Gott im Gedicht (7) (18. Jh.)

Gott im Gedicht – ab dem ersten Jahrhundert: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott-in-gedichten/

Barthold Heinrich Brockes (1680-1747)

Brockes war in seiner Zeit ein sehr bekannter Dichter, der auch Komponisten manche Vorlagen bot, vor allem mit dem Passionsoratorium: „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“ (Texthttps://www.bach-cantatas.com/Texts/Brockes-Passion-Ger5.htm). In dem Oratorium wird die Passionsgeschichte als Gedicht wiedergegeben, unterbrochen von Reflexionen. Das heißt: Brockes sieht hinter die biblischen Texte eine tiefere Wahrheit. In den folgenden Gedichten wird anhand von Naturbetrachtungen gezeigt, dass er auch hier ähnlich vorgeht: Er kommt von der Schöpfung auf Gott zu sprechen. Die Natur ist nicht Gleichnis für Gott, sondern er betrachtet die Natur und schaut tiefer bzw. weiter – bis er zu dem Eigentlichen, zu Gott vordringt.

Der blühende Kirschbaum bei Nacht wird besungen, sein wunderbares Weiß – und dann: „Indem ich nun bald hin, bald her / Im Schatten dieses Baumes gehe, / sah ich von ungefähr / Durch alle Blumen in die Höhe / Und ward noch einen weißen Schein, / Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar, / Fast halb darob erstaunt, gewahr. / Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein / Bei diesem weißen Glanz. / Es fiel mir uns Gesicht / Von einem hellen Stern ein weißes Licht, / Das mir recht in die Seele strahlte. // Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergötze, / Dacht ich, hat er dennoch weit größre Schätze. / Die größte Schönheit dieser Erden / Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.“ (Zitiert nach Kemp) Ähnlich auch in anderen Texten: Ein Kirschbaum brach entzwei. Kinder freuten sich über die gut erreichbaren Kirschen – aber sie bemerken nicht, „daß ein kurzer Überfluß / oft einen langen Mangel bringet.“ Bei der Quittenernte sind Kinder wie Erwachsene, die meinen, sie seien in ihrer munteren Fröhlichkeit für die Erde sehr wichtig, aber ein anderer regiert: Gott.

In dem Sing-Gedicht „Die uns zur Andacht reizende Vergnügung des Gehörs im Frühlinge“ beschreibt er faszinierend die singenden Vögel – und er selbst beginnt durch den Vogelgesang angeregt dem Schöpfer zu singen, ihm zu jubilieren. Es gilt „Des Schöpfers Wunder auszubreiten, / Von dem allein die Harmonie entspringt.“ Und so werden die Felder, das Wasser, die Luft – alles was man sich nur denken kann – besungen. Betrachtungen der Natur sind immens – und eben nicht nur rational – das fließt ein, aber das rational Beobachtete wird eingebettet in einen großen Lobgesang auf den Schöpfer. Eine sachliche Distanziertheit ist nicht erkennbar. Im Gegenteil: „Ich bitte Dich, o Gott! Mir dieses doch zu gönnen, / Daß ich mag Deine Macht und meine Schwäche kennen!“ („Die Quitten-Ernte“, zitiert nach Kemp)

Johann Heinrich Günther (1695-1723)

Einer – wie man heute sieht – bedeutender Dichter seiner Zeit wurde nur 27 Jahre alt und bekam in seinem Leben nirgends einen Fuß auf den Boden. Er starb an Tuberkulose. Er war Schüler unter anderem von Schmolck – und seine Gedichte sind ein Übergang, denn sie zeigen eine Loslösung von christlicher Tradition. Die Nachfolgenden, Tersteegen, Zinzendorf, Gellert zeigen die eine Richtung auf, in der es mit christlichen Liedern weiterging. Zum Beispiel Uz zeigt – was schon bei Günther erkennbar ist – die säkularisierende Form, die sich von Gott löste und sich verbal den alten griechisch-römischen Göttern zuwandte.

In seinem Gedicht „Geduld, Gelassenheit, treu, fromm und redlich sein“ sagt er sich von diesen Tugenden los. Es sei Lüge, wenn gesagt wird, dass man sich entsprechend verhalten solle. Auch diese Tugenden, verbunden mit Gott, sind nichts als Lüge. Das stellt er eindringlich dar. Das Gedicht endet: „Ach Jesu! sage selbst, weil ich nicht fähig bin, / Die Beichte meiner Reu; ich weiß nicht mehr wohin / Und sinke dir allein vor Ohnmacht in die Armen, / Von außen quälet mich des Unglücks starke Flut, / Von innen Schröcken, Furcht und aller Sünden Wut; / Die Rettung ist allein mein Tod und dein Erbarmen.“ Auch in dem „Fragment“ wendet er sich sehnend stumm an den Heiland. Ganz in der Hoch-Zeit des Barock ist das Sterben Thema des – wie ich ihn nennen mag – Hiob des 18. Jahrhunderts: „Oft ist ein guter Tod der beste Lebenslauf“ („Bußgedanken“) – „Der Himmel wird mein Haus“.  Und dort heißt es auch: „Erwegt bei meinem Falle, / Der Höchste hats gethan. / Ihr folgt mir endlich alle; / Genung, ich geh voran“. („Zeuch aus gefangne Seele“).

Man muss freilich sagen, dass dieser „Hiob-Eindruck“ nur angesichts dieser Gedichte entstehen kann. Er hat weitere und auch heitere Gedichte geschrieben.

Gerhard Tersteegen (1697-1769)

Tersteegen war Kaufmann, Leine- und Seidenbandweber, Übersetzer – wie gleich deutlich wird – der Mystikerin Teresa von Avila, Prediger und Heiler. Er beeinflusste die Erweckungsbewegung, das heißt, eine Bewegung, die Menschen zum Glauben und zur praxis pietatis, das heißt: zum Handeln aus Glauben, führte.

Sehr bekannt ist das Lied geworden: „Ich bete an die Macht der Liebe“ (EG 617) – vor allem durch die sekundäre Hinzufügung zur heute bekannten Melodie, die auch beim Großen Zapfenstreich gespielt wird; weiterhin: „Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten“ (165) – andere sind weniger bekannt, zum Beispiel Abendlieder: „Nun sich der Tag geendet“ (EG 481) oder „Nun schläfet man; und wer nicht schlafen kann, der bete mit mir an den großen Namen“ (480), „Kommt, Kinder (ursprünglich: Brüder), lasst uns gehen“ (393).

In diesen Liedern dominiert die Anbetung Gottes – das ist auch in Liedern des Gesangbuches von 1878 zu erkennen: Das zeigen besonders die der Mystik nahestehenden Lieder: „Allgenügsam Wesen“ (124), „Siegesfürst und Ehrenkönig“ (442). Man selbst ist klein vor Gott („ich dein Sternlein“) – aber: „Welt, du bist uns zu klein“, darum sind wir auf der Wanderschaft in die Ewigkeit; das bedeutet, sich selbst Gott als Opfer darbringen: „Für dich sei ganz mein Herz mein Leben“ – so beginnt das Lied: „Ich bete an die Macht der Liebe“, das im Gesangbuch nur gekürzt wiedergegeben wird. Die starke Mystik wird in den Strophen 5 und 6, die nicht im Gesangbuch zu finden sind, deutlich:

Wie bist du mir so zart gewogen! /
Und wie verlangt dein Herz nach mir! /
Durch Liebe sanft und tief gezogen, /
Neigt sich mein Alles auch zu dir; /
Du traute Liebe, gutes Wesen, /
Du hast mich, und ich dich erlesen. //
Ich fühls, du bists; dich muß ich haben: /
Ich fühls, ich muß für dich nur sein:
Nicht im Geschöpf, nicht in den Gaben;
Mein Plätzgen ist in dir allein: /
Hier ist die Ruh, hier ist Vergnügen; /
Drum folg ich deinen sel´gen Zügen.“

Diese enge Bindung an Gott hat seine Auswirkungen auf das Leben: „Sollt ich deinen Kelch nicht trinken, / da ich deine Glorie seh? / Sollt mein Muth noch wollen sinken, / da ich deine Macht versteh? / Meinem König will ich trauen, / nicht vor Welt und Teufel grauen, / nur in Jesu Namen / mich beugen hier und ewiglich.

Nikolaus Graf von Zinzendorf (1700-1760)

War Theologe und Gründer der einflussreichen Brüdergemeine. Zinzendorf war intensiv im Pietismus vernetzt: Spener war sein Pate, Franckes Arbeit in Halle prägte ihn. Christsein unabhängig von Konfessionen bzw. die Versöhnung der Konfessionen –  stand im Blick. Dennoch ließ er sich ordinieren – wurde dann aber von der lutherischen Orthodoxie bekämpft, später in gewisser Weise rehabilitiert. Auf seinem Besitz nahm er Glaubensverfolgte aus Böhmen auf. Hier entstand die Herrnhuter Brüdergemeine. Ab 1731 werden hier die Herrnhuter Losungen herausgegeben. Ab 1732 begann eine intensive weltweite Missionsarbeit, in der es nicht um Kulturexport ging, sondern um Verkündigung des Evangeliums. Einfluss hatte Zinzendorf auf viele bekannte Zeitgenossen und Nachgeborenen. Die Brüderunität gibt es bis heute: https://www.ebu.de/brueder-unitaet/glauben-und-leben/

Bekannt ist die Herrnhuter Gemeinde auch für das Singen. Aus der Brüdergemeine kommt das bekannte Lied: „Komm, Herr Jesu, sei du unser Gast“ (EG 465). An Schmolck konnte man sehen, dass er Texte anderer aufgegriffen und uminterpretiert hat. Das kann man auch an diesem Gebet sehen. Es greift ein Lied von Schmolck auf („Ach wie heilig ist der Ort“; dort heißt es in der vierten Strophe: „Bleibe bei uns liebster Gast; speis uns gnädig mit dem Worte, das du uns gegeben hast“ (1878: 116). Zinzendorf selbst hat mit seinen über 2000 Liedern viel zu dem gemeinschaftlichen Gesang beigetragen. Lieder zeigen, dass die Gemeinde selbst nur in Einheit baut, etwas zustande bringt („Wir wollen uns gerne wagen“ 254). Wo viele Menschen zusammenleben, gibt es Spannungen. So ist das Thema Liebe der Gemeinde untereinander wichtig („Herz und Herz geeint zusammen“ EG 251); in dem Lied, in dem die Seligpreisungen Thema sind wird auch der Frieden betont („Kron und Lohn“ 1878: 267). In „Herr, der du einst gekommen bist“ (EG 586) heißt es: „Erinnre deine kleine Schar / die sich so leicht entzweit, / dass deine letzte Sorge war / der Glieder Einigkeit.“ Ohne das Zentrum, Jesus Christus, kann diese Einheit nicht erlangt werden („Christen sind ein göttlich Volk“). Ohne sich vor Jesu Füße zu setzen, ohne die Stille vor Gott („Gottes Führung fordert Stille“), kann das gemeinsame Tun nichts werden. Ohne das Stehen unter dem Kreuz kann Einheit nicht erreicht werden: „Doch in des Heilands Wunden, / ich durfte nun gesunden, / ich fand den Friedens-Port. / Beim Kreuze will ich bleiben, / mich meinem Herrn verschreiben. / Er ist mein Schatz, mein ew´ger Hort“ . Das heute allgemein bekannteste Lied dürfte „Jesu, geh voran auf der Lebensbahn“ (EG 391) sein: Auf dem Weg ins Vaterland – zu Gott – kann man an der Hand Jesu allerlei eigene und fremde Not bestehen. Das Vaterland, der „Gläub´gen Sammelplatz“, ist bei Jesus Christus.

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Diese Zeit hat viele bis heute gesungene Lieder hervorgebracht, vielfach beeinflusst von Francke (Halle) bzw. Bengel (Württemberg), man denke an das Lied von Johann Ludwig Konrad Allendorf (1693-1773): „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“ (EG 66), fast wie Zinsendorf klingt der Text: „Dein Wort o Herr bringt uns zusammen “ (1834: 909); von Karl Heinrich von Bogatzky (1690-1774): „Wach auf, du Geist der ersten Zeugen“ (241), Phillip Friedrich Hiller (1699-1769): „Jesus Christus herrscht als König “ (EG 123), „Wir warten dein, o Gottes Sohn“ (152), „Ich glaube, dass die Heiligen im Geist Gemeinschaft haben“ (253); „Mir ist Erbarmung widerfahren“ (355).

Charles Wesley (1707-1788)

Ich habe mich weitgehend auf deutsche Lieder konzentriert. Mit Charles Wesley betreten wir die internationale Bühne. Seine christlichen Lieder waren weltweit ungemein erfolgreich. Sie sind sehr einfach gehalten, geben die christliche Botschaft in einfacher Gestalt wieder, denn die meisten Menschen, die gewonnen werden sollten, konnten nicht lesen und schreiben und waren weder philosophisch noch sonstwie gebildet. Man kann auf youtube sehr viele Lieder hören, als Beispiel sei nur dies genannt: https://www.youtube.com/watch?v=PMCOyY0Rlus

Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)

Er wurde Professor für Philosophie, war zeitlebens kränkelnd – nichts desto trotz war er äußerst erfolgreich und mit allen möglichen Größen seiner Zeit bekannt. Seine Lehre über die Moral hat viele beeinflusst, beeinflusst hat er auch die Literatur im Land. Der Philosoph der Aufklärung klärt darüber auf, dass der Verstand des Menschen begrenzt ist. Seine Vorrede zu den Gedichten ist lesenswert – hier finden sich auch viele Texte: https://de.wikisource.org/wiki/Geistliche_Oden_und_Lieder

So jemand spricht, ich liebe Gott / und hasst doch seine Brüder / der treibet mit der Wahrheit Spott / und reißt sie ganz darnieder“ (EG 412) ist stärker moralisch ausgerichtet. Wie auch 1878: 76: „Erinnere dich mein Geist“ – dort heißt es: „Nie komm es mir aus meinem Sinn, / was ich, mein Heil, dir schuldig bin, / damit ich mich in Lieb und Treu / zu deinem Bilde stets erneu.“ Die Liebe Gottes treibt zum Handeln (1878:127; „Wie groß ist des Allmächtgen Güte“). Schön spricht es das Lied „Ich komme vor dein Angesicht“ (1878:191) aus: „Laß deines Namens mich zu freun, / ihn stets vor meinen Augen sein; / laß meines Glaubens mich zu freun, / ihn stets durch Liebe tätig sein.“ Es geht um die Heiligung. So heißt es in dem Lied „Ich komme, Herr und suche dich mühselig und beladen“ (1878: 225): „Laß mich den Ernst der Heiligung durch eine wahre Besserung mir und der Welt erweisen.“ Intensiv wird die Heiligung in dem Lied angesprochen: „Gib mir o Gott, ein Herz, / das jeden Menschen liebet“ (1878: 286). Auch die Wollust ist Thema: „Der Mensch sinkt unter ihrer Bürde / zur Niedrigkeit des Thiers herab; / er schändet und entehrt die Würde, / die ihm sein weiser Schöpfer gab.“ (1834 [?]: 643). Er thematisiert auch das Gewissen, häufig das Thema Glück, Besitz usw. Ein Fazit: „Lebe, wie du, wenn du stirbst, / wünschen wirst, gelebt zu haben.“ (1834[?] 838)

Andere Lieder rühmen Gottes Handeln, so das Weihnachtslied „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“ (EG 42) – in dem sich die Strophe befindet: „Wenn ich dies Wunder fassen will, / so steht mein Geist vor Ehrfurcht still, / er betet an und er ermisst, / dass Gottes Lieb unendlich ist.“ Die Menschwerdung Gottes in Jesus ist unverständlich – dennoch wird sie in aller Welt bedacht. Das Bedenken des Leidens Jesu bedeutet, sich „in das Meer der Liebe zu versenken“ – und er reflektiert auch dieses Ereignis, das dem Verstand spottet, als Weisheit Gottes: Das Kreuz ist im Tode Fried und Freude (EG 91). Jesu Auferstehung „verklärt mich in sein Licht“. Sechs Mal betont er seine Zuversicht: „Jesus lebt!“ (EG 115). Das ist der Tenor vieler Lieder, die hier nicht weiter vertieft werden: Die gesamte Biographie und über das Sterben hinaus ist von Gottes Handeln an Gellert – und durch das Singen auch an allen, die die Lieder singen – bestimmt.

Nicht allein das Handeln Jesu wird besungen, sondern vielfach Gott als Schöpfer. Das Gedicht „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ wurde häufig vertont, ebenso: „Du bist´s dem Ruhm/Dank und Ehre gebühret“. Im erstgenannten Lied verkündet die Natur Gott – und Gott spricht durch sie: „Ich bin dein Schöpfer, bin Weisheit und Güte, / Ein Gott der Ordnung, und dein Heil“. Im Lied „Wenn ich o Schöpfer deine Macht“ (EG 506) geht es darum, die Taten des Schöpfers anbetend zu überlegen. Die Natur predigt auch hier Gott, aber es geht über das genannte Lied hinaus: „Der Mensch, ein Leib, den deine Hand / so wunderbar bereitet, / der Mensch, ein Geist, den sein Verstand / dich zu erkennen leitet“ – der Mensch selbst ist der Beweis der Güte und Größe Gottes. Aber der Verstand kann Gott nicht von sich aus erkennen, wie er in dem Text ausspricht „Gott, deine Güte reicht so weit“: „Ich bitte nicht um Überfluß / Und Schätze dieser Erden. / Laß mir, so viel ich haben muß, / Nach deiner Gnade werden! / Gib mir nur Weisheit und Verstand, / Dich, Gott, und den, den du gesandt, / Und mich selbst zu erkennen.“ Die große Liebe Gottes vermag kein Mensch sich ausdenken („Gedanke, der uns Leben gibt“). Aber ein Mensch kann sich der Güte Gottes verschließen, es wird „mit verhärtetem Gemüthe den Dank erstickt / der ihm gebührt“ (1878: 127). „Der Spötter Strom reißt viele fort“ – „Der Läst´rer Rotte wagt´s, o Gott! / Mit frechem, ausgelass´nem Spott, / den Sohn, den Mittler, den zu schmäh´n, / durch den sie wurden und besteh´n“. Er bittet: „Ach! Wären sie dir auch versöhnt, / sie, deren Spott dich, Herr! verhöhnt!“ (1834 [?]: 270)

Gott ist mein Lied“ (EG 598) – mit diesem Satz kann man das dichterische Werk Gellerts beschreiben – und ohne das Wort Gottes, wüssten wir nichts („Gott ist mein Hort“; 1878: 176).

Gellert hat schon recht rational gestaltete Gedichte. Solche liegen auch vor von

Johann Andreas Cramer (1723-1788)

Cramer hat viele Lehr- und Predigtlieder verfasst. Es werden zum Beispiel biblische Texte ausgelegt. In diese Auslegung werden Aspekte der Zeit einbezogen, so die Frage des Eides; als einem, der die Ausbildung von Lehrern am Herzen lag und eine Ausbildungsstätte initiierte, hat er unter seinen über 400 Liedern auch ein Gedicht geschrieben, das Lehrer lobt und damit indirekt Verhaltensanweisungen gibt: „Dein ist das Licht, das uns erhellt; / von dir das Amt der Lehrer. / Gott! Welch Geschenk für deine Welt… // Welch großes Amt, Betrug und Wahn / und Laster zu bestreiten, / und Seelen auf der Wahrheit Bahn / zu dir, o Gott! Zu leiten! / Wie edel aber auch wie schwer! / Laß alle Lehrer täglich mehr / des Amtes Würde fühlen.“ „An Sanftmuth und an Nachsicht reich / Laß sie die Schwachen tragen, / und, keimt der Same nicht sogleich, / nicht an der Frucht verzagen /… Gib das nicht nur ihr Unterricht, / daß uns auch ihres Beispiels Licht / auf deine Wege leite.“ (1834 [?]: 295) Beständigkeit liegt ihm am Herzen, „Denn gleichen selbst die feurigsten Entschlüsse / nur Irrlichtfackeln, die durch Finsternisse / schnell in die Höhe schimmern und vergehen, / wie sie entstehen.“ (1834: 175)

Zu der massiven Auseinandersetzung in seiner Zeit mit den heftigen Kritikern des christlichen Glaubens setzt er sich auch auseinander: „Schäme seines Worts dich nie vor den Frevlern, vor den Spöttern; / wenn sie ihn verschmähn, wenn sie sich und ihren Witz vergöttern. / Was vermag der Lästrer Spott / wider Jesum, wider Gott?“ „Und der Spötter Witz und Hohn könnte je dein Herz verführen, / deinen Himmel und den Lohn / deines Glaubens zu verlieren? / Nein, o Christ, nein, wanke nie; / fleh um Rettung auch für sie.“ (1878: 301) (Kritik an die Spötter auch bei Johann Christoph Gottsched [1700-1766]: „Die Nothwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer“: „Ich höre, wie mich dünkt, der frechen Mäuler Wort, / Sie ruffen: Blinde Welt! Was willst du fort und fort / Dem matten Christenthum mehr neue Seulen schnitzen, / Und das geschwächte Reich des Unverstandes stützen?“ usw. Dagegen: „Ein Christ muß die Vernunft und Offenbarung lieben, / denn beydes hat ihm Gott zur Richtschnur vorgeschrieben.“ … „Die Vernunft ficht selber für die Christen.“ (Zitiert nach: theologische Lehrer ,,,,,[Vgl. auch: „Daß ein heutiger Gottesgelehrter auch in der Vernunft und Weltweisheit stark seyn müsse“])

Rationaler noch ist:

Johann Peter Uz (1720-1796)

Selbst wenn er Themen anspricht, die ihn bewegen, zum Beispiel seine Nöte, so klingen manche dieser Lieder doch eher wie ein Zusammenfügen von traditionellen Formeln. Wenn man meint, dass es den Bösen gut geht, einem selbst aber schlecht, wird man (ganz mit der alten biblischen Weisheit, die das Buch Hiob schon hinterfragt) den Sünder fallen sehen. Wenn es einem schlecht geht, wird man an Tugend reich und stark. Aufklärung pur: Die wunderbare Ordnung, alles ist gut. Jesus ist ein vom Himmel kommender Lehrer. (Lieder: 1834 [?]: 67, 78, 124, usw.)

In dem Gedicht „Mein Heiland, tief im Staube bet´ ich als Gottes Sohn dich an“, beschreibt er die Menschwerdung dessen, der Himmel und Erde gemacht hat. „Werth bist du, Preis und Ruhm / von aller Welt zu nehmen; / sie ist dein Eigenthum.“ Es kommen diejenigen in den Blick, die nicht glauben: „Sohn Gottes! Ich verehre, / ich bete dich in Demuth an. / Beschäme und bekehre, / die dir noch nicht sind zughetan! / Die deinem Wort nicht glauben, / und dir der für sie litt, / die schuld´ge Ehre rauben, / theil´ ihnen Gnade mit, / dich gläubig zu erkennen, / und, welche dich erkannt, / die laß von dir nichts trennen; / erleuchte jedes Land.“ (1834: 119) Der Mensch sperrt sich gegen die Ordnung Gottes, wenn er sich verweigert, Gott die ihm gebührende Ehre zukommen zu lassen, sich weigert, sich unter Gott zu stellen. „Wer wahre Weisheit liebt, / der liebt auch den Gedanken: `mein Heil, mein Fels ist Gott, und wenn auch Welten wanken.“ (1834 [?]: 67)

In seinem Umfangreichen Gedicht „Theodicee“ wendet er sich unter Berufung auf Leibniz gegen die `stolzen Thoren´. die in `wilder Irre laufen´, gegen die Spötter „die vor dem Unverstand, o Schöpfer! Dich verklagen“. Die Antwort auf die Theodizee-Frage: Der kleinsten Fliege Glück ist dem Schöpfer so gelegen wie Roms Geschick – alles ist weise geplant. Menschen, die zwischen Wurm und Engel stehen, haben einen freien Willen, wenn der sich verfehlt, tun sie einander Böses – die Tugend verlassen führt zu Übel: „Denn alles Böse quillt bloß aus des Menschen Brust“. Wenn etwas in der Natur schlimm ist, dann nur, weil man es nicht ganz überblicken kann, denn „Die Welt verändert sich, mit immer neuer Pracht“. Aber man darf nicht nur auf das schauen, was sich auf der Erde zusammenbraut, sondern der gesamte Kosmos ist weise geordnet. Und der Mensch? „Durch Tugend soll er sich aus dunkler Niedrigkeit / Zu höhern Glanz sich erheben, / Unsterblich seyn, nach kurzem Leben.“ Er hat seine Weisheit allerdings nicht von Leibniz, er adelt Leibniz nur, denn, so beginnt der Text: „Mit sonnenrothem Angesichte / Flieg ich zur Gottheit auf! / Ein Strahl von ihrem Lichte / Glänzt auf mein Saitenspiel, das nie erhabner klang“ – ein sehr poetischer Beginn – und eben auch: Die Weisheit hat er von Gott selbst – aber nur ein Strahl vom Licht Gottes ist in dem Text erkennbar. Denn der Mensch kann nicht alles überblicken.

Den Text „Gott im Frühlinge“ (Kemp 325) beendet er: „Du hast mit Schönheit, die entzückt, / Das Antlitz der Natur geschmückt, / O aller Schönheit reiche Quelle! / Dir geht kein Wesen vor! / Die reinste Liebe schwelle / mein ganzes Herz zu dir empor!“

Diese letzten Zeilen zeigen, dass die eingangs beschriebene Floskelhaftigkeit nicht immer dominiert.

Zur Biographie ist zu sagen, dass er ein finanziell unabhängiger Dichter war, und am Landgericht tätig.

Anna Luisa Karsch (Karschin) (1722-1791)

Schreibt ein Gedicht „An Herrn Utz“: „Du, der, vom Weine berauscht, die Lust der Erde besungen, / Mir gab Apollo kein lyrisches Spiel / Bespannt mit Saiten von Gold, doch sind mir Lieder gelungen, / Süßklingend sang ich der Seele Gefühl.“

Anna Luisa Karsch hatte eine heftige Kindheit. Ihr Vater starb 1728. Die Mutter gab sie einem Verwandten, der ihr viel beigebracht hat, was sie dankbar erwähnt. 1732 holte die inzwischen verheiratete Mutter sie zurück, als Dienstmagd für die Stiefgeschwister und die Kühe. Sie heiratete 1738, bekam vier Kinder, der Mann trennte sich von ihr. Sie wurde 1749 mit einem anderen verheiratet, der nicht wie der erste gewalttätig aber Trinker war. 1761 konnte sie sich mit Hilfe anderer von dem Mann lösen und wurde aufgrund ihrer Dichtkunst, in der sie Familienmitglieder und Alltägliches besang und reflektierte, immer bekannter und wurde letztlich gerühmt und stand mit vielen Berühmtheiten in Kontakt. Ihre Gedichte sind hier zu finden: http://www.zeno.org/Literatur/M/Karsch,+Anna+Louisa/Gedichte

Das Trostgedicht („An Professor Sulzer, über den Tod seines Kindes“) gibt vielleicht in etwa das Motto ihres Lebens wieder: „Hier in der Welt voll Unruh, voller Sorgen / Bleibts vor dem trüben Blick des Sterblichen verborgen, / Warum Gott so verfährt; / Dort aber, wo vor hundert tausend Sonnen / Die Finsternis nie einen Sitz gewonnen, / Ist alles aufgeklärt.“ In „Eine Rede zu Gott über die Kürze der Zeit“ beschreibt sie, wie gedankenlos sie gelebt hat und bittet, bewusster leben zu können. Das heißt aber nicht, dass sie nicht häufig an Gott denkt („An Gott als sie bei hellem Mondenschein erwachte“): „Wenn ich erwache, denk ich dein! Du Gott…“. Sie besingt Gott als Schöpfer, die Vergänglichkeit des Menschen und schließt: „Ich lese, großer Schöpfer! Dich / Des Nachts in Büchern, aufgeschlagen / Von deiner Hand. O lehre mich / Nach deinem Lichte fragen! // Sei meiner Seele Klarheit, du / Regierer der entstandnen Sterne! / Und blicke meinem Herzen zu, / Daß es dich kennen lerne!“ (Zitiert nach Kemp) In dem „Morgen-Gesang an ihre Seele“ weiß sie: „O fühle deine Würde ganz, / Unsterbliche! Dir gab der, den die Sterne loben / Ein Theil vom himmlischen Glanz.“ Viele Gedichte sprechen Gott an, so im „Lobgesang nach tödtlichem Schmerz unter meinen Kindern gesungen“ (1789): „Meine Gefühle des Dankes, die sollen ihm glühen, / Bis mir die lobende Seele vom Munde wird fliehen“.

Für Karsch spielt der Gott, der ihr durch den christlichen Glauben verkündet wurde, eine große Rolle – die anderen, die römischen und griechischen Götter, die in der Zeit in der Dichtung modern wurden, sind „Erdengötter“ („An Gott bei dem Ausruf des Friedens“); in dem Gedicht „Die Allmacht und Güte Gottes“, bittet sie darum, dass Gott den „Zank und Tod“ dem ewigen Rebelle in der Hölle schicken möge.

Hingewiesen sei noch auf das „Lied an gefangene Lerchen“. Die Lerchen hat einer gefangen, „Der keinen Gott erkennt und ehrt.“ Sie besingt, wie sehr Lerchengesang die Menschen beglückt, und schließt: „Ihm will ich singen hohe Lobgesänge! / selbst meine Thränen sind sein Lied“ .

Die Texte gehen zu Herzen, sie kommen von Herzen und darum, so wird hier gesagt, hat Carl Philip Emanuel Bach auch ihren Text „Die letzten Leiden des Erlösers“ vertont: https://d3c80vss50ue25.cloudfront.net/media/filer_public/f8/70/f870abce-66ba-4601-bc22-4b24d8687752/2019-04-15_programmheft_daw_akademie_fur_alte_musik.pdf

Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)

Der große Klopstock – der auch Goethe beeinflusste und dann im Schatten Goethes langsam verschwand. Er ist in einem pietistischen Elternhaus groß geworden, studierte Theologie, lebte dann aber als Dichter. Knapp gesagt: Der Dichter ist frei, das zu dichten, was zu dichten er mag – und wie zu dichten er mag. Der aufgeklärten Vernunft wurde der Mensch als emotionales Wesen entgegengesetzt, der Kult um den Dichter als Genie beginnt sich langsam zu bilden.

Auch viele seiner Gedichte muss man ganz lesen, so Die Frühlingsfeyer Auszüge daraus geben nicht alles wieder. Der Gesamttext bildet eine Einheit. Ebenso An Gott und Dem  Allgegenwärtigen und Wißbegierde ; und natürlich: „Der Messias“.

Liturgie als Kunst wird hier deutlich: Morgengesang

Was an Klopstocks Texten, die im Gesangbuch aufgenommen wurden, besonders hervorsticht, ist der Mensch als Staub – die Größe Gottes – und Gott, der sich dem Staub erlösend zuwendet – und das Staubkorn Mensch sagt zu Gott: „Ja, ich lebe dir, ich sterbe dir! / Ja, Vater, Vater! Dein will ich auf ewig sein, auf ewig dein Versöhnter.“ („Auf ewig ist der Herr mein Theil“ 1834 [?]: 377). Aber der Mensch leidet Not – er ist empfindsam – und er benötigt Ermutigung: „Hilf unsrer Schwachheit, Geist des Herrn! / Zeig uns den Himmel dann von fern; / laß uns, wenn wir zum Vater steh´n, / getröstet seh´n, wie der uns liebt, / zu dem wir geh´n.“ („Dein sind wir Gott“ 1834 [?]: 847). Aber das Gericht wird erwartet: „Gib, daß keiner meiner Tage, / Vater der Unsterblichkeit! / im Gericht sich einst beklage, / er sei ganz von mir entweiht“ („Wenn ich eins aus jenem Schlummer, welcher Tod heißt, aufersteh“: 1834,765).

Die im oben genannten Text „Wißbegierde“ letzte Strophe ist äußerst heftig:
„Saat sä´n sie, deren Ernte Verwilderung ist!
Des Menschen Rechte leugnen sie; leugnen Gott!
Schweigt jetzt, nicht leitend, Gott? und kannst du,
Furchtbares Schweigen, nur du uns bessern?“

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