John Newton

Ich lese zur Zeit eine Biographie über John Newton (Jonathan Ait: Amazing Grace).

John Newton ist der Dichter des Textes von Amazing Grace. In seiner Zeit war er sehr berühmt, auch wegen seiner Autobiographie und zum Beispiel wegen seiner Veröffentlichung von Briefen mit seelsorgerlichen Inhalten. Er ist nur bis zu seinem zehnten Lebensjahr in die Schule gegangen. Auf einem Spaziergang wurde er als Jugendlicher von Marinesoldaten gefangen genommen und auf einem Schiff als Matrose einquartiert. Diese Zeit als Entführter war äußerst hart – und er war äußerst atheistisch eingestellt.

Dann versuchte er in Afrika sein Glück, wurde allerdings von einem europäischen Geschäftspartner und seiner afrikanischen Frau versklavt. Nach Jahren kam er frei, fuhr wieder zur See. Auf seinen Seefahrten kam er immer stärker mit dem Glauben in Berührung. Aufgrund eines Sturmes hat er dann Gott gefunden und versuchte entsprechend sein Leben zu ändern. Er war Autodidakt, lernte Latein, Hebräisch, Griechisch, las Philosophen – und natürlich die Bibel.

Er wurde Kapitän eines Sklavenschiffs. Das bedeutete nicht allein, dass er Sklaven von Afrika nach Amerika brachte. Er musste als Kapitän auch dafür sorgen, dass er genug Sklaven an der Küste kaufen konnte, damit das Schiff voll wird. Die Verkäufer waren überwiegend Häuptlinge, die Menschen ihres Volkes verkauften, aber auch andere Stämme überfielen und die Gefangenen verkauften. Auch als Glaubender hat er nichts dabei gefunden, im Sklavenhandel mitzumachen.

Und das finde ich spannend. Der Sklavenhandel war normal. Es war genauso normal wie junge Männer ins Militär zu pressen. Viele Menschen, Europäer wie Afrikaner lebten in großem Elend, gehörten irgendwie anderen, mussten sich irgendwie durchs Leben schlagen. Und es war dann – für die Menschen damals – wohl egal, ob man als Sklave von Afrika nach Amerika gebracht wurde oder selbst in katastrophalen Zuständen im eigenen Land leben musste. Das Leben war halt so.

In all diesem Denken der Zeit kann man Aristoteles wiederfinden. Grob gesagt: Barbaren sind von Natur aus Sklaven. Diese darf man mit Krieg überziehen und entsprechend versklaven. Menschen, die Sklaven sind, sind es von ihrer Natur her, über ihnen, den körperlich Arbeitenden stehen die Herren, die Denker, das heißt körperliches Arbeiten ist für den Denker verpönt. Sklaven haben keine Vernunft – ihre Vernunft ist der über sie stehende Herr, der sie wie Werkzeug gebrauchen kann. Das hat die Hirne der damaligen Denker allesamt erfasst. Auch die Aufgeklärten (Voltaire).

Wie kam es zu einem Wechsel dieser grundlegenden Sicht bei Newton? In der Biographie steht nur, dass William Wilberforce als Erwachsener mit ihm über das Thema gesprochen habe und dass Newton schon den kleinen William Wilberforce durch seine Erzählungen mit beeinflusst haben könnte. Aber wenn dem so ist, was hat Newton selbst zu seinem Denkwandel gebracht? Das geht aus der Biographie nicht hervor.

Ich habe die Schrift von Newton gelesen, die er dem Parlament zukommen ließ, um gegen die Sklaverei zu stimmen (Thoughts upon the African Slave Trade; 1788). Diese Schrift verfasste er, wie er sagt, aus politischen Gründen, also nicht, um seinen Glauben im Hinblick dieses Themas mitzuteilen. Aber an drei Stellen blitzt er doch durch, er spricht dann als Pfarrer. Es geht um das Gericht Gottes, vor dem sich alle wegen des Blutes an den Händen verantworten müssen. Die beste Politik – der beste Umgang mit den Menschen – ist die, die Gott, dem Herren der Welt, gegenüber ehrfurchtsvoll ist, ihn achtet. Das heißt: Gott liebt Gerechtigkeit. Mit dem Alten Testament sagt er: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, unrechtes Handeln führt dazu, dass Gott das Volk richtet, ruiniert. Unaufmerksamkeit und Interessen verhinderten, das Böse wahrzunehmen. Das sei jetzt, so Newton, anders, und das Unrecht sei massiv bewiesen worden. Die Schrift wird übrigens eingeleitet mit dem Satz Jesu: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut ihnen, das ist das Gesetz und die Propheten“ und: „Homo sum-„

Kurz: Gott will Menschlichkeit – Gott richtet ein Land zugrunde, wenn es unmenschlich handelt.

Leider kann ich also Genaueres als Grund für das Umdenken nicht finden. Die Biographie lässt aber noch erkennen, dass er sich im Laufe seines Lebens immer tiefer in die Bibel eingearbeitet hatte. Insgesamt wird er als einer geschildert, der ein bewundernswerter Glaubender war.

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