
Mose sagt zu Josua, dass er wolle, dass alle Menschen des Volkes weissagen könnten, dass Gott über allen den Geist ausgießen würde (4 Mose / Numeri 11,29).
Dieser Wunsch wurde zu einer Verheißung: Joel 3 – und dann von der frühen Gemeinde als realisiert erkannt: Apostelgeschichte 2.
In Joel 3 wird verheißen, dass Gott über alle den Geist ausgießen werde, Kinder und Alte weissagen bzw. haben prophetische Träume / Visionen. Auch über Knechte und Mägde werde der Geist ausgegossen. (Es geht nicht um die Hellmut Schmidt´sche Ablehnung von Visionen, sondern um Visionen, die Gott selbst Menschen gibt, damit die Welt besser wird.) In Apostelgeschichte 2 wird diese Verheißung als realisiert angesehen, denn normale Leute, wie die Jünger von Jesus Christus es waren, begannen im Geist Gottes zu reden und ein neues Leben zu leben, einen neuen Wind in die Gesellschaft zu bringen. Nicht die Elite lässt erkennen, dass sie den Geist Gottes bekommen hat, sondern die gesamte Gemeinde Jesu Christi lebt und wirkt im Geist Gottes. Menschen jeglichen Berufes, auch Sklaven und Sklavinnen, können im Geist Gottes leben, Juden wie Heiden. Paulus verbindet in Römer 5 den über die Glaubenden ausgegossenen Geist mit der Liebe Gottes: „Die Hoffnung lässt nicht zuschanden werden, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Der Geist Gottes ist keine Augenblicksgabe, sondern beständig: Wer den Geist Christi hat, gehört zu Christus (vgl. Röm 8; in diesem Kontext spielt auch 1. Korinther 12-14 eine große Rolle). Hierin begründet liegt unter anderem auch die Vorstellung vom „Priestertum aller Gläubigen“ was Luther wichtig war. Auch wenn dann die Amts-Arroganz in der protestantischen Kirche wieder Fuß fassen konnte. Diese wurde durch Philosophen unterlaufen: Nicht die religiösen Experten (Theologen) wissen Richtiges über Gott, sondern wir Philosophen. Wodurch sich dann wieder eine neue Experten-Kaste selbst aus der Taufe hob. Inzwischen meinen wieder andere „Experten“, über den Glauben besser Bescheid zu wissen als die Glaubenden.
Der Geist Gottes hierarchisiert nicht. Das heißt aus meiner Sicht nicht, dass Hierarchien nicht vom Geist Gottes gebildet werden können. Sie entstanden bekanntlich besonders ab dem 2. Jahrhundert, um Wildwuchs in der Kirche zu bekämpfen – freilich sind Hierarchien nicht davor gefeit, selbst dem Wildwuchs zu verfallen. Wenn Hierarchien aus sich heraus beginnen totalitär aufzutreten und Unterordnung verlangen, anstatt Autorität im Geist Gottes zu sein, dann haben sie sich vom Geist Gottes entfernt.
Hierarchien sind, wenn es aus christlicher Sicht richtig läuft, Teil des Geistwirkens und stehen nicht über diesen.
Hierin liegt – aus meiner Perspektive – auch eine grundlegende Begründung der Demokratie. Wir leiten sie von den Griechen ab usw. Aber im Untergrund spielt sie in der Gemeinde mit diesen wichtigen Bibeltexten eine große Rolle. Und da die Kirchen im Mittelalter bzw. früher Neuzeit sehr dominant waren, war das auch ein Unterton in der Kirche, der nie verstummte, wenn auch die Elite vielfach versuchte, diesen zum Verstummen zu bringen bzw. sich arrogant darüber hinwegsetzte. Zudem ist diese Sicht eine Entsakralisierung der Macht, alle leben in wechselseitigen Abhängigkeiten. Und wenn Paulus auf die Liebe hinweist, dann spielt auch Verantwortung des Einzelnen eine Rolle, nicht Rechthaberei, auch nicht die aus der vermeintlichen besonderen Gabe des Geistes Gottes, die ein Individuum für sich propagiert. Demokratische Ausformungen (auch wenn in der Apostelgeschichte schon von Diskussion und Abstimmung die Rede ist [Apg 15 und 6; vgl. 2. Korinther 8:19: von der Gemeinde gewählt…]) finden wir in diesen Worten nicht. Aber sie bereiten die Gesinnung für eine solche vor. Anzumerken ist, dass es in grundlegenden Fragen nicht um eine lapidare Mehrheitsentscheidung geht, es geht um eine Entscheidung „im Geist Gottes“. Die Kirche (Ekklesia / Versammlung derer, die von Christus zusammengerufen wurde) entscheidet gemeinschaftlich, sie ist eine Verantwortungsgemeinschaft.
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Das ist wie mit der Frage nach der Würde des Menschen. Wenn sie liturgisch thematisiert wird, sich einbrennt, dann muss die Realisierung noch nicht erkennbar sein, aber der Weg zur Realisierung ist dadurch erkennbar, dass sie sich als Sehnsucht in Menschen einbrennt: Die lateinische Liturgie kennt wohl seit dem 4. Jahrhundert dieses Wort, von dem Petrarca ausgeht: Deus, qui humanae substantiae dignitatem mirabiliter condidisti et mirabilius reformasti, da nobis eius divinitatis esse consortes, qui humanitatis nostrae fieri dignatus est particeps, Jesus Christus, Filius tuus, Dominus noster. (O Gott, der die Würde der menschlichen Natur wunderbar geschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt hast, gewähre uns, dass wir an der Göttlichkeit dessen teilhaben, der sich für würdig gehalten hat, unsere Menschheit anzunehmen. Jesus Christus, Dein Sohn, unser Herr.) Das bedeutet, dass die Würde des Menschen (nicht der Vernunft allein, sondern der Natur des Menschen insgesamt) in der Erschaffung des Menschen durch Gott begründet ist und in der Menschwerdung Jesu Christi mit Ziel göttlicher Würde erneuert wurde. https://mini.evangelische-religion.de/wuerde-pp-lernkarten/
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Und so ist es auch mit der biblischen Grundlage der Demokratie. Von daher: geistlose Reden von Demokratie können zu antidemokratischer Gesinnung, auch im Namen der Demokratie, führen.
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Eigentlich ist das ein Pfingstthema. Bedeutung des Geistes Gottes somit auch des Gewissens für die Demokratie. Aber mir kamen die Gedanken jetzt, zu Weihnachten: Weihnachten – Ostern – Pfingsten gehören zusammen.
