Sklave ist ein Mensch, der nicht sich selbst gehört, der einem anderen gehört – und zwar ganz: mit Leib, Geist, Seele.
Sklaven waren in der Antike ein Bestandteil des gesellschaftlichen Systems. Ein sehr großer Teil der Bevölkerung bestand aus Sklaven. Eine kleine Oberschicht der Herren knebelte eine große Gruppe von Menschen. Das Leben von Sklaven konnte ungemein brutal sein, weil die Herrinnen und Herren mit ihnen machen konnten, was sie wollten. Man muss auch bedenken, was dieses Wissen, nicht sich selbst zu gehören, mit den Sklaven machte: Man ist wertlos, man hat keine Rechte, man ist im Grunde ein Tier, das einen Menschen gehörte. Reiche mussten zudem Sklaven haben, da es verpönt war, mit seinen eigenen Händen zu arbeiten. Manche benötigten gebildete Sklaven, um eben Kinder bilden zu können – es gab hohe Sklaven, wichtige Sklaven – aber sie waren Sklaven. Sklaven sind die Grundlage für Reichtum und Wohlergehen gewesen. Sklaven sind die Grundlage des Systems gewesen. Man darf nicht unterschätzen, wie massiv dieses System war. Die gesamte Gesellschaftsordnung war auf diesem System aufgebaut. Und begründet wurde dieses System unter anderem mit der Natur, der Ordnung – wie Aristoteles meint: Menschen werden zu Sklaven geboren – also müssen sie es auch sein.
Wir nennen es heute „strukturelle Gewalt“ – man ist eingebunden in ein System der Gewalt, merkt es vielfach nicht – und wenn man es merkt, kann man im Grunde kurzfristig als Individuum bzw. als kleine Gruppe nichts dagegen tun.
Im Orient waren übrigens alle Sklaven des Herrschers – auch die höchsten Beamten.
Israel
Das Volk Israel wurde aus der Sklaverei befreit. Von daher durfte das Volk keine jüdischen Sklaven haben. Es gab nur Schuldknechte, die nach einer bestimmten Zeit wieder entlassen werden mussten, es sei denn, sie wollten beim Chef bleiben (5. Buch Mose 15,12ff. / 3. Mose 25,1ff.), das heißt es gab Menschen, die sich selbst gehörten, aber sich anderen zur Verfügung stellten, oder wenn ein Sklave entlaufen ist und bei einem Schutz suchte, soll er ihn nicht ausliefern (Dtn 23,16ff.) Andererseits durften Nichtisraeliten gekauft werden und sie konnten dann dem eigenen Besitz zugeführt werden (3. Mose 25,44ff.). Eines der 10 Gebote sieht: Du sollst nicht deines Nächsten Haus, Frau, Knecht, Magd, Vieh und Sachbesitz verlangen (Dtn 5/Ex 20). Das schließt nicht Sklaverei im modernen Sinn ein, sondern steht im Kontext des Genannten. Am Sabbat durften übrigens auch Sklaven nicht arbeiten.
Im hebräischen Bereich wird der Begriff Sklave auch verwendet in dem Sinne, dass man als Mensch Gott gehört.
Jesus
Wie sieht das im NT aus? Bei Jesus sind Sklaven kein eigenes Thema. Sie werden in Gleichnissen genannt, um das Verhältnis zwischen Gott und Mensch zu verdeutlichen. Sie waren vermutlich kein Thema Jesu, weil Sklaverei in Galiläa kein relevantes Thema war.
Paulus
Als das Christentum dann in die heidnische Welt überging, wurde auch das Thema der Sklaverei relevant. Sklaven waren auch das Ziel der Verkündigung der frühen Kirche. Und so erhöhte sich das Ansehen der Sklaven in den kleinen Gemeinden. Sie wussten sich von Gott geliebt, sie waren keine Tiere, keine, die als Menschen Sklaven sein mussten, sie waren eben Teil derer, die sich vom Evangelium angesprochen fühlten. Und so bestand dann die Gemeinde bald sowohl aus Herren als auch aus Sklaven. Die christlichen Sklaven wussten sich – auch als Sklaven – frei. Diese Sicht, die auch die Stoiker verkündeten, man kann auch als Sklave frei sein, kam aus der hohen Philosophie hinunter zu den ganz normalen Alltagssklaven – sie wurde nicht nur gedacht, sondern auch realisiert.
Paulus thematisiert Sklaven ganz kurz, so im 1 Korintherbrief 7. Diese Stelle ist nicht eindeutig auszulegen: a) wenn du, Sklave, frei sein kannst, dann wolle es – oder: b) wenn du frei sein kannst, wolle lieber Sklave bleiben. Ich verstehe sie so: Paulus ruft Sklaven nicht dazu auf, Freiheit zu erkämpfen. Wenn sich aber die Gelegenheit bietet, sollen sie sie ergreifen, wenn sie sich nicht bietet, sind sie auch als Sklaven freie Menschen. Dass Paulus auf Sklaven eine positive Wirkung hatte, das sieht man daran, dass ein Sklave namens Onesimus, der dem Gemeindeglied Philemon gehörte, zu Paulus geflohen ist. Paulus schickt diesen zurück, aber mit der Auflage, ihn wie einen Bruder zu behandeln. Und diese Sicht war revolutionär. Sie wird auch in anderen Aussagen des Paulus deutlich: „Denn durch den Glauben an Jesus Christus seid ihr nun alle zu Kindern Gottes geworden. Ihr gehört zu Christus, weil ihr auf seinen Namen getauft seid. Jetzt ist es nicht mehr wichtig, ob ihr Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen seid: in Christus seid ihr alle eins.“ (Galater 3,26ff.; vgl. Apg 2,18) und im 1. Korintherbrief heißt es ähnlich, da wird nur noch hinzugefügt, dass sie alle zu dem einen Körper Jesus Christus gehören. Und das muss man sich vorstellen: In den Gemeinden sitzen beim Abendmahl auf einmal Menschen zusammen, die Herren früher als Vieh angesehen haben – und als Sklaven sitzt man auf einmal mit Herren zusammen, die einen verachtet haben, aber nun mit ihnen gemeinsam zur Einheit Jesu Christi gehört. Das konnte dann zu der Aufforderung führen, dass man dem Herren als Bruder umso gewissenhafter diente (1Tim 6,2). Das bedeutet, dass man als christliche Gemeinde nicht dadurch auffallen wollte, dass man der Sklavenbefreiung das Wort redete. Wobei zu sehen ist, dass die Sklavenbefreiung einfach kaum ein Thema war, sondern Sklaverei war Alltag – sogar christlich-religiös begründet – es ging jedoch darum, diesen Alltag zu humanisieren. Man muss an dieser Stelle bedenken, dass die Christen eine kleine Minderheit waren, die auch – vielfach als Sklaven – selbst ums Überleben kämpften.
Wichtig für die Botschaft ist auch die Sicht des Paulus, die in einem Lied formuliert wurde: Jesus war bei Gott und wurde Mensch, wurde Sklave bis zum Tod am Kreuz. Sklaven fanden in dem Gottessohn einen, mit dem sie sich identifizieren konnte.
Kirchenväter
Eine Verwandlung der Gesellschaft begann sich nur sehr langsam durchzusetzen. Denn auch innerhalb der Christen gab es Menschen, die wohl Sklaven hatten – das sagt nichts über deren Umgang mit den Menschen aus. Man konnte Sklaven haben und menschlich mit ihnen umgehen.
Clemens von Alexandrien (150-215) meinte, Sklaven unterscheiden sich im Aussehen und in ihrer Tugendhaftigkeit nicht von deren Besitzer, somit seien sie zu reduzieren – und die Besitzer sollten selber arbeiten. Frauen wie Sklaven dächten gleichermaßen über den christlichen Glauben nach, seien damit den Männern und Freien gleichgestellt. Diese Sicht ist insofern wichtig, weil Sklaven in der Regel als unfähige Wesen angesehen wurden – und nun von Christen Wertschätzung und Bildung erfahren haben. So kann immer wieder auch gesehen werden, dass Sklavinnen und Sklaven ihre Herrinnen und Herren zum christlichen Glauben führen konnten. Der berühmte Kritiker der Christen, Kelsos (ca. 150-200) hat eben das dem Christentum vorgeworfen, dass sie stolz darauf seien, aus verworfenen Menschen zu bestehen. Aber diese verworfenen Menschen könnten sich nicht bessern. Indem Christen sich zu den Sklaven halten würden, würden sie zeigen, dass sie kluge Menschen nicht erreichen könnten. Origenes (185-254), der gegen Kelsos argumentierte, meinte: Man tue das auch weiterhin, auch wenn Kelsos dagegen sei, weil sie dadurch edel werden und durch das Wort Gottes frei werden würden. Kurz: Sklaven wussten sich von der Lehre und dem Handeln der Christen angesprochen – und wurden selbst Christen. Tatian (+170) meint, ein Christ müsse bedürfnislos sein, und wenn er das ist, dann sei für ihn das Freisein nicht wichtiger als das des Sklavendaseins. Äußere Lebensverhältnisse seien egal. Er sei ebenso bereit, dem Kaiser als Sklave zu dienen – aber wenn ihm befohlen würde, Gott zu leugnen, so würde er das nicht tun. Hieran wird sichtbar, dass der Herr keine vollkommene Macht mehr über den Sklaven hat. Und damit ist der Sklave frei – wie oben schon bei Paulus gesehen. Parallel dazu ist das Leben des Kallist (160-222) zu sehen. Er war wohl Sklave, wurde nach seiner Verhaftung und Freilassung als Sklave frei gelassen, ihm wurden in der christlichen Gemeinde wichtige Ämter zugewiesen, die er so gut ausführte, dass die Gemeinde ihn zum Bischof gewählt hat und nicht den berühmten Hieronymus. Er legitimierte dann die Heirat von christlichen Frauen mit Sklaven oder Freigelassenen als Ehe.
Für Laktanz (250-320) war Sklaverei weder natürlich noch gerecht. Dieser vom römischen Staat geförderten Ungleichheit wurde die Gleichheit in den christlichen Gemeinden entgegengestellt – aber diese Gleichheit sei nur eine spirituelle. Und das, was der christliche Glaube fordere, sei äußerst schwer zu realisieren. Entsprechend argumentierten auch die berühmten Christen, nachdem das Christentum als Religion anerkannt war und eine bedeutende Stimme wurde: ab 312. Ambrosius (339-397), Augustinus (354-430), Chrysostomos (349-407) haben alle gesagt, Sklaven sollen aufgrund ihrer geistlichen Befreiung durch Jesus Christus ihren Herren gehorsam sein – aber gleichzeitig brachten sie neben dieser geistlichen Freiheit auch die körperliche: Chrysostomos kaufte kriegsgefangene Sklaven frei. Parallel dazu schildert er das Verhältnis des Menschen zu Gott wie einen Sklaven: Man solle als Sklavenhalter so freundlich mit seinen Untergebenen umgehen, wie Gott mit den Herren umgeht, man solle Sklaven kaufen und freilassen. Vor allem galt es auch, neu Sklaven aufzukaufen, damit es keine neuen Sklaven gebe. Andererseits jedoch wird an Chrysostomos sichtbar, wie ambivalent sein Verhältnis zu Sklaven ist, dass er sie nicht als Ebenbürtig akzeptierte. Augustinus sah, dass Sklaverei nicht zur guten Schöpfung gehörte, dann aber durch den Sündenfall zum Teil des Menschen wurde. Nicht nur der Sklave war Sklave, sondern auch der Herr selbst wurde zum Sklaven, zum Sklaven der Sünde, der Triebe (Sex, Geiz…). Augustinus begründete Sklaverei – aber gleichzeitig kaufte er Sklaven von brutalen Herren ab. Und Geistliche sollen unter der Ägide von Augustinus Sklaven frei gelassen haben. An diesen Befreiungen sah er manchmal, dass es Menschen, die frei gelassen worden waren, nach der Freilassung schlechter ergangen ist als vorher. Von der Heiligen Melania (die Jüngere) (383-439) wird gesagt, dass sie ihre Sklaven freilassen wollte – doch es kam zu einem Aufstand der Sklaven. Auch Ambrosius nahm die stoische Sicht auf (gegen Aristoteles), dass niemand von Natur aus Sklave sei. Mit Paulus sieht er, dass Sklaven zum Leib Jesu dazugehören, und wenn einer am Leib leidet, so leiden alle mit – daraus folgt, dass der Sklave gut zu behandeln ist. Ebenso ist Gregor von Nyssa (335-394) eindeutig gegen die Sklaverei aufgetreten: Wer Sklaven kauft, übertritt das Gebot Gottes, der den Menschen zu seinem Ebenbild frei und autonom geschaffen hat. Entsprechend hat man dem Sklaven gegenüber mit Respekt zu begegnen. Aber auch er trat gegen Rechtsbruch ein, das heißt gegen die gewaltsame Sklavenbefreiung.
An diesen gewichtigen Männern wird deutlich, wie massiv die Sklaverei in der Gesellschaft, in den Hirnen der Menschen verankert gewesen ist. Erst unter dem christlichen Kaiser Justinian (527-565) wurden Gesetze, die die Freilassung von Sklaven behinderten, aufgehoben. Parallel dazu sehen wir aber, dass der christliche Glaube für Sklaven sehr wichtig geworden ist. Warum? Wie oben gesehen: Sklaven gehören ganz ihren Herren – und das Christentum zeigte: Der Körper gehört den Herren – aber euer Geist gehört ihnen nicht. Ihr seid durch Christus befreit.
Klöster
Im weiteren Verlauf haben Mönche dazu beigetragen, dass die Sklaverei vor allem dann auch seit dem 7.-9. Jahrhundert zurückging, da man mit eigener Hände Arbeit wirken musste. Zudem wurden immer mehr Sklaven Mönche und Bischöfe, was dann auch zu einer Veränderung der Sklaverei beigetragen hat. Es gibt berühmte Beispiele dafür, dass Sklaven befreit wurden – aber gerade auch die berühmten Beispiele zeigen, dass es nicht üblich war.
Mit der Christianisierung Europas verschwand dann auch im Laufe der Zeit der Sklavenhandel, der im muslimischen Bereich weiter bestanden hat.
Der Sklavenhandel blühte dann wieder mit der Entdeckung Amerikas auf. Die Päpste Nikolaus V. Und Alexander VI. haben diese im 15. Jahrhundert erlaubt. Im 16. Jahrhundert verbot Paul III. die Sklaverei. In katholischen Bereichen wurde sie immer weiter zurückgedrängt. Die Kirche hatte aber immer weniger Macht – vor allem angesichts des entstehenden Frühkapitalismus in protestantischen Ländern, sodass die Sklaverei blühte. 1718 wurde von dem (christlichen) Quäker Burling eine Schrift gegen die Sklaverei veröffentlicht, der Quäker-Staat Pennsylvania schaffte die Sklaverei ab und im weiteren Verlauf wurde auch unter massivem Einwirken von einzelnen Christen (z.B. Wilberforce) die Sklaverei bekämpft.
Und auch heute gibt es noch weltweit Sklaverei. Dagegen wenden sich (auch christliche) Organisationen wie zum Beispiel: Anti-Slavery-International (die wohl älteste internationale Menschenrechtsorganisation die noch in die Wilberforce Zeit hineinreicht), International Justice Mission, terres des hommes.
https://www.wolfgangfenske.de/impressum-datenschutz.html und www.blumenwieserich.tumblr.com