Wofür?

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Der Mensch muss wissen, wofür er lebt. Karriere, Geld, Reichtum, das ist für die meisten ein Ansporn – aber irgendwann sehen sie ein:

Das erreiche ich nie.

Und was dann?

Oder sie erreichen das und es stellt sich eine ähnliche Frage:

Und jetzt?

Der Mensch benötigt höhere Ziele, Ziele, die über sein individuelles Leben hinausgehen. Und von daher ist es verständlich, dass der Terror des Islam Menschen anzieht, weil sie dann sehen: Hier bin ich Teil einer Gruppe, die ein hohes Ziel anstrebt: Das Kalifat. Und noch schöner ist: Wenn ich als Teil der Gruppe das anstrebe und dabei umkomme, dann bekomme ich das Paradies im Jenseits und im Diesseits Ruhm in der Gruppe. Das ist die Anziehungskraft jeglicher Ideologie, sie war auch die Anziehungskraft des Kommunismus. Nicht das Paradies im Jenseits, sondern hier stand dann das Wissen im Vordergrund: Man stirbt als Genosse, geehrt von Genossen.

Die westliche Gesellschaft baut ihre Lockungen auf individuellen Reichtum, auf Karriere, auf Geld. Sie hat keine Ideologie, auf die sie aufbauen kann. Demokratie eignet sich nicht dafür, denn Demokratie bedeutet: die Uneinheit zur Tugend zu erklären, bedeutet Diskussionen, bedeutet, Streit. Das ist ihre Größe – aber gleichzeitig auch für manche recht unbefriedigend. Geld auf dem Konto – das ist auch Kampf, aber heldenhafter Kampf, ich muss andere hinter mir zurücklassen, ich bin stärker, ich muss mit allen Tricks versuchen, der Geld-Held zu sein. Siemens hat einmal versucht – ich weiß nicht, ob das immer noch so ist – die Firma ideologisch aufzuwerten: Man ist Teil der großen Siemens-Bewegung, man hält sich an ethische Richtlinien… Und von einem Wirtschaftsprofessor weiß ich, dass er versuchte, die globale Wirtschaft ideologisch zu erhöhen: Die Wirtschaft tut mehr für die Menschen als jede Religion und Ideologie, sie bringt Wohlstand, sie bringt das Glück… Ich weiß nicht, wieweit es solche Ideologisierungsversuche noch immer gibt. Aber damit kommt man nicht weit. Dawkins und andere versuchen den Atheismus zu ideologisieren: Man kämpft für den guten Atheismus gegen das Höllenkonstrukt Religion. Und wenn die Religion erst einmal besiegt ist, folgt die heile Welt.

Nicht nur islamische Religion, Wirtschaft, Kommunismus und Atheismus versuchen dem Individuum eine Perspektive als Teil des Ganzen zu bieten, sondern auch der Nationalismus, der Rassismus, das Kasten- bzw. Schichtensystem, als Teil der Familie, des Clans, des Volkes… usw.

Auch das Christentum ist zu nennen. Sich als Teil der Bewegung Gottes zur Welt zu sehen, sich als Kinder Gottes, als Geschwister, die den Weg Jesu in der Welt weitergehen bzw. in seinem Auftrag in der Welt weitergehen. Jesus betont gegenüber dem “Volks-Verständnis” ein anderes Verständnis: die Gemeinschaft der Kinder Gottes. Und diese Gemeinschaft besteht nicht daraus, dass man sich anderen überordnet, sondern wie er mit dem Beispiel des Kindes zeigt: Wer ein Kind, das damals im Allgemeinen nicht viel galt, aufnimmt, der nimmt mich bzw. Gott auf. Christen sind Teil der großen Gottesbewegung zum Menschen, die nicht im Herrschen besteht, sondern darin, für Notleidende da zu sein. Auch wenn die Kirche mit den Ideologien diesen Ansatz Jesu immer verraten hat, wie schon seine Jünger: Wer ist unter uns der Größte? wer wird herrschen? – so bleibt dieser Ansatz doch Welt umwerfend. Denn all die genannten Ideologien und Religionen zielen darauf ab, zu herrschen. Der Ansatz Jesu ist, wie gesehen ein ganz anderer.

Und gleichzeitig ist aber das Individuum nicht nur Teil des Ganzen, sondern als Individuum wichtig. das geht den Ideologien auch ab. Der Einzelne kann untergebuttert werden, um das große Ziel zu erreichen. Das entspricht nicht jesuanischer Sicht. Das Individuum agiert aus eigener Verantwortung in Zuordnung zu Gott – was die späteren Christen: Leben aus dem Gottesgeist nannten.

Vor lauter Gemeinschaft darf der Einzelne nicht übersehen werden – vor lauter Individualismus darf die Gemeinschaft nicht übersehen werden. Man kann das natürlich auch mit soziologischen Fachbegriffen säkular aussprechen. Aber das mögen andere tun.

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