poetischen Tradition der Tuareg Eingang gefunden habe. (1) Gemini belehrt uns, was es gerne macht – mir aber nicht gefällt, dass wir über sie nichts wissen, dass aber Frauen in der Tuareg Dichtung wichtig gewesen sind. Solche Belehrungen finden wir ständig, dabei geht es um eine ganz konkrete Frage. Auch von einer Tuareg Frau, Targia, die Dichterin ist, mit Namen Chékou, erfahren wir. Um Tanzparodien auf alte Opferhandlungen. Und ich erfahre, wie wenig wir in unserem Internet von diesen Welten erfahren. Es wird Zeit, Afrika mehr Bedeutung zukommen zu lassen.

Ein arabisches Reiterspiel hat im Gesang den Refrain: „Es lebe der Krieg! – Es lebe die Liebe!“ Das weist mich darauf hin, dass zu vielen Zeiten der Krieg einen anderen Stellenwert hatte und hat als in unserer Zeit. Krieg diente zum Beispiel der Aufrechterhaltung der Ordnung gegen das Chaos. Der Kampf gegen Kriege ist auch in Europa immer wieder zu erkennen. Die Kriege, die die Europäer gegeneinander geführt haben, ließen sie immer bessere Waffen entwickeln, machten sie letztlich stark, einen großen Teil der Welt zu unterwerfen. Nun wurden die West-Europäer als Besatzungsmacht fast überall hinausgedrängt und mögen Krieg nicht mehr. Natürlich nicht alle, wie wir sehen können. Aber ich vermute fast: Krieg hat für viele – für die Meisten? – immer noch einen anderen Stellenwert als für viele von uns.

(1) Chatgpt gibt sogar ein eigenes Gedicht wieder: „eine kreative Darstellung, die typische Motive und Stilmittel der Tuareg-Dichtung widerspiegelt“.

„Ich liebe die Wüste, die weite, leere Wüste,
Wo der Wind singt und die Sterne funkeln.
Mein Herz ist frei wie der Sand,
Der unter den Hufen meines Kamels fließt.“

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In diesem Band finden wir auch ein Zitat von Pierre Loti (1850-1923): „Wie banal und traurig die Welt sein wird, wenn wir sie überall gleich gemacht haben.“

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