Fortsetzung von: https://blog.wolfgangfenske.de/2024/10/17/ada-negri/ und https://blog.wolfgangfenske.de/2024/10/19/ada-negri-2/
Die Gedichte in Dal Profondo, 1910 (1) sind voller übersprudelndes Leben mit seinen schlimmen Tiefen, dem einfachen Leben in Armut, den Gewalttaten an Menschen, dem Leben mit seinen Wünschen, Träumen und Tränen, Erlebnissen, Verführungen und Stolz, Mitleid. Ada Negri beschreibt Frauen – ihre Mutter -, Sozialrevolutionäre (Maria Spiridonowa) und die, die sich in Hingabe für Kranke einsetzen (Maria Giovanna), Frauen, die in jungen Jahren das Leben verlassen, Prinzessinnen der Straße („piccola principessa della strada“) und der Vorstadt, alte Frauen, die ihrem Leben hinterherträumen, Kinder, die das Leben vor sich haben, mit großen Augen vom Leben träumen, Kinder, die schon sehr viel erlitten haben… Also Menschen in verschiedenen Härten des Lebens. Kurz: «Nova maraviglia / sempre, la vita, e dolce a chi l’intende!» („Neues Wunder / Immer ist das Leben süß für diejenigen, die es verstehen!») Und während sie das sagt, wird ihr übel. Also in dieser Spannung, Wunder des Lebens – und Traumata des Lebens, schreibt sie die Gedichte. Das vielfältige Leben der Menschen beschreibt sie zum Beispiel auch in „Io / Ich“.
Das Leben soll, so heißt es in „Il Silenzio“ genossen werden: „Fühlst du nicht diese Flügel in deinem Herzen / schlagend, verrückt vor Blau?… fühlst du es nicht / dass du frei bist / wie die Schwalbe des Herrn, / und dass Gott dich nur zur Freude gab / Deine Seele voller Strahlen, brennend / von Träumen, offen für jeden reinen Glauben?“ Die angesprochene Person fühlt nicht, und so heißt es weiter: „Du verschließt dich und liebst tief im Inneren dein Martyrium. / und du berührst es mit deiner Schönheit.“
In vielen Variationen begegnet diese Spannung zwischen Wunder des Lebens und schlimmen Zeiten. So schreibt sie: „Die Seele tropft aus den Adern / der Stein saugt sie kalt auf.“ („Vanni e Vanna“) In dem Gedicht vorher aber heißt es, dass der Mensch dem nicht ausgeliefert ist, denn: „Mach dir jeden Tag etwas Schönes, / müde Seele, und singe, solange du eine Stimme hast!… („Giorno de Fiesta“). Sie besingt die Schwester Nazarena („Suor Nazarena“), zu der sie geht, um ihr Herz auszuschütten – aber in der Gelassenheit der Schwester, „sie war unbekümmert und heilig vor Gott“, verschwindet alles, was sie beschwerte. Die Last des Lebens fiel wie faule Frucht.
Das Leben ist ein Wechsel. Nach einer Phase der Traurigkeit schreibt sie: „Jetzt denke ich darüber nach, friedlich zu leben: / Wiege den Rhythmus meines Blutes im Rhythmus / von den Stunden auf der Erde, von den Sternen am Himmel: / Fleisch bin ich, das zu Licht und Luft wird, / reines Element der Ewigkeit. („Ora Piena“). Menschsein (Fleisch) wird transformiert. Es muss nicht bleiben, was es ist. Es wird aus einem sterblichen Element ein Element der Ewigkeit.
Diesen Wechsel hat sie schon als Kind erlebt. Sie bittet ihre Mutter („Il Segno della Croce“), als sie im Bettchen lag: „-Ich bin müde. Mach mir das Zeichen des Kreuzes, / Mutter. – „Im Namen des Vaters, des Sohnes, / des Heiligen Geistes.—»“ Die Mutter machte das Zeichen des Kreuzes, das Kind schläft ein. Das Kind ist beruhigt. Die Mutter selbst aber beginnt zu weinen. Dieses Gedicht zeigt auch das, was in dem vorangegangenen Gedicht ausgesprochen wird: „Gott hat mir meine kleinen Hände geschenkt / damit sie den Trauernden süß wären: / denn mit sanften, langsamen Gesten, / mildern sie die Ängste vergeblicher Krämpfe.“ („La Pietà“) Der Mensch selbst ist verwundet – kann aber im Glauben stärken.
In „Dal Profondo“ werden Welt und Berufe geschildert und das Gedicht endet mit der Strophe: „Und die Sonne über uns, in uns, großartiger / Gnadengeber, der durch reinen Glanz erstrahlt: (deepl: der durch die Reinen leuchtet) / und wenn uns Freude aus der Tiefe trifft, / Lass die Welt klein sein für meinen Lobgesang.“ (E il Sol su noi, dentro di noi, magnifico / dator di grazia, che pei Puri sfolgori: / e se gioja ne investa dal profondo, / piccolo sia pel mio peana il mondo.) „De profundis“ – eine alte liturgische Tradition, die Worte von Psalm 130 aufgreift: Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, Herr… – ein Totengebet. Psalm 130 endet voller Hoffnung. Das Gedicht von Ada Negri endet mit dem Blick auf Lobgesang, das über die kleine Welt hinaus in die Herrlichkeit Gottes, so verstehe ich es, geht.
(1) (https://dev.gutenberg.org/cache/epub/36060/pg36060-images.html – die folgenden Gedichte sind eigene Ü. mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen, bevorzugt deepl.com)
Fortsetzung folgt.
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