Gleichzeitigkeits- und Erinnerungsfeste

Religiöse Feiertage – Gleichzeitigkeitsfeste

Ein Blick zurück in die Kirchengeschichte:

Gleichzeitigkeitsfest Karfreitag: Jesus starb nicht nur in der Vergangenheit für uns – sondern sein Sterben wird im Akt der Erinnerung zur Gegenwart. Es wird das Sterben Jesu in die Gegenwart gebeamt bzw. die Gegenwart in die Vergangenheit des Kreuzestodes Jesu. Gleichzeitigkeit: Was damals stattfand – findet durch alle Zeiten hindurch immer wieder so auch jetzt statt. Es sei an das Abendmahl erinnert, an die Kunstwerke, die das Sterben Jesu vor Augen malen, „realisieren“. Diese Gleichzeitigkeit an Karfreitag war es, die für Juden gefährlich wurde, vor allem auch wegen der Karfreitags-„Theaterspiele“, weil manche Christen vollkommen unchristlich – und es ist eine Schande – gegen Juden vorgegangen sind.

Gleichzeitgkeitsfest Weihnachten: Gott schenkte sich dem Menschen, das Jesuskind wird beschenkt – darum beschenken wir gleichzeitig einander; Gott schenkt Gemeinschaft, Liebe – wir feiern Gemeinschaft, gleichzeitig mit der Engelbotschaft vom Frieden auf Erden beschenken wir uns mit friedlicher Gemeinschaft.

Gleichzeitigkeitsfest Ostern: Aus christlicher Tradition ist auch das Ostergärtchen bekannt – kleine Moosgestecke mit Blumen usw. in „Nachbildung“ des Auferstehungs-Gartens Gethsemane (*) bzw. Ostergottesdienste beginnen im Dunkel – der Jubel im anbrechenden Sonnenlicht – gleichzeitig mit der Auferstehung Jesu – diese wird vergegenwärtigt: Jetzt ist das Licht Gottes da. Ostern – Eastern – East – Osten: Wärme, Licht, Frühling.

Pfingsten hat weniger durchschlagenden Erfolg in der Gegenwart – „Gleichzeitgkeit“ ist nicht mehr gegeben, von daher wissen nur wenige, was Pfingsten eigentlich bedeutet. (Es gab Pfingstfeuer, in manchen Kirchen wurde eine Kunstwerk-Taube von der Decke herabgelassen, Tauben wurden freigelassen, ein Bad im Bach [Erneuerung der Taufe]….) Vielleicht ist in charismatischen Kirchen das Pfingstfest hervorgehoben. Da bin ich überfragt, lass mich – nicht nur hier – gerne belehren. (Nachtrag: Pfingsten zum Gleichzeitigkeitsfest machen: Pfingsten als Tag der Diakonie/Caritas, der christlichen Redekunst [Predigten], Tag der christlichen Kunst: Musik, Gemälde, Bildhauer… – Tage der offenen Tür und des gemeinsamen Handelns.)

Gleichzeitigkeitsfeste in säkularer Umdeutung

Weil die Gleichzeitigkeit mit Blick auf Karfreitag heute nicht mehr vorhanden ist, sondern Karfreitag weitgehend ein Erinnerungsfest – Gedenken des Todes Jesu – geworden ist, ist es für viele nichtssagend geworden. Weihnachten und Ostern – sind „Gleichzeitigkeitsfeste“ geblieben – obgleich der religiöse Aspekt wegfällt. Diese werden weitgehend allgemein akzeptiert, weil Kinder gleichzeitig mit dem Jesuskind beschenkt werden, ob Menschen an Christus glauben oder nicht; bzw. Gott wurde Mensch, suchte die Gemeinschaft mit Menschen, Ausdruck der Liebe – und es wird säkular weitergeführt: Familienfest usw. Ostern: weil die Auferstehung gleichzeitig ein Frühlingsfest geworden ist und mich etwas angeht, mir nachvollziehbar wird, hat das Fest auch noch Bedeutung. Mit Blick auf Karfreitag: Gleichzeitigkeitsfest – als Tag, der mein eigenes Leiden und Sterben in Erinnerung ruft? Das heißt: Wenn ich Jesus am Kreuz sehe, sehe ich gleichzeitig mein eigenes Leiden und das kommende Sterben. Aber davor scheuen in unserer europäischen Gegenwart einige eher zurück. Das wäre wieder ein eigenes Thema: der Umgang mit Sterben und Tod in unserer Kultur. Lieber Party… Und der Bußtag wurde ja auch abgeschafft. Buße ist nichts für den hochgemuten modernen Menschen. (Und dabei haben sehr viele Menschen Sehnsucht nach Vergebung, weil sie mit ihrem Leben und Handeln nicht klarkommen.)

Nichtreligiöse Feiertage – Erinnerungsfeste

Grundsätzlich: Religiöse Feste spiegeln Grundbedürfnisse der Menschen wider: Feier, gemeinschaftliche Trauer, Buße, Ausgelassenheit, Geschenke, sie dienen dem Zusammenhalt einer Gesellschaft. Sie fördern Gemeinschaften unterschiedlicher Art. Können Feiertage alte Feiertage einfach so abgeschafft werden und neue einfach so eingerichtet werden, auch dann, wenn es eine zeitgemäße Mehrheitsmeinung dafür gäbe?

An nicht-religiösen Feiertagen haben wir nur den 1. Mai (Tag der Arbeit) und den 3. Oktober (Tag der Deutschen Einheit). Rosemontag hat religiöse Züge gehabt, ist vom jüdischen Purimfest herzuleiten (die in etwa vergleichbaren römischen Saturnalien – Gottheit: Saturn – fanden im Dezember statt). Der Aschermittwoch zeigt eben auch die religiösen Bezüge an. Der 1.1. (Neujahr) ist auch kein christlicher Feiertag, wenn er auch von einem Papst festgelegt wurde und die Silvester-Nacht den Namen von einem Papst trägt.

Umprägungen christlicher Feste fanden zu allen ideologischen Zeiten statt (Nationalsozialismus, Kommunismus).

Heute wird angedacht, den 8. Mai (Befreiung Deutschlands vom Faschismus) und den 23. Mai (Tag der Verkündigung des Grundgesetzes) einzuführen. 27.1.: Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus; 9.11.: Reichspogromnacht, Mauerfall. Manche wollen auch den Darwintag (12.2.) einführen. Diese Überlegungen werden wohl kaum andauernde Relevanz haben, weil sie eher auf Ereignisse des 20. Jahrhunderts zurückgehen, damit geschichtlich immer stärker in den Hintergrund treten. Es sind keine Gleichzeitigkeitsfeste, nur Erinnerungsfeste. Es sind reine Erinnerungstage. Ausnahme wäre der Tag des Weltfriedens (1.9.), Tag der Menschenrechte (10.12.). Aber diese müssten dann zu besonderen Feiertagen mit Symbolen oder Handlungen (keine Reden) aufgewertet werden. Statt Darwintag – ein Umwelt/Naturtag/Schöpfungstag im Mai/Juni – das wäre sicher gut machbar – in der Tradition der Wandervögel: Aus grauer Städte Mauern ziehn wir durch Wald und Feld – in Aufnahme der Fronleichnamsprozession… 

Natürlich: zusätzlich zu den christlichen Feiertagen, versteht sich von selbst, dass ich arbeitnehmerfreundlich bin.

Störende Feiertage – animal rationale und emotionale

Was ich gegenwärtig auch beobachten kann, dass manche Menschen keine Lust auf besondere Feiertage haben. Sie schmücken die Wohnung nicht mehr, ärgern sich darüber, dass sie nicht einkaufen gehen können. Sie ärgern sich, wenn andere an den Feiertagen dies und das machen (Silvesterknaller, mit dem Auto rausfahren ins Grüne, Tannenbäume kaufen, Geschenke kaufen – die nicht unbedingt von moralisch sittlichem Ernst und von Nachhaltigkeit und Energie-Ersparnis zeugen, stören sich an Adventsbeleuchtungen und Kerzenruß, ärgern sich über die, die Alkohol trinken, kräftig essen – und dieses und jenes stört manchen Menschen der Gegenwart. Manche Menschen fühlen sich auch erhabener, wenn sie die Ausgelassenheiten anderer nicht mitmachen: Ich bin nicht so wie die da. Kreischen vor Lachen, weinselig mit hochrotem Kopf, Witze herumlabern… – und betonen nur das an den Festen, was sie als negativ ansehen). Aber ich denke, das dürften (noch) die Ausnahmen sein.

Der Mensch ist nicht nur ein animal rationale – das würde ihn verkümmern, versteifen, verengen lassen. Er ist auch ein animal emotionale – Emotion bringt die Ratio erst in Schwung! Auch als Zoon politikon ist er nicht nur ein politisch denkendes Wesen in äußerst engem Sinn, sondern ein soziales Wesen in seiner vielfältigen sozialen Ausdruckskraft. Dazu gehört auch das äußerst komplexe Miteinander im Kontext von Feierlichkeiten. (Januar 2022)

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