Es ist rückblickend interessant, was ich in jedem Jahr zum Tag der Deutschen Einheit schrieb, weil es die Stimmungen der Jahre wiedergegeben hat.
Heute möchte ich das wiedergeben, was ich im Jahr 2012 geschrieben habe. Unverändert:
Ich wünsche mir ein Land, dessen System der Subsidiarität und Solidarität verpflichtet ist, also ein Land, in dem der Einzelne mit eigener Kraft sein Leben so gestalten kann, wie er es will, wie er es mit Blick auf die Gemeinschaft verantworten kann – und die Gemeinschaft ihn in Notlagen der vielfältigsten Art unterstützt.
Ich wünsche mir ein Land, in dem jeder an seinem Platz, an dem er in der Gesellschaft steht, um Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Mut, Dankbarkeit, Maßhalten, Bescheidenheit, Freiheit, Vergebung und Neuanfang besorgt ist, dass diese Grundlagen des Miteinanders sein Leben bestimmen. Das gilt nicht nur für Politiker, Journalisten, Kulturschaffende, Manager, sondern für jeden Einzelnen in den Betrieben, den Büros, den Ausbildungsstätten und Familien.
Ich wünsche mir ein Land, in dem jeder seine Stärken einbringen kann in Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft, Sport, Politik, Medien, Beruf, Umwelt – und diese Stärken auch Beachtung finden, ich wünsche mir Menschen in diesem Land, die nicht darauf warten, dass man sie beachtet, sondern dass sie lernen, andere zu beachten, zu stärken, hervorzuheben.
Ich wünsche mir ein Land, in dem keiner ausgeschlossen wird, auch keiner, dem sein Leben aufgrund falscher Entscheidungen, körperlichen und psychischen Krankheiten, aufgrund von Drogensucht und Schwäche entgleitet, ein Land, in dem auch Sonderlinge ihren Freiraum bekommen, ein Land, in dem niemand unter Einsamkeit und Zurücksetzung leiden muss, sondern sich die Familie, die Nachbarn, die Gruppen um ihn kümmern – soweit er es selbst möchte.
Ich wünsche mir ein Land, in dem man immer stärker versucht, Recht und Gerechtigkeit zusammenzubringen, dass Ungleichheit vor dem Gesetz ein Fremdwort ist, dass ideologische Rechtsprechung welcher Couleur auch immer in Gerichtsräumen keinen Zutritt hat. Ein Land, in dem Menschen sich bewusst sind, welch große Bedeutung ein rechtlich geregeltes Zusammenleben hat, ein Land, in dem Menschen, die die Lücken des Rechts nicht zu ihrem unrechten Vorteil nützen. Ein Land, in dem international aufgestellte Konzerne das Recht und Menschenrecht achten und nicht je nach Rechtsprechung anderer Länder den Unrechtsweg gehen.
Ich wünsche mir ein Land, das Menschen aus anderen Ländern aufnimmt, wenn diese politische, religiöse Verfolgung leiden. Die Aufgenommenen bekommen Unterstützung in Form von Paten, die ihnen die Gesetze und Gepflogenheiten des Landes nahe bringen und ihnen helfen, in diesem fremden Land Fuß zu fassen. Die Menschen meines Landes kennen ihre eigene Kultur, Tradition – und bleiben neugierig mit Blick auf andere Kulturen, andere Bräuche und lassen den Fremden in der Ausübung ihrer Tradition so weit Raum, so weit es den Gesetzen und Grundlagen unseres Landes entspricht.
Ich wünsche mir ein Land, in dem niemand denkt, er habe den einzig gangbaren Weg in dieser Komplexität gefunden, sondern dass alle in munterem Miteinander um den besten Weg, um die besten Wege ringen, ohne Andersdenkende und Minderheiten auszugrenzen, zu verachten, zu verspotten. Ein Land, in dem Argumente zählen und nicht Geld oder dominante Gruppen.
Ich wünsche mir ein Land, in dem die religiösen, politischen, wirtschaftlichen, juristischen, medizinischen Interessengruppen das Gesamtwohl im Blick haben und nicht nur das Wohl ihrer jeweiligen Interessengruppe. Ein Land, in dem man verantwortlich auch das Wohl der kommenden Generationen in die Entscheidungen mit einbezieht.
Ich wünsche mir ein Land, in dem die Kultur des Lebens die Grundlage aller Entscheidungen ist und nicht die Kultur des Todes.
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Wir entfernen uns immer mehr von dem Text unserer Nationalhymne.
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