Gott und Sprache

Wenn Gott als Vater angeredet wird, dann geht es nicht darum, Gott als männlich oder weiblich darzustellen. Es geht um die Eigenschaften. Mit Blick auf das Vater Unser und Gleichnisse gesagt: es geht um den wunderbaren Willen, den Gott mit uns Menschen hat, der durchgesetzt werden möge, er schenkt, er vergibt, er ist gerecht – aber er ist auch der, der nicht ganz in unsere Schublädchen passt (führe uns nicht in Versuchung), er ist da, einfach da, gegen Einsamkeit und Ausgeschlossenheit durch Menschen. Wenn das Gleichnis vom verlorenen Sohn hinzugezogen wird: Er ist der, der auf uns wartet, uns emotional um den Hals fällt, wenn wir zu ihm zurückkommen, er ist sensibel für das, was wir benötigen. Es geht um Eigenschaften. Nicht darum, dass Gott Mann, Frau ist. Es geht auch nicht darum, sich in seiner eigenen Geschlechtlichkeit anerkannt zu fühlen oder nicht, es geht nicht um Identitätsfindung. Es geht um Gott und um Gotteserfahrung.

Aber da wir Menschen mit Bildhaftem besser umgehen können, wird Gott nicht mit seinen Eigenschaften allein angeredet, sondern als Vater. Eigenschaften sind zu abstrakt, sind mehr oder weniger gefüllte Einzelaussagen, während mit „Vater“ eine Fülle an positiven Eigenschaften verbunden wird. Manche Menschen vermissen bei der Anrede Vater bestimmte Eigenschaften. Vielleicht das Tröstende (wie auch im AT: Ich will euch trösten, wie eine Mutter tröstet), das Gefühl, geborgen, umfasst zu sein, beruhigt zu werden. Sie fügen dann zu der Anrede Vater Mutter hinzu, obgleich dann auch Vater weggelassen werden könnte, weil diese Eigenschaften auch auf den Vater zutreffen.

Gleichzeitig geht es nicht um einen realen Vater, um eine reale Mutter. Es geht um das, was unsere Gesellschaft als idealen Vater, als ideale Mutter ansieht – als Eigenschaften. Manche mögen einen schlechten Vater oder eine schlechte Mutter oder beides gehabt haben. Der Mensch ist weitgehend in der Lage, davon zu abstrahieren und das zu erkennen. Und so wird erkennbar, dass Menschen gerade zu Gott als Vater Zuflucht suchen, weil sie diese Eigenschaften bei ihrem menschlichen Vater nicht erkennen und nicht, wie heute vielfach betont wird, dass Menschen, die einen schlechten Vater hatten, automatisch Gott nicht als Vater anerkennen können. Denn Begriffe sind gesellschaftlich definiert, nicht allein individuell. Zum Beispiel „Hirte“. Kaum einer weiß mehr, was ein „Hirte“ ist. Aber ich vermute, dass aufgrund unserer Tradition positive Bilder in uns entstehen, wenn wir das Wort hören: Nicht allein sein, Führung, Geborgenheit, Pflege, …

Vater, Mutter – damit werden nicht nur Eigenschaften ausgesprochen, sondern es wird auch eine einmalige Beziehung damit verbunden, die in der Herkunft, der Prägung liegt: Von ihnen haben wir im Grunde alles. Ohne diese sind wir nicht. das wird nun auf Gott übertragen bzw. umgekehrt, darum wird Gott als Vater bezeichnet.

Ob Gott nun als Vater oder Mutter angeredet wird, weil wir Bilder und nicht nur Abstrakta benötigen, so werden andere Gruppen ausgeschlossen: Menschen, die nicht Eltern sind, Menschen anderer Verwandtschaftsverhältnisse (Onkel/Tanten, Omas/Opas), Fremde (obwohl Gott für viele fremd geworden ist). Ausgeschlossen werden auch andere Geschlechter. Denn es geht eben nicht darum, dass Gott geschlechtlich eingeordnet wird. Gibt es Transgender, die besondere Eigenschaften haben, die über die mit Vater und Mutter verbundenen Eigenschaften hinausgehen? Wie oben geschrieben: Gott wird nicht als Vater angeredet, weil Menschen mit Gott ihre sexuelle Identität finden und stabilisieren wollen.

Auch der Heilige Geist wird sexualisiert in unserer Zeit. In manchen Sprachen ist er feminin (hebräisch: Ruach), manchen Neutrum (griechisch: Pneuma), maskulin – wie in unserer Sprache. Wenn wir nun den Heiligen Geist, den Geist Gottes auch als Heilige Geistin bzw. Geistin Gottes bezeichnen, machen wir etwas Kurioses. Geist bedeutet: Atem, Wind, Hauch, Kraft. Es geht nicht um Gespenster. Ich sage ja auch nicht: Windin weil ich den Wind lieber feminin habe. Es wird also der Geist Gottes sexualisiert. Ich denke mir so in meiner Geistin (traditionell gesprochen: in meinem Geist): „?“.

Lamartine schrieb über Gott:
„So wie ein Tropfen in dem Ocean,
Geht im Unendlichen mein Denken unter.“

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