Liberalismus

Das Buch von Marcello Pera: Warum wir uns Christen nennen müssen. Plädoyer eines Liberalen – ist eine Fundgrube. Ich schrieb es schon einmal: Es lässt eine ganze Menge erkennen, um das Europa der Gegenwart beurteilen zu können. Im Folgenden mische ich durch das Buch angeregte Überlegungen mit Aussagen des Autors.

Für mich war in einigen Kapiteln – ich habe es noch nicht fertig gelesen – sehr interessant zu sehen, dass in Europa nicht die Subsidiarität gilt, dass also Europa von unten nach oben bestimmt wird, sondern dass es von seiner Grundlage aus weltanschauliche/ideologische Struktur hat: Eine liberal-säkulare Elite hat die Grundlagen bestimmt – und von diesen aus muss dann die Bevölkerung umerzogen werden. Es geht also von oben nach unten. Und diese Grundlage einer Gesellschaft tut nie gut, weil sie von diktatorischen Ambitionen begleitet wird. Damit die säkulare Ideologie auch immer stärker Fuß fasst, muss die christliche Tradition immer stärker zurück gedrängt werden bzw. verschwiegen werden. So bastelt man sich eine eigene Vergangenheit, hebt eigene Vorbilder hervor – und all das ist Kennzeichen einer Ideologie, die nicht in der Lage ist, das zu sehen und zu benennen, was wirklich war, sondern die Vergangenheit soll wie die Zukunft einem bestimmten Weltbild angepasst werden. Man verwendet noch das Wort „religiös“ – vermeidet aber zu sagen, was das bedeutet. Man verwendet das Wort humanistisch – vermeidet aber zu sagen, welche Grundlage (eben die Christliche) der Humanismus hat. Man verwendet Abstrakta wie Gerechtigkeit und Würde – vermeidet aber zu sagen, dass unser Verständnis von Gerechtigkeit und Würde seine Grundlage im christlichen Glauben hat. Und zwar in einem christlichen Glauben, der griechische Philosophie, römisches Recht und jüdisches Welt- und Gottesbild  aufgrund seiner ganz besonderen Brille zu etwas ganz besonderem zusammengeschmolzen hat. (Ich persönlich würde auch die germanischen Stämme als Hintergrund nicht übergehen.)

Marcello Pera meint, dass das nicht klappen wird, weil das so konstruierte Europa keine Identität entwickeln kann – aber auch nicht will. Man will kosmopolitisch sein.

Und ich erkenne: Aber indem man nun die säkular-liberal konstruierten Werte weltweit verbreitet, wird man das, was man nicht will: kolonialistisch. Alle müssen eben nach dieser Pfeife tanzen, weil man als Europa diese Werte überall zum Maßstab machen will.

Marcello Pera meint, dass Europa keine Seele hat. Eine Art Verfassung, die nur abstrakte Begriffe wiedergibt, kann keine Identität stiften, aber auch keine „Seele“ sein.

Und ich erkenne: Darum muss der Papst diese Seele ersetzen – allerdings ein Papst, der so säkular ist, wie die konstruierte Grundlage Europas. Von daher muss man den Papst ins Boot holen – und wenn er sich nicht ins Boot holen lassen will, wie Benedikt XVI. muss man ihn bekämpfen. Beim jetzigen Papst weiß man noch nicht so recht, ob er schon im Boot sitzt oder nicht, gewährt ihm noch ein wenig Ruhe.

Für mich ist das alles, was Pera darstellt, Kennzeichen einer Ideologie, wie auch Nationalsozialismus und Kommunismus eine Ideologie waren. Eine selbst ernannte Elite bestimmt von oben herab – und sucht sich natürlich Verbündete im Volk, die dann die Aufgabe übernehmen, das Volk entsprechend zu bearbeiten.

Ich will ein Zusammenwachsen der europäischen Nationen. Und hoffe, dass Ideologen nicht ganz den Weg bestimmen können, den Europa gehen wird. Es muss ein Europa von unten sein, ein Europa, das sich seiner Werte bewusst ist – sich aber auch zu den Grundlagen dieser Werte bekennt – sie zumindest nicht leugnet – , denn sonst bleibt Europa ein Koloss auf tönernen Füßen. Und dieser Koloss kann ganz leicht umgestoßen werden.

Mit Blick auf den Islam merkt dieses säkulare Europa so langsam, dass nicht jeder nach EUs Pfeife tanzt, ebenso mit Blick auf Russland. Ein säkular-liberales Europa wird starr, ist auf Dauer nicht mehr in der Lage, flexibel Weltpolitik zu gestalten. Diese Jahre entscheiden im Grunde, in welche Richtung Europa tendiert: ideologische Erstarrung geprägt von einer säkular-liberalen Elite oder ein lebendiger Zusammenhalt geprägt von den Menschen von Portugal bis Polen, von Irland bis Griechenland.

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