In dem Buch von Berta Braune: Hoffnung gegen die Not. Mein Leben mit Paul Braune (1932-1954) erfahren wir, dass die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ versucht hat, sich die Innere Mission (Diakonie) einzuverleiben (wie die Nationalsozialistische Partei auch die christliche Jugendarbeit übernommen hat).
Paul Braune kämpfte mit anderen gegen die Ermordung von Behinderten und hatte im Juli 1940 entsprechend auch eine Denkschrift dagegen verfasst. 1947 schrieb Paul Braune in der Zeitschtift „Innere Mission“ über diesen Kampf für die Menschen. Manches davon ist auch für unsere Zeit wichtig. Einen Abschnitt (72f.) bringe ich als Zitat:
Wenn man das allgemeine Urteil der Menschen und die damalige öffentliche Stimmung, die sich nicht an Worte Gottes orientierte, deutlich zu machen sucht, so ist mir folgendes in Erinnerung. Der Film «Ich klage an» wurde etwa im Jahre l941 angesetzt, um die Volksstimmung dahin zu beeinflussen, daß es eine selbstverständliche Notwendigkeit sei, solche hoffnungslos Kranken von ihrem Leiden zu erlösen. Dieser Film fand bei der großen Menge des Publikums Zustimmung, weil es dem unkritischen Menschen als eine humane Maßnahme erscheinen mußte,
daß solchem Elend auf schmerzlose Weise ein Ende gemacht wurde. Diese zustimmende oder weithin neutrale Stellung zur Tötung von Kranken, Geistesschwachen und Epileptikern war sogar so weit im Volk verbreitet, daß ich bis weit in die urteilsfähigen Kreise hinein nur einem leisen Achselzucken begegnete, wenn ich von meinem Kampf gegen die Euthanasie erzählte. Immer wieder konnte einem das gedankenlose Wort begegnen: Ist es denn wirklich schlimm, wenn solche Kranken sanft und schmerzlos von ihren Leiden erlöst werden? Es kam vor, daß selbst christlich orientierte Kreise kein volles Verständnis dafiir hatten, daß man Leben und Existenz aufs Spiel setzte für solche hoffnungslosen oder gar minderwertigen und elenden Menschen. Immer wieder wurde einem gesagt: Gehe nur hinein in eine Anstalt von Geisteskranken oder von Schwachsinnigen, sieh dir den ganzen Haufen Elend an, und dann gibt es doch bei nüchterner Betrachtung keine bessere Lösung, als daß man sie alle von ihren Leiden befreit! Wir müssen heute aber mit aller Deutlichkeit und Schärfe sagen, daß auch die vielen, die damals nur mit leichtem Achselzucken das ganze Problem abtaten, sich mitschuldig gemacht haben an der Durchführung solcher Massenmorde. Es hätte einen Aufschrei, ja, einen lauten Protest im ganzen Volke geben müssen, als es bekannt wurde, daß in den Anstalten der „Pflege und Wohlfahrt“ nur Morden und Töten an der Reihe war. Hier liegt auch ein Stück unserer großen Allgemeinschuld. Ich will gern zugeben, daß Millionen und aber Millionen es nicht gewußt haben, was geschah. Aber die, die es wußten und wenigstens teilweise ahnten, zuckten eben nur mit den Achseln und blieben bei ihrer Neutralität.
Der Titel „Ich klage an“ – war also nicht ein Titel, der sich gegen das Morden wandte, sondern angeklagt wurde, dass Menschen, nicht ermordet wurden. Auch hieran kann man sehen, wie perfide diese Weltanschauung vorgegangen ist. Zu dem Film: https://de.wikipedia.org/wiki/Ich_klage_an_(1941)