"Liebe" wird zum Maßstab für alles. Wenn Menschen einander lieben, dürfen sie alles. wenn Wissenschaftler Menschen finden, die sie bei der Liebe helfen können – dürfen sie alles. Liebe ist Maßstab für alles. Eine Ethik der Liebe bedeutet: Menschen dürfen alles, wenn sie lieben – was auch immer Liebe ist: http://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/ethikrat-vorsitzender-frage-nach-der-zeugung-ist-nicht-primaer-98121/
Ich finde das Wort des Kirchenvaters Augustinus von Hipo: Liebe – und tue was du willst äußerst wichtig.
Aber: Ich beginne so langsam ein Problem damit zu haben, wenn dieser Satz wie in unserer Moderne verkürzt wird, aus dem Kontext gerissen wird. Denn jegliche Ethik wird heute mit einem leeren Begriff “Liebe” ausgehebelt. Darf man klonen? Klaro, wenn Liebe im Spiel ist.
Wer aber die Liebe zum höchsten Maßstab erklärt, wird Schwierigkeiten bekommen: Pädophilie, Zoophilie… – warum nicht, wenn die Menschen usw. einander lieben – und wer mag dem wirklich widersprechen, dass auch Tiere uns Menschen lieben – zumindest sehen wir das in ihren uns spiegelnden Augen? Auch darf man den anderen aus Liebe der Sterbehilfe zuführen: Ich liebe den Schwerkranken, also darf ich sein Ableben veranlassen, ich liebe mein ungeborenes behindertes Kind und möchte ihm Leiden ersparen, also darf ich es abtreiben bzw. sogar nach der Geburt töten, meine Selbstliebe hindert, dass ich das Kind austrage, wenn Erwachsene Kinder lieben und die Kinder die Erwachsenen – warum sollen sie nicht heiraten? …
Und wenn man sich dann nicht mehr liebt, dann darf man auch alles – zumindest aus der Sicht dessen, der nicht mehr liebt. Alle, die weiter lieben, die bleiben auf der Strecke, denn man darf den Nichtliebenden ja nicht zwingen zu lieben, das geht nicht. Also hat man neben der Liebe doch noch einen heimlichen Maßstab: Der Stärkere entscheidet. Er entscheidet über Sterbehilfe, er entscheidet über Abtreibung, er entscheidet einfach über die Trennung vom anderen.
Liebe muss von anderen ethischen Maßstäben flankiert werden, damit sie als Maßstab nicht brutal wird.
Interessant finde ich auch, dass ein Maßstab für Liebe die Individualethik ist. Die Gemeinschaft, die Gesellschaft spielt auf einmal keine Rolle mehr. Der Einzelne entscheidet, was ihm gut tut – und auch auf Kosten des anderen. Die Liebe des Einzelnen darf nicht Maßstab für alles werden. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, das heißt, es gibt auch andere Kriterien für ein notwendiges Zusammenleben. Angesichts der Ideologisierung des Begriffs “Liebe” wünscht man sich doch ein wenig mehr Utilitarismus in der Diskussion.
Auch der Satz des Augustinus steht nicht in einem Luftleeren Raum, sondern wächst auf dem Boden der Gottesliebe. Wenn der Mensch sich von Gott geliebt weiß, wenn er mit dem liebenden Gott eine Einheit ist, dann liebt er, dann erst darf er tun, was er will. Weil er dann eben nur noch das tut, was Gott will – Gottes Liebe spiegelt – und das ist wirklich zum Wohl der Menschen.
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