Ich wollte für meine Seite www.evangelische-religion.de einen Beitrag über das Böse schreiben. Ich wollte zunächst die philosophische Sicht darlegen:
Buch Hiob: Gott lässt es zu, dass der Satan dem Hiob Böses antut – darum wendet sich Hiob nicht an den Satan, sondern klagt Gott selbst an.
Augustinus: Die grundsätzliche Willensschwäche macht den gut geschaffenen Menschen böse. Aber das Böse ist eine Abwesenheit des Guten, denn die Schöpfung ist gut.
Hobbes: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
Rousseau: Der Mensch ist gut – die Gesellschaft macht ihn böse.
Leibniz: Da Gott die beste aller Welten geschaffen hat, ist sie rational zu durchdringen. Gott ist das Böse nicht anzulasten – es ist zu Gunsten der Welt notwendig, dass einzelne Menschen leiden.
Kant: Die Freiheit des Menschen, sich für das Gute zu entscheiden bringt mit sich, dass er sich auch für das Böse entscheiden kann. Und der Mensch ist radikal böse. Kultur (Religion) vermag ihn gut zu leiten, weil der Mensch egoistisch denkt, sucht er seinen Vorteil durch Kultur und Religion zu erlangen.
Voltaire: Während wir uns auf dem Ameisenhaufen um einen Strohhalm zanken, geht das Universum seinen Gang. Der Mensch interessiert Gott nicht.
Schopenhauer: Das Böse ist Grundlage des egoistischen Menschen – aber auch Mitleid ist es. Mitleid in dem Sinn, dass der Mensch sich im anderen wiedererkennt und mitleidig wird. Dadurch wird das Böse sich vielleicht einmal beseitigen können.
Darwin und Evolutionsdenker: Der Mensch ist im Grunde ein Hordentier. Die Horde gibt gutes Verhalten vor, und der Mensch sucht sich anzupassen, um zu überleben: als Individuum und als Abhängiger von seiner Horde.
Nietzsche: Das Böse ist eine Erfindung der jüdisch-christlichen Religion, um den Menschen zu knechten.
Freud: Der Mensch hat seinen Trieb, seine Aggression, die ihn antreiben, das Es kennt kein gut und böse. Die Gesellschaft begrenzt diesen Trieb durch das Über Ich. Der Mensch ist wandelbar – er ist nicht nur es und nicht nur Über Ich – zu betonen ist das Ich – der Verstand, der ihn frei macht, über das Drängen des Es und das des Überich zu entscheiden.
Jonas: Gott ist verstehbar. Wenn man von Gottes Allmacht spricht, dann ist Gott nicht mehr verstehbar. Von daher ist die Kategorie “Allmacht” zu streichen.
Arendt: Gedankenloses Handeln lässt böse handeln – Nachdenken und Bildung verhindern das Tun des Bösen.
Scholl-Latour: der Mensch ist in seinem Kern nicht gut. Er ist ein Raubtier.
Mir ist natürlich klar, dass die Kürze ein wenig verzeichnen kann. Aber als ich das alles so niederschreiben wollte, habe ich gemerkt, dass man so seine Vorlieben hat: Nicht Gott kann für das Böse verantwortlich sein – Gott ist gut. Vor allem auch dann, wenn man nicht an Gott glaubt, kann Gott natürlich nicht verantwortlich sein, sondern allein der Mensch. Und dann hängt man an dem Problem: Ist der Mensch gut? Ist der Mensch böse? Ist der Mensch sowohl als auch?
Kurz: Wir wollen alles wunderschön mit dem Verstand durchdringen – ahnen aber, dass wir es letztlich nicht können. Und vor allem ahnen wir es, wenn wir nicht nur am Schreibtisch hocken, sondern auch aufblicken und in das böse Gesicht von Menschen schauen. So sehen wir sie nicht zuletzt in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten, in den Gulags der Kommunisten, in den Völkermorden des 20 Jahrhunderts (Türkei – Armenien, Serbien, Ruanda) sondern auch in den jetzigen ISIS-Terroristen.
Und an dieser Stelle kommt dann der Erfahrungsschatz der Religionen ins Spiel, der eben nicht aus der heilen Welt am Schreibtisch gewonnen wurde, sondern angesichts der menschlichen Bosheit versuchen, damit umzugehen. Doch wie kann man darüber reden, schreiben?
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