Würde des Menschen

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Keiner von uns würde sagen, dass nicht jeder Mensch Würde hat – und dass die Würde keines Menschen angetastet werden darf.

Die Realität ist jedoch – wie immer – das Problem.

Wird die Würde angetastet, wenn ein geistig behindertes Kind oder ein geistig schwerfälliges Kind nicht aufs Gymnasium darf?

Hier widerstreiten sich Wunsch und Verstand. Wir wollen alle gleich behandeln – aber entspricht es wirklich der Würde eines Menschen, ihn permanent zu überfordern und zu zeigen: Du bist anders?

Wird die Würde angetastet, wenn nicht jeder, der ein Leben in Europa oder den USA ersehnt, aufgenommen wird?

Hier widerstreiten Mitleid und Verstand: Allen Menschen soll es so gut gehen wie den bürgerlichen Menschen bei uns (die eigenen Armen werden jedoch häufig übersehen) – aber Ist es wirklich möglich, offene Grenzen zu haben, ohne die Gesellschaft zu zerstören?

Wird die Würde angetastet, wenn ein Kind abgetrieben wird?

Hier widerstreiten das Selbstbestimmungsrecht der Frau und die Würde des Ungeborenen, sei es Behinderten, gesunden aber Ungewollten – mit Blick auf andere Kulturen: Würde der ungeborenen Mädchen.

Wird die Würde angetastet, wenn ein Mensch ins Gefängnis muss, weil er kriminell ist? Darf einer getötet werden, weil seine Vergehen gegen andere Menschen horrend sind? Das Selbstbestimmungsrecht wird angetastet.

Hier widerstreiten Selbstbestimmungsrecht und der Wunsch der Gesellschaft, nicht Kriminellen ausgeliefert zu sein.

Stehen Menschenwürde und Tierwürde auf einer Stufe, sodass der Mensch nicht mehr Fleisch essen, Tiere halten (Arbeitstiere, Tier-Freunde)  bzw. zu Forschungszwecken verwenden darf?

Hier widerstreiten Evolutionslehre (alle Lebewesen sind gleich – nicht Sozialdarwinismus) und Mitleid mit Gesundheit, Verstand, Tradition.

Wird die Würde angetastet, wenn nicht jeder seine ihm eigenen sexuellen Triebe ausleben darf?

Hier widerstreiten Selbstbestimmungsrecht, Recht des Stärkeren, Sexuelle Triebe und der Wunsch der Gesellschaft nach einem möglichst geordneten Sexualleben, weil die Sexualität eine Macht ist, die Gesellschaften ins Chaos treiben kann (Unterwerfungen, Vergewaltigungen, Morde, Spaltungen, Recht des Stärkeren/der stärkeren Gruppe…).

Wird die Würde angetastet, wenn einer sich nicht selbst – aus welchen Gründen auch immer – töten darf?

Hier widerstreiten Selbstbestimmungsrecht und das Interesse der Gesellschaft. Und da wird es spannend: Welches Interesse? a) In Übereinstimmung mit dem Selbstbestimmungsrecht: Möglichst billig davon zu kommen, wenn es sich um Schwerstkranke handelt; b) Gegen das Selbstbestimmungsrecht: Möglichst jeden Menschen zu behalten und ein würdiges Leben zu ermöglichen.

Hin- und hergerissen zwischen Prinzipien, Mitleid, Verstand, Tradition, Macht kämpfen die unterschiedlichsten Gruppen in der Gesellschaft gegeneinander – und es findet der Kampf auch in den jeweiligen Individuen selber statt.

Diese Kämpfe sind auch zu erwarten, weil es für die ethischen Verhaltensweisen unabhängig von der Religion keine Letztbegründungen gibt. Alles muss ausgehandelt werden, das heißt: letztendlich siegt die Mehrheit – wobei Mehrheit auch bedeuten kann: die öffentlich dominante Mehrheit, die alle anderen Stimmen beiseite drängen kann, auch wenn die tatsächliche Mehrheit anders fühlt und denkt. Bis diese sich nach einer Zeit wieder durchsetzt.

Ohne Religionen gibt es keine Letztbegründung. Und ich denke, dass Christen diesen Widerstreit auch in sich selbst verdeutlichen – aber dann auch gleichzeitig mit Berufung auf den Glauben Stellung beziehen müssen. Denn der christliche Glaube – um es nicht theologisch zu sagen – beinhaltet die Erfahrungen von zahlreichen Generationen, die ihre Erfahrungen mit all dem gemacht haben, was wir kennen oft aber nicht mehr kennen, weil die Gesellschaft eben christlich geprägt ist – doch wir meinen, mit menschlichen Eigenarten wieder neu experimentieren zu müssen. Menschen sind frei, herumzuexperimentieren – doch das bringt immer viel Leid mit sich, bis Gottes Geist wieder ordnend eingreift.

* Von der Politik muss man verlangen, dass sie Kompromisse zwischen den jeweiligen Ansichten sucht und sie auch möglichst gegen Minderheitenmeinungen durchsetzt – manchmal aber auch Mut zur Minderheitenmeinung hat.

* Von der Bevölkerung muss man verlangen, dass sie sich nicht extremistisch von Mitleid oder Verstand oder Ideologie bestimmt auf Individualismus oder Gesellschaft versteift, sondern Kompromisse mitträgt.

* Von den Christen muss man verlangen, dass sie ihren Glauben tatkräftig einbringen, klug und werbend einbringen, aber den Andersdenkenden – auch wenn sie furchtbar Irrende sind – mit demokratischen Mitteln beharrlich begegnen.

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