Das, was die Islamisten bieten, ist eben nur eine Lesart des Koran.
Das, was Tahir Chaudhry bietet, ist auch nur eine Lesart des Koran.
Und nun stellt sich für den Nichtmuslim die Frage: Welche Lesart hat die Mehrheit? http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-05/is-terror-unislamisch Natürlich muss die Mehrheit nicht richtig liegen. Natürlich müssen auch diejenigen nicht richtig liegen, die die größte Gewalt und Macht ausüben. Nur: Was haben wir davon? In der Gegenwart nichts, man muss nur aufpassen, dass man nicht herumdöst und nicht bemerkt, dass man durch Islam-Light-Worte von der Mehrheit bzw. den Mächtigen abgelenkt wird, und ihnen auf diese Weise zum Opfer fällt.
Man kann nur Wünschen, dass Tahir Chaudhrys Sicht in der Zukunft eine Mehrheit findet – wobei natürlich kaum anzunehmen ist, dass die Muslime nun Ahmadiyya werden, aber ich meine damit die Sicht vom Koran, die er den Lesern hier bietet. Das würde unseren Kindern und Kindeskindern viele Schwierigkeiten ersparen.
Ein Schritt dahin wäre allerdings auch von Tahir Chaudhry noch zu machen: Es sind nicht allein die ungebildeten Muslime, die den Koran gewalttätig auslegen. Das ist Selbstbetrug. Es sei denn, man bezeichnet alle, die den Koran traditionell auslegen als Ungebildete. Aber das ist doch sehr gewagt.
Zudem spricht Tahir Chaudhry vom Koran. Und was ist mit den Ahadith? Diese haben ja auch keine geringe Auswirkung auf die Theologie des Islam. Da können Sunniten und Schiiten ein langes Lied drüber singen.
Zudem ist die Frage noch nicht allgemein beantwortet: Ist der Islam noch Islam, wenn nun bestimmte Menschen den Koran und Ahadith mit westlichem Duktus auf ihre Weise eklektisch auslegen?
In den letzten Absätzen kommt doch sehr stark der Ahmadiyya-Ansatz heraus: Der Islam benötigt keine Aufklärung, Muslime benötigen einen Reformator. Wen hört man da? Mirza Ghulam Ahmad http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya.
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Ednan Aslan setzt sich dafür ein, dass Muslime den Islam europäisch prägen: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/4735808/Die-Grundlagen-eines-Islam-europaeischer-Praegung
An diesem Ansatz ist interessant, dass er den Islam im Geiste des Islam weiter entwickeln möchte: Wie damals die Haltung Mohammeds zur Frau revolutionär gewesen sei (was ich ehrlich gesagt nicht verstehe – Jesus war schon sehr viel weiter – ist aber jetzt egal), so sei aus diesem Geist heraus in unserer Gesellschaft die Stellung der Frau revolutionär weiterzuführen. Den Koran selbst gelte es kontextuell zu interpretieren. Das wäre schön – aber immer wieder meine Frage: Ist das noch der Islam wie ihn der Koran fordert? Ist Allahs Wort = das Buch im Himmel nur kontextuell zu verstehen? Ich verstehe den Wunsch freierer Geister, aber wenn diese Sicht illusorisch ist, kann sie sich dann wirklich weltweit durchsetzen? Na klar, wenn alle Muslime Europas und Nordamerikas sagen würden: Das ist der wahre Islam – aber das tun ja nur ein paar. Mögen es immer mehr werden.
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