Abraham und die Opferung von Isaak – das ist ein religionsgeschichtlich sehr interessantes Ereignis: Gott befiehlt dem Abraham, seinen Sohn Isaak zu schlachten. Damit wird aufgegriffen, was vielerorts üblich war: Die Götter verlangen die Opferung des Erstgeborenen. Abraham will das auch tun, denn er vertraute (dem traditionellen) Gott. Nun aber, bevor Abraham den Isaak opfern konnte, sandte Gott einen Widder, der an Stelle von Isaak geopfert werden sollte. Dann hat Abraham den Widder geschlachtet, nicht seinen Sohn. Das heißt: Tieropfer löst – und das ist Gottes Wille! – Menschenopfer ab. Es gilt nicht mehr die traditionelle Sicht der Heiden, sondern die neue Sicht des Gottes Abrahams. Die jüdische Geschichte geht weiter: Das Tieropfer tritt angesichts eines reinen Herzens hier und da immer stärker zurück (natürlich nicht am Tempel, sondern im Geist): Gott will ein reines Herz, will Barmherzigkeit, keine Tieropfer (Hosea). Glaube ist Prozess.
Und so haben Christen – der Apostel Paulus beschreibt es – den Glauben/das Vertrauen des Abraham hervorgehoben, während später der Islam wieder das Tieropfer betonte. Der christliche Gott will keine Tieropfer, denn er hat sich in Jesus Christus selbst den Menschen geopfert. Und so sind die Einsetzungsworte beim Abendmahl, die Jesus spricht, eine Umkehr der Tieropferworte, die in der heidnischen Antike der Mensch den Göttern zugebetet hat.
Und nun hat der Islam eine Besonderheit: Nicht Isaak soll geopfert werden wie es im Alten Testament steht, sondern Ismail/Ismael. Also der „uneheliche“ Sohn des Abraham. Denn der uneheliche Sohn war der Erstgeborene. Wie kommt Mohammed dazu zu sagen, dass Ismail und nicht Ishaq geopfert werden sollte? Hat Mohammed sich verhört? Hat Allah, der es doch wissen sollte, beide irgendwie verwechselt, als er das Mohammed gesagt hat? Nein, so Mohammeds Intention: Die Juden und Christen haben die Bibel verfälscht – und er weiß es eben durch Allah richtig. Aber alles stimmt nicht, denn Koran Sure 37,99-113 heißt es nicht, dass Ismail sterben werde, sondern Abraham spricht nur von „Sohn“. Und dann haben also Muslime den Namen Ismail hineingelesen. (*)
Das ist nicht nur kurios, sondern theologisch auch relevant. Denn in der traditionellen christlichen Typologie weist die Opferung Isaaks schon auf das Sterben Jesu hin. Jesus ist der geliebte Sohn Gottes (Johannes 3), gehorsam wie Isaak geht er seinen Opferweg (Philipper 2), Isaak so die Tradition, sollte auf dem Berg Moria geopfert werden – auf dem später Jerusalem gebaut wurde, Jesus starb auf diesem Berg. Gott selbst sorgt für das Opfer – bei Abraham den Widder, im christlichen Glauben gab er sich selbst in Jesus Christus, der Widder stirbt als Ersatz für Isaak, Christus stirbt als Ersatz für die Sünden der Menschen.
Diese Geschichte der Opferung Isaaks (Akedah) hatte schon im Judentum eine Art typologische Bedeutung. Im Christentum beginnt das Nachdenken darüber im Hebräerbrief 11,17-19 und indirekt natürlich in Johannes 3,16. Justin sah im 2. Jh.n.Chr. das Tragen des Opferholzes durch Isaak das Tragen des Kreuzes durch Jesus typologisch vorgebildet, Irenäus (2. Jh.) sah darüber hinaus den Gehorsam Isaaks/Jesu, besonders intensiv legte dann jedoch Origenes (3.Jh.) die Stelle typologisch aus – also alle lebten ca. 300 Jahre vor Mohammed bzw. der muslimischen Auslegung.
Wenn nun Ismail anstatt von Isaak sterben sollte, dann funktioniert die Typologie nicht mehr – Muslime, nicht Mohammed, haben also den Christen diese Vorschattierung, diesen Vorblick auf das kommende Ereignis weggenommen.
Ismail war derjenige der Söhne Abrahams, der gezeugt wurde, weil Abraham nicht so recht warten konnte. Doch auch er wurde als Zeichen des Bundes beschnitten, wie alle männlichen Wesen im Machtbereich des Patriarchen Abraham, aber der Bund gilt besonders mit Isaak, der mit Abrahams Glauben und Vertrauen verbunden wurde, und seinen Nachkommen. Zudem wurde übrigens dem Ismael, der als Stammvater der Araber gilt, auch prognostiziert, er würde Stammvater eines großen Volkes werden. Und so lautet die Prophezeiung über Ismail (Genesis 6,12):
Er wird ein Mann wie ein Wildesel sein;
seine Hand gegen jeden gerichtet,
jedes Hand gegen ihn gerichtet,
er wird allen seinen Brüdern trotzig gegenüberstehen.
Kurz: die Ismail-Geschichte ist ein Teil des Trotzes gegen die Brüder, weil sie die biblische Geschichte konterkariert. Und weil entsprechend Jesus Christus sich nicht als Opfer hingegeben hat für die Sünde der Menschen, nach muslimischer Lesart, haben sie eben das Tieropfer nicht abgeschafft. Somit feiern sie Eid al-Adha / Opferfest. Im christlichen Glauben wurden Opfer abgeschafft – im muslimischen Verständnis also nicht. Das heißt, es ist eine spannende Geschichte, mit weitreichenden Folgen, die mit Isaak und Ismael verbunden wird, mit Ishaq und Ismail.
(*) Allerdings verortet der Koran Sure 2,127 Abraham mit Ismail in Mekka, dort haben sie gemeinsam die Kaaba gebaut. Das heißt, dass Mohammed die Lesart „Sohn“ = „Ismail“ intendiert haben könnte.
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