Sie wollte Sängerin werden, wurde aber aufgrund von Stimmverlust eine Malerin, weil sie etwas Bleibendes schaffen wollte, etwas, das Ruhm brachte. Sie lebte von ca. 1860-1884. Geboren im Russischen Kaiserreich – heute Teil der Ukraine, lebte in Paris und ist dort auch jung gestorben, sie war lange krank, hatte Tuberkulose. Sie starb im selben Jahr, in dem auch der von ihr bewunderte (und geliebte?) Maler Jules Bastien-Lepage gestorben ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Jules_Bastien-Lepage [*]). Angeblich starb sie leise singend.
Ich lese zurzeit ihr Tagebuch, das nach ihrem Sterben von der Mutter publiziert wurde und eine große Wirkung entfachte. (Tagebuch der Maria Bashkirtseff. Aus dem Französischen von Lothar Schmidt, neu hg. v. und mit Nachwort versehen von Gottfried M. Daiber, Ullstein 1983.) In diesem Tagebuch beschreibt sie im Grunde das, was sie im Alltag so macht, schreibt über Kunst usw. – und auch über die, die sie um ihres Erfolges Willen beneidete: Louise-Cathérine Breslau (https://de.wikipedia.org/wiki/Louise-Cath%C3%A9rine_Breslau). Vieles schrieb sie unter dem Vorzeichen ihrer Krankheit und der Ahnung des Todes – und davon, dass ihr einziges Streben ist: berühmt zu werden. Auch die Theodizeefrage beschäftigt sie – Gott ist, aber ihr Glaube bleibt ambivalent. Denn Gott ist der, der ihrer Sehnsucht nach Ruhm, ihrer Überspanntheit mit der Krankheit die Grenze setzt. Gott setzt die Grenze – soll ihre Ruhmsucht die Grenze, die Gott setzt, aufbrechen: Ruhm bei Menschen statt bei Gott? Gott will ihren Tod – sie will ewiges Leben durch die Kunst. Soweit ich erkenne, ist sie dem Genie-Kult dieser Zeit erlegen. Sie will ein Genie sein – merkt, sie ist keins.
Durch ihre Bilder war sie auch Kunstinteressierten bekannt. Berühmt wurde sie später auch, allerdings hat sie es nicht mehr mitbekommen und wohl anders, als sie es sich gedacht hatte durch eben das Tagebuch. In diesem gibt sie immer mal wieder Beschreibungen ihres Umfeldes. So schreibt sie am 7.11.1882: „Das Theater ist leer, und man hat einen horror vor allem, was nur den Schimmer einer Ähnlichkeit mit einem intelligenten Zeitvertreib haben könnte.“ Oder am 23.12.1883 schreibt sie: „die vornehmtuende Banalität in Verbindung mit Mangel an Geist bringen mich schier um.“ Gleichzeitig merkt sie aber selbst, dass sie bei vielem nicht mitreden kann, weil sie keine Ahnung hat.
Das finde ich spannend an dem Tagebuch, dieses Schwanken, dieses Urteilen und gleichzeitig diese Zurücknahme, die klare Erkenntnis, der Versuch, sich als besondere Frau wahrzunehmen, als eine, die anders ist als die anderen, aber manchmal doch so sein will. Sie will lieben, weiß aber irgendwie nicht, was das ist. Sie will einen Partner, aber erkennt ihre großen unrealistischen Ansprüche. Sie bläht sich auf – meint, sie sei ein Nichts. Eine spannende junge Frau zwischen emotionalen Extremen.
Ein Satz, den sie am 6.9.1874 geschrieben hat, begegnet wieder 11.3.1884: „Alles in meinem Leben gefällt mir, ich finde alle angenehm und, wenn mich auch nach Glück verlangt, so fühle ich mich doch glücklich im Unglück. Mein Körper weint und lacht, aber etwas ist in mir, das über mich selbst erhaben ist und sich allezeit des Lebens freut.„
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Witzig finde ich – was heute unmöglich wäre – ihre Darstellung von Manet, der als Genie sich an manches Gemälde von anderen Künstlern angelehnt hat – und Molière, der Seiten Wort für Wort von anderen „entlehnte“ (5.1.1884). Künstler leben auch von den Inspirationen durch andere. Heute will man das nicht wahrhaben und schreit sofort: Copyright!
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Ein paar ihrer Bilder können hier gesehen werden: https://www.google.com/search?q=maria+bashkirtseff
[*] Das Bild Jeanne d´Arc findet sie besonders gut. Ein spannendes Bild: https://en.wikipedia.org/wiki/Joan_of_Arc_(painting)
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