Gott handelt überraschend. Adventslieder sind voller Überraschungen. Wir singen sie aus alter Gewohnheit, sie sind alte Freunde geworden, doch wenn wir genau hinhören, wenn wir genau lesen, was sie sagen, was wir da singen, dann stehen wir vor ihnen mit ungläubigem Staunen. Und das beginnt schon mit dem ersten Lied: Mach hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit. Der Herr der Herrlichkeit – der Herr der Herrlichkeit, der Herr der wunderbaren Fülle Gottes, er kommt als Heiland, als Mensch, der sich um Menschen kümmert, der sich uns Menschen zuwendet in Liebe. Er kommt – doch was hat das mit uns zu tun? Es geht darum, die Herzenstür zu öffnen, sonst kann er nicht einziehen. Gott achtet unsere Privatsphäre. Er bricht nicht in uns ein. Er klopft an und wünscht sich, dass wir die Tür öffnen.
Wir sprechen von Wundern, die Jesus Christus getan hat. Wir rätseln: Hat er die Wunder wirklich getan? Doch die größten Wunder sind nicht die Wunder-Heilungen, die größten Wunder sind im christlichen Glauben das, was Menschen bis dahin für unmöglich hielten – und heute noch immer für unmöglich halten: Jesus Christus wurde von Gott aus dem Tode auferweckt und: Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden. Das allergrößte Wunder: Gott zeigt uns seine große Liebe zu uns verwirrten, einsamen und auch bösartigen Menschen. Er hat uns nicht aufgegeben, er will uns neu machen, liebevoll neu machen. Wie können wir mit den unglaublichen Überraschungen umgehen? Wir können dem Wunder ganz zaghaft die Hand hinhalten – damit es uns ergreift.
Es ist ein Ros entsprungen – diesem Lied liegt ein Bibeltext zugrunde: Jesaja 11,1. In diesem wird gesagt, dass aus der Wurzel eines abgehauenen Baumes ein neuer Trieb hervorgehen wird, ein Schössling. Und dieser Schössling ist eine Überraschung: Niemand dachte mehr daran, dass aus dem, was zerstört und verdorrt erscheint, neues Leben hervorgehen wird. Doch Gott hat neues Leben entstehen lassen. Dieses neue Leben ist Jesus Christus. Unerwartet hat Gott mit ihm die Welt verändert: Menschen bekommen Hoffnung, Trost, können in Liebe handeln. Das Lied versetzt diesen Text nach Europa. In der kalten Nacht, in der man nicht erwartet, dass eine Rose erblüht, lässt Gott Jesus Christus erblühen. Und so vertreibt er Finsternis und Kälte.
Überraschend ist, dass Gott uns mit solchen Liedern und Texten ergreift. Wir werden selbst fröhlicher. Das Schwere, das wir ertragen müssen, das wir tragen, das wird leichter. Wir spüren etwas von einer Welt, die noch nicht da ist, eine leichte Welt, eine Welt der Freude und der Hoffnung – doch irgendwie ist sie doch schon da, denn sonst würden wir nicht so fröhliche Lieder singen können. Gott handelt an uns, Gott macht uns neu. Der überraschende Gott gibt sich nicht damit zufrieden, dass wir in Traurigkeit versinken. (2015)
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