Gott in Gedichten (19. Jh.) (15)

Zitate, wenn nicht anders angegeben, aus: zeno.org. Ausführliche Darlegung seit dem 1. Jahrhundert: http://gedichte.wolfgangfenske.de

Theodor Fontane (1819-1898)

Theodor Fontane stand dem Christentum etwas distanziert gegenüber, weil es moralische Forderungen stellt, die man nicht einhalten kann – und wenn jemand sie einhält, wird einem vor diesem angst und bange, wie er in einem Brief an Georg Friedländer schreibt. Das betrifft aber Christen. Er mochte keine „schweifwedelnden Pfaffen“, also solche, die sich von Mächtigen abhängig machen https://www.evangelisch.de/inhalte/163215/17-12-2019/wer-war-theodor-fontane-und-wie-stand-er-zum-christentum (sehr gut in diesem Beitrag ist auch das, was zum Thema Antijudaismus gesagt wird). Fontane fühlt sich von einer Macht abhängig – und dieser soll man nicht hineinpfuschen. Von Theodor Fontane gibt es einen sehr guten Text, der die Zerrissenheit der Menschen des 19. Jahrhunderts beschreibt. Weil er so bedeutsam ist, zitiere ich ihn ganz:

Bekenntnis

Ich bin ein unglückselig Rohr:
Gefühle und Gedanken
Seh‘ rechts und links, zurück und vor,
In jedem Wind, ich schwanken.

Da liegt nichts zwischen Sein und Tod,

Was ich nicht schon erflehte:
Heut bitt‘ ich um des Glaubens Brot,
Daß morgen ich’s zertrete;

Bald ist’s im Herzen kirchenstill,
Bald schäumt’s wie Saft der Reben,
Ich weiß nicht, was ich soll und will; –
Es ist ein kläglich Leben!

Dich ruf‘ ich, der das Kleinste du

In deinen Schutz genommen,
Gönn meinem Herzen Halt und Ruh,
Gott, laß mich nicht verkommen;

Leih mir die Kraft, die mir gebricht,

Nimm weg, was mich verwirret,
Sonst lösch es aus, dies Flackerlicht,
Das über Sümpfe irret!

So einfach, wie es sich manche mit der Theodizee machen, so einfach, dass man meint, man kommt um die Frage herum, indem man sie leugnet, geht es laut Fontane nicht: „Die Frage bleibt“ „Halte dich still, halte dich stumm, / Nur nicht forschen, warum? warum? / Nur nicht bittre Fragen tauschen, / Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen. / Wie’s dich auch aufzuhorchen treibt, / Das Dunkel, das Rätsel, die Frage bleibt.

Aber er kennt auch das  Glück des Glaubens – das Glück des Lebens besteht für ihn darin, mit seiner Natur in Einklang zu sein: „Felder rings – ein Gottessegen / Hügel auf- und niederwärts, / Und auf stillen Gnadenwegen / Stieg auch uns er in das Herz.“

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

Der Autor war ein bedeutsamer Schriftsteller der Schweiz. Psychische Schwierigkeiten prägten sein Leben. Aus der religiösen Perspektive ist interessant zu sehen, dass er wie Fontane hin und her gerissen ist. In seinem Werk, mit dem er Erfolg hatte. „Huttens letzte Tage“ schreibt er über das Kreuz : „Fernab die Welt. Im Reiche meines Blicks / An nackter Wand allein das Kruzifix. / An hellen Tagen liebt in Hof und Saal / Ich nicht das Bild des Schmerzes und der Qual; / Doch Qual und Schmerz ist auch ein irdisch Teil, / Das wußte Christ und schuf am Kreuz das Heil. / Je länger ich’s betrachte, wird die Last / Mir abgenommen um die Hälfte fast, / Denn statt des einen leiden unser zwei: / Mein dorngekrönter Bruder steht mir bei.“ Die Ambivalenz dominiert, so auch in ein christliches Sprüchlein: „Dann ist es nicht ein hergebracht Gebet, / Es ist der Geist, der in uns seufzt und fleht, / Und wärst du, Gott und Herr, nicht ewiglich, / Ein solches Stoßgebet erschüfe dich.

Der Text der Berg der Seligkeit beschreibt, dass Christi Reich nicht Gewalt bedeutet. Mächtig allerdings erschallt es im Friede auf Erden. Spannend löst er das auf in Homo sum: „Das plumpe Recht der Faust ist mir verhaßt / Und selber hab ich wohl am Weg gepaßt. / Ich bete christlich, daß es Friede sei, / Und mich ergötzen Krieg und Kriegsgeschrei. // Der Heiland weidet alle Völker gleich – / Nur meinen Deutschen gönn ich Ruhm und Reich! / Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt Buch, / Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.“

August Hermann Franke (1853-1891)

Deutsche Psalmen. Aus diesem Liederbuch waren mir nur wenige Gedichte zugänglich. Bekannt wurde: Nun aufwärts froh den Blick gewandt (EG 394).

Rudolf Kögel (1829-1896)

War als Oberhofprediger einflussreich kirchenpolitisch aktiv.

In dem Lied „Zions Stille soll sich breiten um meine Sorgen, meine Pein“ beinhaltet die bekannte Strophe: „Was gewesen, werde stille; stille, was dereinst wird sein. All mein Wunsch und all mein Wille gehen in Gottes Willen ein.“ (Evangelisches Gesangbuch o.J. 128)

Guido Gezelle (1830-1899)

Mit Guido Gezelle mache ich im Augenblick eine kleine Ausnahme. Er ist ein flämischer Dichter, war Priester und Lehrer.

In seinen Gedichten, die sehr stark die Natur zeichnen und interpretieren, verbindet er Natur mit Gott und Glauben. So berührt ihn in „Das Rauschen des ranken Rieds“ sehr das rauschende Ried, wie Gott von dem durch Wind bewegten traurigen Ried-Lied bewegt wird. Warum kann der Mensch das überhaupt emotional wahrnehmen? Weil Gott dem Herzen das Gefühl gab, das Lied des rauschenden Rieds wahrnehmen zu können. Der Mensch, der selbst schwankendes klagendes Ried ist. Mit diesem Lied greift er ein Wort Jesu auf. In dem Gedicht „O wilde unverfälschte Pracht“ beschreibt er wunderschöne wilde Blumen, sie belehren ihn über Gott, sie belehren ihn, dass er hinter dem Sichtbaren den „Urbeginn“ sehen kann und eben, dass Gott der Schöpfer ist. Nicht allein Natur lässt ihn nachdenken, auch die Empfindung, dass etwas „vorbei geht“. In „Vorbei“ heißt es: alles auf Erden geht vorbei. Nicht vorbei geht Gott, er war und ist und wird sein. Wer Weizen sieht, denkt an die edle Nahrung, wer Wein sieht, denkt an den edlen Trank, der Christ sieht in Brot und Wein Jesus selbst. („Wer kann je Weizen sehn“) Nicht nur der religiöse Mensch sieht in der Natur mehr, als sie ist. Der Christ sieht immer noch eine Ebene weiter.

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