Christen verändern die Welt (8): abschließende Bewertung

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Dass der christliche Glaube intensiv die Kunst, Musik und Literatur wie Architektur beeinflusst hat, steht außer Frage. Einen Überblick über diese Kapitel werde ich nachliefern.

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Beurteilung:

Das Buch von Schmidt kann nur eine erste Einleitung sein. Es öffnet den Blick dafür, dass Christen die Weltgeschichte massiv beeinflusst haben – weltweit. Es ist jedoch einseitig. Schmidt hat Recht, einseitig zu sein, denn es gibt ja auch viele Bücher, die dem Christentum in Abrede stellen, überhaupt Positives in die Welt gebracht zu haben. Diese sind ebenso einseitig. Das Verdienst dieses Buches besteht darin, dass es gegen die moderne Selbstverliebtheit angeht, die meint, erst mit dem 18. Jahrhundert fängt die wahre menschliche Geschichte an, bzw. die sämtliche innovative Christen ausklammert oder sie erwähnt, aber nicht als Christen erwähnt.

Dieses Buch hat jedoch handwerkliche Mängel. Es zitiert antike Quellen aus unterschiedlichsten Epochen, unterschiedlichsten Strömungen – und das in einseitiger Auswahl. Man könnte auch andere Texte zitieren, die eine andere Intention wiedergeben. Er hat zwar darin recht, dass er den Mainstream nachzeichnet und manchmal auch darauf hinweist, dass es andere Sichtweisen gibt, aber das ist zu oberflächlich.

Zudem wird die moderne Philosophie zu einlinig aus dem Christentum hergeleitet. Sie steht ohne Zweifel in christlicher Tradition, was von anderen Autoren zu leichtfertig verneint wird, aber es gab doch auch eigenständige Weiterführungen, die man nicht so einfach unter den Tisch fallen lassen darf. Das wird auch hin und wieder angedeutet – aber nicht genug begründet.

An Literatur ist zum Teil sehr alte Literatur herangezogen worden. Alte Literatur hat manchmal den Vorteil, dass sie noch nicht durch die ideologische Brille der modernen Wissenschaft geschaut hat. Aber es wäre doch wichtig gewesen, auch die neuere Forschung intensiver mit heranzuziehen.

Zudem ist die protestantische westliche Sicht sehr dominant. Das bedeutet, dass die unterschiedliche Entwicklung in der Orthodoxen Kirchen nicht berücksichtigt wird. Auch das Christentum ist nicht einlinig zu betrachten, sondern hat unterschiedliche Auswirkungen gehabt. Vielfach hat es sich wieder den alten Machtstrukturen, den Unrechtssystemen angepasst. Es musste häufig unter Schmerzen, Verfolgung und Märtyrertod von Christen durch Christen zur wahren Botschaft zurückgeholt werden. Man muss auch sagen, dass die byzantinischen Errungenschaften und Einflüsse auf den Westen in dem Buch zu kurz kommen.

Ich selbst hätte vieles auch weniger kontrastiv formuliert. Für mich wirkt der Leben-Erhaltende Geist Gottes in allen Völkern, wenn er auch in vielen durch die Sünde der Menschen äußerst verdunkelt ist. Und Jesus Christus musste sozusagen erst wieder das glimmende Feuer anfachen. Aber das heißt eben nicht, dass es nur dunkel war, sondern dass außerchristlich so mancher Funke glomm. Das haben auch die frühen Christen, einschließlich Paulus so gesehen. Prüfet alles – das Gute behaltet, so Paulus. Man konnte eben auch als Christ Jüdisches und Heidnisches prüfen, weil der Geist Gottes in ihnen wirkte. Christen haben auch viele Aspekte der heidnischen und jüdischen Philosophie aufgenommen, allerdings aus christlicher Perspektive.

Interessant an dem Buch finde ich die Ansätze, die darlegen, dass zum Beispiel das Kleben an heidnischen philosophischen Traditionen, das Kleben an den alten Traditionen der Kultur dazu geführt hat, unchristlich zu agieren. Das also, was man heute Christen vorwirft, dass sie dies und jenes falsch gemacht hätten, wird auf diese heidnischen oder urmenschlichen Traditionen zurückgeführt. Der Autor kann das begründet tun, weil im Neuen Testament eben das, was diese fehlgeleiteten Zeiten mit der heidnischen Tradition als richtig ansahen, als ungöttlich dargelegt worden ist. Papst Johannes XXXIII. soll sinngemäß einem Kommunisten gesagt haben: Die Kirchen haben es 2000 Jahre lang nicht fertig gebracht, Christus zu besiegen, dann werden die Kommunisten es auch nicht schaffen. Das Christentum hat viel für die Menschheit geleistet – aber hochmütig werden, das ist nicht drin, weil es zu häufig Jesus Christus verlassen hat. Das vor lauter Freude an der Inkulturation und Intemporierung.

Der Titel spricht davon, dass das “Christentum” die Welt veränderte. Ich habe daraus oben im Titel “Christen” gemacht. Das Christentum ist ein disparater Haufen, sehr vielfältig und hat zum Teil kaum mehr etwas mit dem christlichen Glauben zu tun. Von daher liegt es mir näher, von Christen zu sprechen. Aber nichts desto trotz ist dieses in dieser disparaten Gruppe vorherrschende Weltbild, Gottesbild, Menschenbild das, was Anstöße zu einer ganz neuen Weltbetrachtung und -behandlung mit sich brachte.

Von daher gilt das, was ich zum Islam sagte: Manche Muslime versuchen verzweifelt das Eine oder Andere zu finden, das auch Muslime erfunden haben. Es kommt nicht darauf an, was Einzelne erfunden haben, es kommt auf die gesamte Weltsicht an: Ist sie offen für Innovationen, ermöglicht sie eine freie, gleichberechtigte, gerechte Gesellschaft. Denn die Frage stellt sich: Warum ist gerade die jüdisch-christlich geprägte Welt in wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher, philosophischer, künstlerischer Hinsicht so innovativ. Und dass sie es ist, ist einmal nicht zu leugnen und zum anderen, und das zeigt das Buch, springt die Moderne zu kurz, wenn sie alle Innovation nur den letzten 300 Jahren zuschreibt. Dem Christentum werden von manchen Innovationen zugestanden – aber dann, um diese zu kritisieren: Menschlichkeit des Christentums führt zur Überbevölkerung usw.

Das Buch von Schmidt gibt einen ersten Überblick, gibt viel zu denken. Wer nicht viel von der Antike und dem Christentum durch die Zeiten weiß, der wird viel lernen. Von daher ist es als Einstieg empfehlenswert.

Zurzeit lese ich das Buch von dem Inder Vishal Mangalwadi: Das Buch der Mitte. Er beschreibt die Bedeutung des Christentums aus indischer Sicht. Wenn die Zeit es zulässt möchte ich es auch im Blog darlegen.

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