Kirchen-Chefs auf Abwegen + Heil

Es ist gut, dass sich auch Jan Fleischhauer nicht von dem unseligen Verhalten der Kirchenfürsten die Sinne vernebeln lässt und klar Stellung bezieht: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/christentum-und-islam-die-unterwerfung-kolumne-a-1120073.html Ich finde die nachträgliche Rechtfertigung Bedford-Strohms auf gleicher Ebene schlimm wie das, was sich diese Herren geleistet haben. Aber ich muss mich nicht wiederholen. Und hier wird das noch einmal verteidigt: Die Herren waren Gäste: http://www.kath.net/news/57361 Wenn sie als Gäste die Kreuze ablegen, was dürfen wir nicht alles von den zugereisten Gästen erwarten? Die Apologien sollten besser überlegt werden, weil sie, soweit ich sich kenne, eher kläglich versagen.

Ärgerlich finde ich, dass Bedford-Strohm dann auf der EKD-Synode entsprechend redet. Er redet an den Menschen dieser Kirche vorbei. Diese Menschen haben Nächstenliebe, sie sind offen für andere, für Fremde, für Menschen, die in Not sind – aber sie haben auch einen Sinn dafür, was das heißt, Verantwortung zu tragen, Verantwortung ist nicht dasselbe wie eine Nächstenliebe-Ideologie zu vertreten. Verantwortung tragen bedeutet auch zu erkennen, dass es verschiedene Wege und Vorstellungen darüber gibt, wie eine sinnvolle Integration gelingen kann und wie sie nicht gelingen kann. Verantwortung tragen bedeutet, über den richtigen Weg zu diskutieren – und das kann auch bedeuten, dass man dahin kommt, der Strömung, die die Kirchenchefs vertreten, zu widersprechen. Und diese kritischen Stimmen pauschal als Rechtspopulisten abzukanzeln – das wird den Christen in unserem Lande, die sich ernsthaft Gedanken über die Zukunft unseres Landes machen, nicht gerecht. Das wird nur in dem kleinen Club der auserlesenen Gleichgesinnten mit Beifall aufgenommen und von denen, die keine Christen sind, die das zu Propagandazwecken aber gut gebrauchen können. Und wo kommen wir als Christen hin, wenn wir uns aus politischen Gründen jeweils das Christsein absprechen. Das ist doch absurd!

Wir sollten als Kirche Verantwortung tragen und darüber diskutieren, was das für unser Land in dieser Zeit und in dieser Situation bedeutet. Abkanzelungen sind von Übel und undemokratisch. Es geht um Politik. Es geht um Interpretation. Und hier gilt es nur, klare Kante gegen wirklich extreme Positionen und Hass-Voten zu beziehen, dagegen, dass der christliche Glaube für allen möglichen Popanz herhalten muss. Aber zu diesem Popanz gehört nicht allein der Missbrauch durch einige Rechte, sondern auch durch Linke. Es geht darum, Rechtsextremismus als Ideologie abzulehnen, weil sie menschenverachtend ist. Damit hat Bedford-Strohm recht. (Ich wüsste aber gerne, was er heute unter völkisches Gedankengut versteht. Vertritt heute irgendeiner – außer dem einen oder anderen Spinner noch völkisches Gedankengut im Sinne von Reinhaltung der Rasse? Außerhalb des Rechtsextremismus hat das doch eine ganz andere Bedeutung. Man kann über die Verwendung des Begriffs unglücklich sein, weil er für viele nationalsozialsozialistisch konnotiert ist. Dazu unten eine Anmerkung: +) Aber er hält diese Grenze nicht ein: Rechtsextremisten sind nicht identisch mit denen, die in Medien allgemein als Rechtspopulisten bezeichnet werden. Diese darf man nicht in einen Topf werfen, auch wenn sie sich hier und da überschneiden mögen.

Es geht nicht an, politische Diskussionen einfach so abzuwürgen. Es wird auch nicht klappen. Wer die Kirche politisiert, wie manche in der EKD-Synode es tun, muss sich nicht wundern, wenn andere politisierte die Kirche verlassen. Und dann ist die Gruppe, die über den alltäglichen politischen Querelen stehen sollte, die Brücken bauen sollte, weg, weil sie das Baumaterial ohne Notwendigkeit verhökert hat.

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Hier wird der enge Schulterschluss der protestantischen Kirche mit der Politik aus einer anderen Perspektive kritisiert: http://www.zeit.de/2016/46/politik-protestantismus-deutschland-naehe-bundespraesident

Aber: Die Politik klammert sich an die Kirche, weil die Kirchen die einzigen sind, die die Integration mit aller Macht vorantreiben. Sie sind im Grunde Erfüllungsgehilfen der Politik. Ein Riss geht dann in dieses Miteinander, wenn de Maiziere anfängt, Realpolitik zu betreiben im Sinne von: Migranten werden ausnahmslos sofort zurückgeschickt. Da werden dann die Kirchen sicher sauer werden und als erste mit auf den Barrikaden stehen.

Dass die Kirchen in Deutschland so dominant sind – auch darin, dass sie die Bundespräsidenten usw. stellten – hängt eben damit zusammen, dass Theologen vielfältig und gut ausgebildet sind, dass sie eloquent sind, dass sie differenzieren können, wissen, was die Menschen so umtreibt, sie leben ja am seelsorgerischen Puls der Zeit. Gilt leider nicht für alle. Klar. Kennen wir. In ihre Ideologie selbstverliebte gibt es auch in der Kirche.

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Zum Thema „völkisch“: In München wurde vor einigen Jahren einmal für einen Vortrag an der Evangelisch-Theologischen-Fakultät auf Plakaten geworben: Das Heil (wenn ich mich recht erinnere) im lukanischen Werk. Und es hatten manche nichts anderes zu tun als diese Plakate zu beschriften: faschistisch, Nazis… Klar. Sie kennen den Begriff nur im Kontext von Heil Hitler. Und sie geben damit den Nationalsozialisten eine Macht, die ihnen nicht gebührt. Nationalsozialisten haben viele Worte missbraucht, um ihre menschenverachtende Ideologie schönzufärben. So das in christlicher Tradition wichtige Wort „Heil“ – wir haben es noch in Heile, heile Segen, in dem Wort Heilung.

Selbst die neu revidierte Lutherbibel 2017 schreibt:

Und in keinem andern (als in Jesus Christus) ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden (Apostelgeschichte 4,12)

Manche Worte müssen wir uns einfach wieder zurückerobern. Ob es sich bei dem Begriff „völkisch“ lohnt, mag dahin gestellt sein – aber es gehört sich für eine Gesellschaft, darüber auch ohne Basta-Allüren diskutieren zu dürfen.

Impressum http://www.wolfgangfenske.de/

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