Man kann Fanatiker nicht voneinander unterscheiden – in ihrem Verhalten.
Es gibt linke und rechte Fanatiker, religiöse und atheistische – und dann freilich auch die vielen Alltagsthemen-Fanatiker.
Die Verhaltensweisen sind gleich, die Einstellung zum Gegner ist gleich. Sie beißen sich fest – es dreht sich alles um die Gegner, es gibt keine Gelassenheit, sie sind im Grunde Sklaven derer, die sie sich als Feinde ausgesucht haben. Der Lebenssinn dreht sich darum, den Gegner zu bekämpfen. Dabei sind auch alle Mittel recht – denn der Gegner hat so eine Macht, in ihren Augen, dass, wenn er gewinnen, die Welt untergehen würde. Alle Mittel sind recht – auch in der Demokratie werden alle Möglichkeiten, die sie bietet, bis zum Zerreißen der Rechtsgrundlage angewandt. Was menschlich ist, was moralisch richtig ist, das wird gar nicht mehr reflektiert – denn alles, was der andere macht, ist verwerflich – also muss ich alle Mittel anwenden, die auch er anwendet bzw. die ich ihm anzuwenden unterstelle.
Menschen, die gar nicht zum Gegner gehören, werden automatisch diesem zugerechnet, wenn er sich nicht auch fanatisch auf die Seite des Fanatikers ziehen lässt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Schwarz-weiß-zeichnen, dualistisches Denken, das ist dem Fanatiker eigen. Grautöne sind ihm nicht lieb, differenzieren ist ihm nicht lieb, am Feind das Gute zu erkennen ist ihm verhasst, weil das schon bedeutet, den Feind gelassen zu nehmen. Man scheut sich, den Feind als normalen Menschen zu sehen. Denn wenn man ihn als normalen Menschen sieht, dann kann man ihn nicht mehr so rigoros bekämpfen.
Wer nicht für uns ist, ist gegen uns – dieser Satz kommt aus dem Neuen Testament. Ihm entgegengestellt wird im Neuen Testament der Satz: Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Dieser letzte Satz lässt Freiraum und ist auch eher der Haltung Jesu zuzuordnen. Darum: Christen sind heutzutage zumindest in unseren Breiten weniger als Fanatiker für ihre Religion auffällig – würde auch schlecht zu ihrer Grundlage, dem Neuen Testament passen. Dafür wenden sie sich in der Neuzeit eher politischem Fanatismus zu.
An alle fanatische Christen – wenn es sie denn gibt: Wir können Gott dankbar sein, dass er alle liebt – meinen fanatisch bekämpften Gegner wie mich. Wie sagt Jesus: Gott lässt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse, über Gerechte und Ungerechte. In diesem Kontext sagt er auch: Liebt eure Feinde. Bittet für die, die euch verfolgen… (Matthäus 5,43ff.). – Auf diese Weise bricht Jesus Fanatismus auf. Ich sehe ihn als Menschen. Er sagt auch: Segnet die, die euch fluchen – das heißt: Man soll dem anderen verbal und mit Taten als Mensch entgegentreten, der jesuanische Gesinnung hat – und sich nicht mit dem Fanatismus verbinden. Jesus spricht an dieser Stelle freilich von einem wirklichen Feind – und nicht von einem Menschen, den ich mir als Fanatiker zum Feind mache. Aber ich denke, der Maßstab Jesu gilt auch dann – erst recht.
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