Klasse Artikel! Man kann wunderbar Rhetorik studieren. http://www.sueddeutsche.de/politik/sarrazin-buch-der-neue-tugendterror-kuehler-kopf-kaltes-herz-1.1897350
Natürlich fängt der Bericht damit an, dass gesagt wird, dass Sarrazin beklagt, dass man nicht alles sagen dürfe – und man sieht doch im Gegenteil, dass sich sein letztes Buch massenhaft verkauft hat. Wie kann er also sagen, dass man seine Meinung nicht mitteilen dürfe? Dass sich das Buch allerdings verkauft hat, gegen die massiven Kämpfe unserer Medien gegen Sarrazin – sogar der wenig hilfreichen Kanzlerin – das wird verschwiegen. Nun wollen sie also ihre Niederlage in einen Sieg umwandeln – gegen das neue Sarrazin-Buch.
Sarkasmus finden wir in dem Artikel + Lächerlich machen („pure Kühnheit“ – beachte Kontext! Der gelernte Volkswirt als Genetiker und Bildungsexperte…). „Für das neue Buch hat sich Sarrazin nun zwei neue Professionen ausgesucht: Kommunikationswissenschaftler und Pressedokumentar.“ Und so geht es weiter und weiter. Argumente gibt es natürlich nicht. Dafür aber einen furiosen Abschluss: „Sarrazin dagegen steckt Menschen in Korsette, diese sollen sie gefälligst lebenslang tragen. Dahinter steckt das Weltbild, mit dem er so gerne spielt: aus der Zeit der Hexenverbrennung. Wer das kritisiert, betreibt laut dem Buch Tugendterror….“
Ich denke, dass auch die SZ-Leser noch nicht ganz vernebelt sind und nun selbst lesen wollen, was denn nun wirklich im Buch drinsteht. Ich weiß nicht, ob ich dazu komme, es zu lesen – aber die rhetorischen Messer werden in den Medien geschliffen. Wie sie sie jeweils hantieren, das ist spannend zu beobachten.
Und so hat auch welt-online http://www.welt.de/politik/deutschland/article125159354/Der-Pedant-Thilo-Sarrazin-schafft-sich-selbst-ab.html einen tollen Titel gefunden – die Leute in den Stuben werden sich freudig erregt die Hände reiben: „Der Pedant Thilo Sarrazin schafft sich selbst ab“. Dass Sarrazin penibel sei, haben wir schon in der SZ lesen können. Also dieses genaue Arbeiten scheint den Journalisten aufzufallen – aber nicht zu gefallen. Sie mögen auch nicht das Spröde. Aber: Sarrazin hat doch auch Fehler gemacht. Bei ihm habe Chruschtschow die berühmte Geheimrede 1957 gehalten. Und wann wurde sie in Wirklichkeit gehalten? Das wird uns im Artikel nicht verraten, wahrscheinlich weil das eh alle wissen – nur eben Sarrazin nicht. Ich sage es Euch dennoch: 1956.
Und der Stern weiß: „Neues vom Knallfrosch“ – das sagt uns schon alles http://www.stern.de/politik/deutschland/drittes-sarrazin-buch-neues-vom-knallfrosch-2092180.html – und man fragt sich: Soll man den Artikel wirklich noch lesen?
Focus-online erfahren wir Sensationelles: Der RBB und der WDR wollen kein Interview mit Sarrazin bringen, sie haben das Interview und die Talkrunde abgesagt. http://www.focus.de/kultur/kino_tv/kein-werbeauftritt-fuer-neues-buch-eklat-im-ersten-ardlaesst-sarrazin-doppelt-abblitzen_id_3637200.html Was sagt uns das? Sarrazin hat Recht: Man will ihn nicht reden lassen – Meinungsfreiheit ist unerwünscht? Nö, man wollte nur ein anderes Thema talken.
Damit lasse ich es nun gut sein und möchte unsere lieben Journalisten noch an den Pressekodex erinnern. Hier können sie ihn nachlesen: http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/
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