Ich hatte den Eindruck, dass am 9. November bei so manchem Zeitgenossen weniger die Opfer des Rechtsfaschismus im Blick standen, sondern eher die Erziehung der Zeitgenossen zu einer Willkommenskultur. Eine solche Instrumentalisierung gehört verboten. Warum? Man könnte den 9. 11. auch in eine andere Richtung instrumentalisieren: Politiker, die ihr für die Zuwanderung verantwortlich seid, passt auf, dass ihr die Bevölkerung nicht überstrapaziert, denn nach Kenntnis von Menschheit und Geschichte kann das in Notlagen dazu führen, dass Ideologen herkommen und Menschen beginnen, Fremde zu bekämpfen. Politische Kurzsichtigkeit kann ein zweites 9.11. zur Folge haben.
Der 9.11. darf nicht dazu herhalten, politische Andersdenkende als faschistisch zu brandmarken: Jeder, der nicht sagt, wir öffnen die Grenzen für alle, vertritt somit keine Willkommenskultur und wird als Faschist diffamiert, der dazu führen könnte, dass ein neuer 9.11. die Gemüter erregt. Normale Bürger und Politiker, die mit Faschismus nichts am Hut haben, werden aufgrund ihrer Vorsicht in die Nähe der Faschisten gerückt. Diese Vorgehensweise ist gleichzusetzen mit Argumentationsverweigerung, mit politischem Fundamentalismus. Man arbeitet mit Totschlagsargumenten.
Der 9.11. muss primär dazu dienen, wie im Blog schon gesagt, die Opfer des Rechtsfaschismus aus dem Vergessen zu holen. In einem zweiten Schritt muss gefragt werden: Was können wir daraus lernen? Wir lernen, dass Menschenverachtung keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft haben darf – und das kann man gegen gegenwärtige Rechtsfaschisten und andere anbringen. Unfair ist es, die politische Vernunft auf diese Weise auszuschalten. Denn man muss in einer Gesellschaft über den richtigen Weg streiten dürfen, ohne in die faschistische Ecke gedrängt zu werden, nur weil man eine andere Meinung vertritt.
Um nicht missverstanden zu werden: Wir haben mit Flüchtlingen menschenwürdig umzugehen. Das bedeutet für mich jedoch nicht, alle über die Grenzen zu lassen. Denn ich befürchte, dass das nicht gut geht, weil sie von der Gesellschaft nicht aufgefangen werden können. (Ich habe im Blog schon häufiger meine Sicht dargelegt, wie es evtl. klappen könnte – mit einer Art Migrantenpatenschaft.) Das bedeutet jedoch, dass sie, wenn sie im Land sind, dem Recht entsprechend – ohne ihre Würde zu missachten – zurück befördert werden müssen, wenn es keine politischen – religiöse, weltanschauliche, neuerdings also auch sexuell besonders orientierte… – Flüchtlinge sind.
Für mich bedeutet Würde: Dafür zu sorgen, dass in den Heimatländern die Bedingungen besser werden und man als Europa alles dazu tut, dass sie besser werden. Denn es gehört nicht zur Würde der Menschen, Bedingungen zu fördern, die sie dazu bringen, flüchten zu müssen. Das bedeutet: Gerechten Handel forcieren, Länder nicht mit billigen Waren aus Europa überschwemmen, Korruption bekämpfen, Ländern helfen, ein menschenwürdiges Rechtssystem aufzubauen. Das bedeutet, die Menschenhändler mit allen gebotenen Mitteln zu bekämpfen, denn allein sie haben ein Interesse daran, dass die Menschen ihr Heimatland verlassen. Das bedeutet auch, dass man in den Medien vor Ort deutlich macht, dass Europa kein Schlaraffenland ist, in dem man sich in die Hängematte legt und die gebratenen Hähnchen in den Mund fliegen, sondern dass man auch in Europa schauen muss, wo man bleibt – und manche bleiben in Armut.
Aber diese Themen haben beim Gedenktag der Opfer des 9.11. nichts zu suchen – der sollte eben diesen Opfern vorbehalten bleiben.
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