Abschieben nach Afghanistan? + Lebensstandard als Grund, nicht abzuschieben

Dürfen Migranten nach Afghanistan abgeschoben werden? Ich halte das Thema für sehr heikel, aber nicht aus dem üblichen Blickwinkel: Die Armen, sie werden den Taliban ausgeliefert…

Wieweit gibt es in Afghanistan noch innerhalb des Landes Fluchtmöglichkeiten? Diese müssen berücksichtigt werden. Wie in Nigeria: Gekämpft wird in Teilen von Nordnigeria – aber ansonsten ist es verhältnismäßig friedlich. Und das ist fast überall der Fall. Wenn man diese Binnenflucht-Möglichkeit nicht akzeptiert, dann muss man alle Flüchtlinge zu uns kommen lassen, aus jedem Land. Überall geht es ihnen schlechter als bei uns. Aber das ist absurd. Auch wenn ich nicht glaube, dass das jeder einsieht – in einer Zeit, in der man Absurditäten gerne aus emotionalen Gründen ausblendet.

Aber was für mich die Sache heikel macht, ist, dass man etwas aussprechen muss, was massiv Ärger hervorrufen kann: Es fliehen zu uns überwiegend junge Männer. Diese jungen Männer lassen ihre Länder im Stich. Sie lassen ihre Frauen im Stich, ihre Mütter und Schwestern. Sie lassen ihre Wirtschaft im Stich, sie fördern nicht den Aufbau des Landes zum Guten gegen die Extremisten – sie hauen einfach ab. Diese Möglichkeit haben eben Frauen und Kinder und Alte nicht oder kaum. Sie werden einfach den Extremisten in den Rachen geworfen.

Aus meiner Perspektive müsste es eine Frage der Ehre sein, sich in seinem Heimatland für das Weiterkommen des Landes zu engagieren. Sich engagieren gegen die Extremisten, sie in die Schranken weisen. Je mehr das tun, desto einfacher geht das. Wenn aber alle, die das potentiell könnten, abhauen und nur die Schwachen im Land lassen, liefern sie diese und die übrig bleibenden Tapferen den Extremisten aus.

Und nun muss das Problem benannt werden: Darf man Menschen in einen Krieg schicken, wenn diese gar nicht kämpfen wollen? Und da sträuben sich bei unseren Frieden liebenden Menschen alle Nackenhaare – auch meine. Aber: Würde ich es wollen, dass ich abhaue, wenn die wehrlosen Menschen meines Landes von irgendwelchen blutrünstigen Fanatikern bedroht werden? Frei nach Kant: Tue das, von dem du meinst, das könne allgemeines Gesetz werden: Und es kann kein allgemeines Gesetz werden: Ich bin feige, haue ab, lass die Menschen allein. Das widerspricht auch mein Gefühl von Ehre, das diese Leute doch so gerne im Mund führen. Und der Spruch, stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin – hat sich in seiner ganzen Absurdität da erwiesen, wo es um den Kampf gegen Terrorgruppen geht.

Wenn Minderheiten fliehen, ist das etwas anderes. Aber wenn junge Männer einfach abhauen – dann muss ich sagen: Dann stimmt was mit dem Land und seiner Kultur nicht. Und ob wir Feigheit unterstützen sollen? Nein.

Das andere: Natürlich bringen diese geflohenen Männer Tantiemen: Sie schicken Geld nach Hause. Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Länder froh sind, wenn die junge Männer abhauen. Aber das kann unser Europa nicht leisten, all diese Männer aufzunehmen, weil sie das Gleichgewicht der Gesellschaft sprengen. Darum ist es wichtiger, die tapferen Menschen vor Ort massiv zu unterstützen.

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Zudem: Wir kommen nicht umhin, uns in Afghanistan wieder stärker militärisch zu engagieren: http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/international/500-000-Binnenfluechtlinge-in-Afghanistan;art46446,901615 Es gibt immer noch Leute, die über das Wort lachen: Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt. Aber denjenigen, die darüber lachen, kann man schon heute wie damals eine Portion Unwissen über die politischen Zusammenhänge unterstellen. Fällt Afghanistan, fällt Pakistan. Fällt Pakistan, fallen manche ehemalige Sowjetische Staaten. Afghanische Flüchtlinge und Flüchtlinge aus den von Extremisten eroberten Ländern strömen in Massen aus nach Europa, verunsichern Europa, so wie sie es schon jetzt tun, indem sie die Bevölkerung aufmischen (noch relativ wenig, weil es nicht viele sind). ich habe das übrigens schon gesagt, bevor die Alliierten beschlossen haben, ihr Engagement in Afghanistan zu reduzieren. Die Folgen haben wir schon ansatzweise im Land zu spüren: http://www.all-in.de/nachrichten/deutschland_welt/politik/Bundeswehr-Kommandeur-in-Afghanistan-will-langfristiges-Engagement;art15808,2381925

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Noch eine Anmerkung: Es kann schlicht und ergreifend kein gutes Argument sein, dass es Menschen an anderen Orten der Welt schlechter geht als bei uns, darum darf man sie nicht ausweisen. Es geht in fast allen Ländern der Welt den Menschen schlechter als uns: sogar den Griechen, manchen Italienern, Rumänen, Bulgaren, Moldawien – um nur in Europa zu bleiben. Das ist doch weltfremd, den Lebensstandard als Maßstab zu nehmen, ob man einen Menschen abschieben darf oder nicht.

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